Hier können Sie unsere Chronik
mit zahlreichen weiteren Beiträgen
jetzt auch kostenfrei herunterladen

 

 

Fünfzig Jahre Elterninitiative – Gemeinsam gegen Abhängigkeit und Extremismus

1975 – 2025
Udo Schuster, Mitglied des Vorstands

 

Hilfe zur Selbsthilfe - Die Gründung der Elterninitiative

„Vierzig Bürger aus dem ganzen Bundesgebiet und aus Berlin gründeten in einer Münchner Kirche … eine „Elterninitiative gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus“. So berichtete der „Münchner Merkur“ in seiner Wochenendausgabe vom 27./28. September 1975.[1]

Knapp 14 Tage vorher, am 15. September 1975 um 16 Uhr, wurde die Elterninitiative in München gegründet. Als Gründungsmitglieder zeichneten damals Senator Wolfgang Burnhauser, Vorsitzender des Münchner Anwaltsvereins, Pfr. Friedrich-Wilhelm Haack, Inge Haack, der Diplom-Theologe Hans Löffelmann, Joachim Ritter v. Poschinger und seine Frau Ruth sowie Pfr. Kurt Österle.[2]

Hilfe zur Selbsthilfe war das Ziel bei der Gründung und ist es bis heute geblieben. Deshalb wurde die Elterninitiative als erste ihrer Art in Deutschland ins Leben gerufen. Konkret hieß dies einerseits, „Eltern beraten (...) und die Öffentlichkeit aufklären“[3] und in diesem Zusammenhang Informationen an „Verwaltungsorgane und politische Entscheidungsträger“[4] zu geben und diese andererseits auch um Hilfe bei der Auseinandersetzung zu bitten. Seit Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre hatte das Phänomen der Sekten, Gurubewegungen und Psychogruppen in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe bedeutete für viele Familien einen erheblichen Einschnitt. Betroffenheit, Ratlosigkeit, Selbstvorwürfe und viele offene Fragen traten auf. Immer mehr Eltern und Angehörige von Gruppenmitgliedern hatten die kirchlichen Beauftragten für Sekten und Weltanschauungsfragen um Rat und Hilfe gebeten. Es zeigte sich, dass es sehr wichtig ist, sich über Information und seelsorgerische Gespräche hinaus, auch mit anderen Betroffenen austauschen und mit den eigenen Erfahrungen gegenseitig stützen zu können. 

Die Öffentlichkeit war durch das Auftreten dieser Gruppen aufgeschreckt.  „Sekten unterjochen Jugendliche“ titelte der „Münchner Merkur“ seinen Artikel über die Gründung der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V. (kurz EI). Fernöstliche Gurus, wie Bhagwan Shree Rajneesh, provozierten als „Sex Gurus“, Prahupadas Hare Krishna Bewegung mit ihrer aggressiven Methoden Geld zu sammeln, die Transzendentale Meditation von Maharishi Mahesh Yogi mit  „Yogischen Fliegern“, die Vereinigungskirche des selbsternannten Messias Mun aus Korea, mit dem Anspruch, den angeblich gescheiterten Auftrag Jesu zu vollenden, die „Kinder Gottes“ von Mose Berg mit der „Flirty-Fishing“ genannten Form religiöser Prostitution oder schon damals L. Ron Hubbards Scientology mit ihrer totalitären „Brücke zur Freiheit“.

Es gab nur wenige Informationen und Anlaufstellen. Etwas, was man sich heute im Zeitalter von Internet, Social Media, YouTube und Blogs gar nicht mehr vorstellen kann. 

Einer der ersten, die sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzten, war der evangelische Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack, der seit 1964 zunächst nebenamtlich und seit 1969 hauptamtlich „Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen“ der evangelischen Kirche in Bayern war. Er und sein katholischer Kollege Hans Löffelmann (Beauftragter der bayerischen Bischofskonferenz) standen als Anlaufstelle für Betroffene und besorgte Angehörige zur Verfügung. Aus den zahlreichen Gesprächen ergab sich für beide die Notwendigkeit, den Eltern, deren Kinder solchen Gruppen beigetreten waren, eine Möglichkeit zum Austausch zu geben und anderen Betroffenen zu helfen. Wichtig war es, deutlich zu machen, dass sie mit ihrer Situation nicht allein sind.

