Soeben habe ich vom Tod Ingo Heinemanns erfahren. Bei dieser Nachricht setzte mein Herzschlag kurz aus. Anders gesagt: ich bin sehr, sehr traurig.
Ich kannte Ingo seit mehr als 40 Jahren. Er gehörte – neben Pfr. Haack und dem kürzlich verstorbenen Pfr. Hauth – zu den Pionieren unserer Arbeit. Seit ich ihn kenne, war er ein Arbeitstier mit einem juristisch durchtrainierten Kopf, der Sachverhalte schnell erfasste und zu klaren Bewertungen imstande war. Seine Veröffentlichungen waren gefragt; sogar in China haben die „Sektenexperten“ seinen Namen und seine Arbeiten gekannt.
Ich habe ihn als Freund, Berater und Begleiter meiner Arbeit sehr, sehr geschätzt. Das wusste er. Er hat mir und unzähligen anderen Ratsuchenden oft geholfen.
So klar strukturiert sein Denken war, so chaotisch war er im persönlichen Leben. Sein geliebtes Häuschen war vollgepackt mit Akten und Kisten. Irgendwo stand eine Waschmaschine, die man nur erreichte,
wenn man über einen Graben trat… ernähren tat er sich überwiegend aus Dosen… und auf seine äußere Erscheinung legte er nicht viel Wert.
Sein Lebensinhalt war die Recherche und die Veröffentlichungen seiner Arbeiten. Dafür stand er am späten Vormittag auf – und arbeitete bis tief in die Nacht. Immer. Jeden Tag. Urlaub kannte er schon lange nicht mehr.
Seit er den schlimmen Unfall hatte, war er an Körper und Geist gebrochen. Er war auf ständige Hilfe angewiesen und konnte nicht mehr selbstbestimmt leben. Sein Anblick war schmerzhaft.
Ich segne die Menschen des Sekteninfo dafür, dass sie sich um ihn gekümmert haben. Sie haben ihn besucht, mit ihm gesprochen, ihm Geschenke mitgebracht. Ansonsten war dieser tüchtige, mitten aus dem aktiven Leben gerissene Mann … allein.
Es war ihm nicht vergönnt, die Früchte seiner Arbeit zu genießen. Es war ihm nicht vergönnt, für sein Lebenswerk gelobt oder gefeiert zu werden. Nun will ich wenigstens auf diesem Wege dies tun und ihm Adieu sagen:
„Adieu, Ingo, lieber Freund. Ich stelle mir vor, dass Du lächelnd aus dem Himmel schaust und sagst, dass alles gut sei. Aber da Du nicht gläubig warst, wird das nur ein Bild sein, mit dem ich meine Trauer um Dich zu verarbeiten suche. Sonst könnte ich weiterspinnen … dass Du dort oben all die Wegbegleiter wiedersiehst, die vor Dir gegangen sind. Und Ihr würdet Euch eine Menge zu erzählen haben. Adieu, lieber Freund.“
Inge Marie Bonin