Bewusst war damals die Namenswahl. Es ging nicht darum, Andersdenkende zu diskriminieren, sondern von Anfang an exakt und einwandfrei den Problembereich in der Namensgebung zu beschreiben und zu definieren. Aus diesem Grund: „…zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus“.  Damit wurden die beiden Problembereiche – nämlich Wirkungs-mechanismen einer Mitgliedschaft sowie inhaltlich bedenkliche Ideologiemodelle – beschrieben, mit denen man sich seitens der Elterninitiative kritisch aus-einandersetzen will. Beides kann in der Regel nicht getrennt voneinander gesehen werden. Methoden und Lehre bedingen einander.  Bewusst wurde auf den Sektenbegriff verzichtet. Zunächst ist die Frage, ob es sich um eine Sekte handelt, eine Frage des eigenen theologischen Standpunkts, von dem her die Beurteilung der Lehre einer religiösen Gruppierung erfolgt. Der Sektenbegriff greift in der Beschreibung der Gefahren durch die Praxis der kritisierten Gruppen zu kurz. Auch der damals gängige Begriff „Jugendsekten“ wurde bewusst nicht verwendet. Stattdessen wurde die Bezeichnung „neue Jugendreligionen“ gebraucht. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass die Organisationen vor allem junge Menschen ansprechen, den gerade jungen Menschen eignen Idealismus ausnutzen, und die „Religionen“ selbst noch relativ „jung“ sind. Aus Sicht der Elterninitiative war auch klar, dass sie als religiöse Gemeinschaften auftreten und dieser Religionscharakter auch nicht in Frage zu stellen ist[5], wenn man einmal von der Scientology-Organisation absieht. 

Erster Vorsitzender wurde Joachim Ritter von Poschinger, ein betroffener Vater. Sein Stellvertreter der Dipl.-Theologe Hans Löffelmann. Weitere Vorstandsmitglieder waren Studiendirektor Kurt Österle (Schulpfarrer aus Mainz) und Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack. Erste Überlegungen zur Gründung wurden bereits 1973 angestellt.[6]

Gefahren klar benannt

Die erste reguläre Mitgliederversammlung fand am 28. März 1976 in Bad Soden im Taunus statt. Ziel dieser Tagung war es, die Arbeit des Vereins auf eine breite Basis zu stellen. Schwerpunkte waren demnach organisatorische Fragen, wie die Bildung von regionalen Gesprächskreisen.

Einstimmig wurde eine Resolution verabschiedet, in der auf die Gefahren durch derartige Gruppierungen hingewiesen wurde:

Es würden unter dem Deckmantel der Religion „... handfeste wirtschaftliche und machtpolitische Interessen verfolgt, die eine Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates darstellen: 

  1. Herauslösen von Jugendlichen aus dem sozialen Gefüge,

  2. durch psychische  und materielle Ruinierung junger Erwachsener (oft keine Sozialversicherung),

  3. durch die Verherrlichung eines diktatorisch elitären Gesellschaftssystems,

  4. zur Verwirklichung dieses „idealen“ Zeitalters“ ist z.B. bei der „Vereinigungskirche“ ein dritter Weltkrieg eingeplant…“

Die Gruppen würden über enorme Finanzmittel und (am Beispiel Mun) auch über entsprechenden politischen Einfluss (in ihrem Heimatland) verfügen. Keinesfalls dürften sie deshalb als „zu belächelnde harmlose private Spinnereien“ abgetan werden.

Mit dieser Tagung wurde die Tradition einer regelmäßigen Jahrestagung begründet, die bis heute fortdauert. 


Friedrich-Wilhelm Haack wird Vorsitzender

Am 29./30. Januar 1977 fand die nächste Jahrestagung in Würzburg statt. Für fast 20 Jahre (bis 1994) blieb Würzburg Tagungsort für die Veranstaltungen der EI. Neben einem Erfahrungsaustausch zwischen Betroffenen standen Neuwahlen des Vorstandes auf der Tagesordnung. Neuer Vorsitzender wurde Friedrich-Wilhelm Haack, nachdem Ritter von Poschinger nicht wieder kandidierte. Erfreulicherweise hatte sich seine Tochter nicht der Vereinigungskirche angeschlossen, nachdem sie noch minderjährig war und er als betroffener Vater der Organisation einen weiteren Kontakt untersagen konnte.[7] Er blieb der Elterninitiative jedoch bis zu seinem Tod 2010 weiterhin eng verbunden.

Aufklärungs- und Informationsarbeit stand im Mittelpunkt der laufenden Arbeit. So missbrauchten vor allem die Vereinigungskirche und Scientology „freundliche“ Briefe von Behörden und Amtsträgern als angeblichen Beweis für eine Zusammenarbeit. Dem Ganzen setzte jedoch die Mun-Bewegung die Krone auf, als sie über ihre Tarnorganisation CARP[8] versuchte, massiv in den Bundestagswahlkampf 1976 einzugreifen. Sie rief – unter Nutzung deren Slogans ohne deren Wissen und Billigung – zur Wahl von CDU/CSU auf, was beide Parteien der Organisation jedoch umgehend gerichtlich untersagen ließen. 

Ein anderes Thema prägte noch die Diskussion. In Amerika griffen betroffene Eltern zu einer rabiaten Methode, ihre Kinder aus dem Bann der neuen Jugendreligionen zu lösen, dem sogenannten „Deprogramming". Dies bedeutete, dass Moonies direkt von der Straße entführt, an einen unbekannten Ort gebracht und festgehalten wurden. Dort erfolgten dann intensive Gespräche mit einem „Deprogrammer“. Die Elterninitiative lehnte diese Methode von Anfang an entschieden ab, da sie auf Freiheitsentzug basiert und auf die Betroffenen seelischer oder gar äußerlicher Druck ausgeübt wird. Diese Prozedur kommt einer brutalen Umerziehung gleich und gefährdet die Betroffenen.[9] Diese Position wurde seitens der EI mehrmals deutlich bekräftigt und auch andere Eltern- und Betroffenen-Initiativen schlossen sich dieser ablehnenden Haltung an.[10]


Standortbestimmung - Die Politik greift das Thema auf - Der Schock von Jonestown

Eine grundlegende Analyse der Situation stand im Mittelpunkt der Jahrestagung 1978. Friedrich-Wilhelm Haack ging in diesem Zusammenhang auf Sinn und Aufgabenstellung der Elterninitiative ein. Er machte deutlich, dass sie „kein Kampfverein 'gegen' sondern ein Hilfsverein 'für' junge Menschen und unsere Gesellschaft“ ist. Es ging nicht um spektakuläre Gegenaktionen gegen irgendwelche religiösen Gruppen, sondern um einen „tatkräftigen Einsatz für die wirkliche religiöse Freiheit“. Er benannte klare Kritikpunkte, wo derartige Gruppen die Mitglieder in ihrer Selbstbestimmung einschränken oder sie ihnen vollständig nehmen würden, wie die vorgegebene Partnerwahl bei Mun, Flirty-Fishing bei Mose Berg oder die Selbstverbrennung von Anhängern der Ananda Marga, die die Öffentlichkeit massiv aufgeschreckt hatte. Die Aufklärungsarbeit habe erste Früchte gezeigt und es sei gelungen, Medien, Öffentlichkeit und Entscheidungsträger für das Thema zu sensibilisieren. Es gebe eine rege Nachfrage nach den Beratungsangeboten der EI. Und der „gegenseitige Beistand“ von denen, die selbst die Probleme durchlebt bzw. durchgestanden hätten als Ansprechpartner und Begleiter für jene, bei denen das Problem akut geworden ist, werde von vielen als hilfreich empfunden und Kernstück des Selbstverständnisses Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Zu diesem Zweck wurden regionale Gesprächskreise und Initiativen angeregt, wo sich Betroffene auch außerhalb der Jahrestagungen regelmäßig austauschen können. Als weitere Unterstützung wurde von Friedrich-Wilhelm Haack eine Broschüre „Ratschläge Was können Betroffene und Verantwortliche tun?“ erarbeitet und den Mitgliedern der EI und anderen Betroffenen zur Verfügung gestellt. 

Ein Ereignis Ende 1978 schockierte die Welt und rüttelte auf. Es machte deutlich, wozu Menschen und totalitäre religiöse Führer bereit sind: der Massen(selbst)mord von Jonestown. Dabei kamen über 900 Anhänger der Gruppe im Dschungel von Guyana ums Leben, darunter auch 276 Kinder.[11] In Folge der Berichte über die Vorgänge in Südamerika gerieten auch die hier aktiven Gruppen in den Fokus der Aufmerksamkeit und es wurde die Frage gestellt, inwieweit vergleichbare Ergebnisse auch hier möglich sein könnten. Die mediale Aufmerksamkeit und Berichterstattung über die in der Bundesrepublik aktiven Gruppen nahm deutlich zu. Nicht nur Tageszeitungen, sondern auch renommierte Wochenzeitungen wie „Der Spiegel“, „Die Zeit“, „Der Rheinische Merkur“ oder der „Bayernkurier“ setzten sich mit dem Thema intensiv auseinander. Dabei kamen auch immer wieder Vertreter der EI zu Wort und konnten aus ihren Erfahrungen berichten.[12]

Auch auf politischer Ebene wurde das Thema aufgegriffen. So veranstaltete die Junge Union Bayern unter Federführung des damaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und späteren Justizministers Alfred Sauter 1979 als erste politische Jugendorganisation eine Landeskonferenz zum Thema „Jugendreligionen – Lebenshilfe oder Geschäftemacherei?“[13] Der Beitrag des EI-Vorsitzenden Friedrich-Wilhelm Haack hat in Anbetracht der Entwicklung in den letzten 40 Jahren und vor den aktuellen Entwicklungen vor allem im Nahen Osten schon etwas „Prophetisches“. 
„Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, was unter dem Begriff Religion alles geschehen kann. Wir assoziieren Religion immer noch mit 'gut', 'freundlich', 'hilfreich', 'für den Nächsten arbeitend'...Aber unter dem Deckmantel von Religion kann viel geschehen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts werden wir lernen müssen, dass es keine einwertigen Begriffe mehr gibt. Religion das kann beides sein: gut und böse, himmlisch und teuflisch, aufbauend und zerstörerisch.“[14]

 

Wolfgang Burnhauser, Mitglied des Bayerischen Senats und Gründungsmitglied der Elterninitiative setzte sich bei der Tagung intensiv mit den juristischen Problemen, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer derartigen Gruppierung ergeben können, auseinander.[15] Er lehnte es ab, die Auseinandersetzung nur den beiden Kirchen zu überlassen, sondern plädierte für einen Maßnahmenkatalog mit vier wesentlichen Punkten:

  1. Schaffung zentral verantwortlicher Stellen bei den zuständigen Ministerien auf Bundes- und Landesebene.
  2. Auswertung bereits vorhandener und Erfassung neuer Informationen als Material für zuständige Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden.
  3. Vorbereitung ggf. notwendiger gesetzlicher Maßnahmen z.B. im Bereich des Strafrechts (z.B. unerlaubte Ausübung der Heilkunde).
  4. Eine gesetzliche Regelung zur Ausgestaltung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit gem. Art 4 GG und Art. 3 der Bayerischen Verfassung (Stichwort: Legaldefinition).

 

Neuer Missionsstil der Gruppen 

In seinem Weihnachtsrundbrief 1979 wies der EI-Vorsitzende Friedrich-Wilhelm Haack auf einen gewandelten Missionsstil der Gruppen hin. Junge Menschen würden kaum noch auf der Straße angesprochen. Neue Werbemethoden müssten herhalten. Ärzte, Therapeuten oder gar Lehrer dienten als Werber. Die wirklichen Gefahren für unsere Gesellschaft gingen von Organisationen aus, „die sich als Religion oder Therapie tarnen. Solche Gruppen nehmen alle Vorrechte in Anspruch, die sich in unsrer Gesellschaft mit den genannten Begriffen verbinden. Und sie unterwerfen sich keineswegs den damit verbunden Verpflichtungen. Doch es geht nicht darum, die Anhänger zu bekämpfen, denn dort „finden sich ja keine böswilligen Menschen zusammen (…). Ihre Anhänger sind Glaubende (...). Sie wollen etwas Positives“. Problematisch seien die dahintersteckenden Ideologien und der Machtanspruch der Gruppenführer. Deshalb sei die Auseinandersetzung mit den Inhalten so wichtig. Doch dies erfordere einen klaren Standpunkt. „Wer keinen Standpunkt hat, wird leicht den Boden unter den Füßen verlieren.“[16] 

 

Regionale Gesprächskreise als dezentrale Anlaufpunkte

Am 19./20. Januar 1980 fand die nächste Jahrestagung in Würzburg statt. Es wurden nach intensiver Vorarbeit die 1978 initiierten regionalen Gesprächskreise installiert. In Altbayern und Schwaben, im Bergischen Land, Berlin, im Breisgau, Fildern, Franken, im Münsterland, im Rhein-Main- und im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen-Lippe entstanden die ersten Kreise. Weitere folgten in Landshut und Herford. Teilweise entwickelten sich aus den Gesprächskreisen  eigenständige Initiativen, die noch heute fortbestehen (z.B. Leverkusen, Herford und Berlin). 
Ein weiteres Schwerpunktthema war die Frage, wie man Aussteigern aus den Gruppen wirksam helfen könne. Problematisch sei dies vor allem, wenn Betroffene den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz aufgäben und die sozialen Kontakte abbrächen. 

In diesem Jahr durfte die Elterninitiative auch die Prozessfreudigkeit der Mun-Bewegung kennen lernen. In zehn Punkten hatte die VK gegen die EI und Friedrich-Wilhelm Haack als ersten Vorsitzenden geklagt Der Prozess konnte jedoch gewonnen werden, wie spätere Prozesse ebenfalls.

Die Vorstandswahlen bestätigten den amtierenden Vorstand in seinem Amt. 

 

Sachstandsberichte der Bundesregierung und mehrerer Landesregierungen 

Der Bericht der Bundes- und zahlreicher Landesregierungen zum Thema Jugendreligionen war einer der Schwerpunkte der Jahrestagung 1981 (27. und 28. Juni 1981). Zwischenzeitlich beschäftigten sich staatliche Stellen intensiv mit der Problematik. So erschien 1979 ein Bericht der Bundesregierung.[17] Er setzte sich mit folgenden Gruppen auseinander: 

  • Vereinigungskirche

  • Kinder Gottes

  • Krishna

  • Divine-Light-Mission

  • Scientology

  • Transzendentale Meditation

  • Bhagwan Shree Rajneesh

  • Ananda Marga 

„Die Bundesregierung beobachtet, dass zahlreiche junge Menschen aus zum Teil sehr verschiedenen Gründen der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ausweichen und die Teilnahme am gesellschaftlichen Prozess verweigern. Die Bundesregierung sieht die Hinwendung zu Jugendreligionen als eine Form dieser Realitätsflucht an“, hieß es in dem Bericht. 

Trotz Unterschieden bei den einzelnen Gruppierungen gebe es „gemeinsame Grundzüge in der Anziehungskraft der Jugendreligionen und in den möglichen Auswirkungen einer Mitgliedschaft auf Jugendliche und junge Erwachsene.“[18] Der Bericht beschreibt eine Auflösung der bisherigen Identität der Anhänger durch:

  • „…Isolation von der bisherigen Umgebung 

  • Mangelerlebnisse wie Fasten und Schlafentzug 

  • negative Besetzung der alten Umgebung, Familie, Arbeit und persönlicher Gewohnheiten bis zur Dämonisierung…“


Klar und differenziert sind auch die Aussagen zum Thema Freiwilligkeit: 
„ ... So ist zum Problem der Freiwilligkeit festzustellen: Die ersten Schritte werden wohl freiwillig getan, die radikalen Anforderungen begeistert angenommen. Allerdings versetzen die massiven psychischen Mechanismen den einzelnen oft in eine solche Verfassung, dass eine bewusste Entscheidung, die alle möglichen Konsequenzen bedenkt und verantwortet, sicher nicht getroffen werden kann (…) Es besteht aber aufgrund zahlreicher Berichte aus dem In- und Ausland der begründete Verdacht, dass die Mitglieder in vielen Fällen einem planmäßigen Indoktrinationsprozeß unterworfen werden, der zu tiefgreifenden gesundheitlichen Schäden führen kann.“[19]


Als konkrete Maßnahmen wurden folgende Punkte angekündigt und umgesetzt:

  • „...Jugend-, Familien- und Erziehungsberatungsstellen und die Träger der Jugend- und Erwachsenenbildung sollen über die einzelnen Jugendreligionen und die Auswirkungen der Zugehörigkeit auf die Mitglieder informiert werden ...

  • Die „Aktion für geistige und psychische Freiheit – Bundesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen –" wird ab 1980 durch finanzielle Hilfe des Bundes die Möglichkeit bekommen, ihre Arbeit zu intensivieren.

  • Darüber hinaus sollten Rehabilitationsmaßnahmen für ehemalige Mitglieder gefördert werden. Auf Initiative des Bundes wird inzwischen das bisher einzige in der Bundesrepublik bestehende Rehabilitations- und Beratungsmodell für ehemalige Angehörige von Jugendreligionen in Altenberg bei Köln (Träger: Bund der Deutschen Katholischen Jugend) aus Mitteln der Stiftung Deutsche Jugendmarke gefördert. Die Laufzeit des mit rd. 300.000,- DM bezuschussten Modells beträgt drei Jahre ...“[20]

Auch zahlreiche Landesregierungen hatten sich zum damaligen Zeitpunkt mit dem Phänomen auseinandergesetzt. So z.B. Rheinland-Pfalz 1979[21], Bayern 1979/80, Nordrhein-Westfalen 1979. Weitere folgten, so z.B. Berlin und Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein. 

Eine Bitte des Vorsitzenden von damals mag einem heute geradezu anachronistisch erscheinen: „Ich habe auch eine persönliche Bitte. Mehrfach bin ich gefragt worden, ob ich an Materialien (Schriften, Bildern, Büchern etc.) interessiert bin. Ich bin es und würde mich freuen, wenn Sie in dieser Hinsicht an mich und mein Archiv denken würden.“ Damals waren die Jahrestagungen nicht nur Plattform für den persönlichen Erfahrungsaustausch, sondern auch Materialbörse. Informationen wurden nicht „gegoogelt“, sondern eine Kopie oder gar Originalmaterial waren wertvolle Unterlagen für die tägliche Arbeit der Betroffenen und der im Vorstand der EI engagierten Mitglieder. 

Aufgrund der Erfahrungen mit der Prozessfreude von Gruppen wie der Vereinigungskirche wurde ein „Justizhilfefonds“ geschaffen, der bei Bedarf Mitgliedern bei juristischen Auseinandersetzungen zur Seite stehen konnte, um ein Prozesskostenrisiko ggf. abzumildern.

Wissenschaft schützt vor Torheit nicht - Professoren lassen sich „vor den Karren spannen“

Nur den Kopf schütteln konnte man in diesem Jahr über einige Professoren, die sich vor den Karren des selbsternannten Messias Mun spannen und zu Tagungen einladen ließen, bei der die Mun-Bewegung alle Kosten übernahm und dies wohl wissend, wer hinter der einladenden Organisation „Professors World Peace Academy“ (PWPA) steckte. Auf die Frage an einen der Wissenschaftler, ob er sich von jedem einladen ließe, erfolgte die lapidare Antwort „Ja“.[22]   

 

Jugendreligionen haben sich weiter etabliert - Informationsanfragen nehmen weiter zu

Vergleicht man die heutige Lage der Jungendreligionen mit der ihres Missionsbeginns, so wird man ohne weiteres zugestehen müssen, dass diese Bewegungen sich etabliert haben, dass sie einen Marktanteil gewonnen haben.“ So das Fazit eines Berichts des Vorsitzenden F.W. Haack anlässlich der Jahrestagung 1982 der Münchner Elterninitiative, die vom 18. bis 20. Juni 1982 traditionell wieder in Würzburg stattfand. Manfred Ach, Schulleiter und Vorstandmitglied der Elterninitiative, setzte sich mit den Gefahren und den daraus resultierenden pädagogischen Konsequenzen auseinander. Dabei ging es 

  • „…um die Strategie der Verfügbarmachung von Menschen, 

  • …um jene Wirkungen und Techniken, die Jugendliche in Unmündigkeit und Abhängigkeit führen, 

  • ...um die sozialpsychologisch und gesellschaftspolitisch relevanten Folgeerscheinungen dieser Abhängigkeit, 

  • ... schließlich, will man prophylaktische Maßnahmen entwickeln oder gar tiefgreifende Therapie betreiben, um die Motive, die zu einem Beitritt bewegen,

  • …um die etwaigen gesamtgesellschaftlichen Hintergründe solcher Motivation...“

Folgende Fragen stellten sich bei der Auseinandersetzung mit Auslösern und Methoden:

„Wie kommt es nun zu der geradezu exzessiven Hingabe an die Gruppe und ihren Meister? Wie kommt es zu dem suchtähnlichen Abhängigkeitsverhältnis, das nachhaltig – gelegentlich irreparabel – schädigen kann?“

Stichworte waren Zukunfts- Geborgenheits- und Sinnverlust als Ursache. „Seelenwäsche“ und „Psychomutation“ als Erklärungsmodell für die Wirkungsmechanismen, warum sich gerade junge Menschen derartigen Gruppen anschlossen. Den oftmals in dieser Zeit verwendeten Begriff der Gehirnwäsche, der in Amerika häufig als Erklärungsmuster verwendet wurde, hat die Elterninitiative von Beginn an stets abgelehnt, da er das Problem nicht korrekt beschrieb und den Freiwilligkeitsaspekt außer Acht ließ. „Im Gegensatz zur willensbrechenden Gehirnwäsche setzt die Seelenwäsche bei dem Willen der zu 'behandelnden' Person an und immunisiert sie langsam und zielstrebig gegen jeden Gegeneinfluss (Kritik)“[23]

Die Informationsanfragen, insbesondere von Schülern und Lehrern, nahmen immer mehr zu. Um den Interessenten entsprechendes Material anbieten zu können, wurde das Heft „die neuen Jugendreligionen“ aus der „Münchner Reihe“ aus Mitteln der EI neu aufgelegt und kostenlos oder gegen eine Spende abgegeben. Auch dies mag heute schwer vorstellbar sein, aber zum damaligen Zeitpunkt gab es noch relativ wenig Literatur, die sich kompakt mit einzelnen Gruppen, Ursachen, Wirkungsmechanismen und deren Folgen auseinandersetzte. 

In zwei Resolutionen setzten sich die Teilnehmer kritisch mit der geplanten Massenhochzeit bei der Vereinigungskirche und der sogenannten „Wiener Studie“ auseinander. Zahlreiche Mitglieder waren von dieser Massentrauung betroffen, da auch ihre Kinder mit Partnern verheiratet werden sollten, die sich nicht selbst ausgesucht hatten, sondern ihnen vom selbsternannten Messias Mun „zudiktiert“ wurden.

Die sogenannte „Wiener Studie“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums verharmloste das Problem und war insbesondere durch eine einseitig ausgerichtete ideologische Tendenz und große methodische Schwächen angreifbar. „Viel Geld für wenig Wissenschaft“, beschrieb Christoph Minhoff zutreffend im „Bayernkurier“ das Ergebnis der „Untersuchung“, die den Steuerzahler 300.000 DM kostete.[24]

Bei den anstehenden Vorstandneuwahlen wurde Manfred Ach neuer Vorsitzender der Elterninitiative. Stellvertreter wurde der Landwirt Canisius Reichhold, ein von der Vereinigungskirche betroffener Vater. Er war bis zu seinem Tod im Jahr 2012 als zweiter Vorsitzender und später als Ehrenvorsitzender ein engagierter Mitstreiter, der die Vorstandsarbeit mit seinem gesunden Menschenverstand und seiner Lebenserfahrung auch dann noch bereicherte, als sich seine Tochter bereits aus der Gruppe gelöst hatte. Er sah das Thema jedoch stets als gesamtgesellschaftliches Problem unabhängig von persönlicher Betroffenheit.  Vielen ist darüber hinaus sein „süßes Hobby“ als Imker in Erinnerung geblieben, wenn er am Ende der Tagung seinen Karton mit den Honiggläsern hervorholte, der bei den Teilnehmern nicht auf minder großes Interesse stieß, wie Vorträge und Materialien bei der Tagung.

 

Schon frühzeitig ein klares „Nein“ zu Deprogramming aller Art 

Die Jahrestagung 1983 beschäftigte sich intensiv mit den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene. Mittlerweile gab es im ganzen Bundesgebiet zahlreiche Initiativen. Ebenso in Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Israel, Japan, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Spanien und den USA.[25]  Auf europäischer Ebene schlossen sie sich zu „Internationale Vereinigung der Elterninitiativen“ zusammen. Die Münchner EI wurde im Vorstand durch Friedrich-Wilhelm Haack vertreten. Ihre Fortsetzung hat diese Arbeit heute in der FECRIS (Fédération Européenne des Centres de Recherche et d'Information sur le Sectarisme) gefunden, der aktuell 53 Initiativen aus Europa angehören.

Im Vorfeld der Tagung hatte der Vorstand der EI im Oktober 1982 nochmals aufgrund mehrerer Anfragen bezüglich Angeboten „professioneller“ Deprogrammer vor allem aus den USA sowie Presseberichten eine klare Position zum Thema „Deprogramming“ bezogen. In der „Münchner Erklärung“ wird Deprogramming klar abgelehnt und davor gewarnt, betroffene Mitglieder „einer solchen Prozedur zu unterziehen (...) Der Vorstand warnt, Kinder durch eine Prozedur zu gefährden, die einer Gehirnwäsche gleichkommt.[26] Dieser Erklärung schlossen sich unmittelbar die Berliner „Elterninitiative gegen psychische Abhängigkeit und religiösen Extremismus Berlin e.V." und alle anderen Elterninitiativen an. 

In einem Appell wandten sich die Teilnehmer gegen den Missbrauch der Religionsfreiheit durch extreme religiöse Gruppen. Die garantierten Freiheiten fänden dort ihre Grenzen, wo die „leibliche und seelisch-geistige Unversehrtheit“ anderer gefährdet sei. Es mehrten sich die Fälle, in denen durch falsche Versprechungen und Täuschung Menschen in Krisensituationen finanziell ausgebeutet und in ihrer materiellen Existenz gefährdet würden. Bereits damals forderte die EI die „sozialen Auswirkungen“ der Lehrinhalte „genau zu prüfen“. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Gruppen, die Mitglieder so lange festhalten würden, als sie finanziellen Nutzen erbrächten und dann fallen gelassen würden. Wie dies im Konkreten aussieht, machte eine Bemerkung in der Zeitung „Neue Hoffnung“ aus dem Umfeld der Vereinigungskirche deutlich: „Fast alle Mitglieder sind verheiratet und sehr viele Paare erwarten Nachwuchs. Das stellt die Mitglieder natürlich vor Situationen und Probleme, die sie bis dahin nicht gekannt hatten (...) und wer seine Zeit sowie seine Arbeitskraft bisher ehrenamtlich für Missionszwecke zur Verfügung gestellt hatte, kann nicht erwarten, dass der Lebensunterhalt für seine Familie weiter von der Kirche getragen wird. Er muss sich seine Brötchen selber verdienen.“[27]

Politisch Verantwortliche greifen die Anliegen der EI auf 

Dass die Forderungen der Elterninitiative nicht auf taube Ohren stießen, machten Beschlüsse beispielsweise des CSU-Parteitags deutlich, der auf Initiative der Jungen Union einen umfangreichen Forderungskatalog beschloss, in dem folgende Maßnahmen gefordert wurden: 

  • Eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit für „von der Allgemeinheit für schädlich gehaltene Gruppen“ zu verhindern, 

  • gesetzliche Regelungen bezüglich „Art, Umfang und Ausgestaltung der Betätigung von Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Vereinigungen“ vorzubereiten, in denen eine Legaldefinition der Bekenntnisfreiheit gegeben würden,

  • eine stärkere Unterstützung für Initiativen und Selbsthilfegruppen und

  • eine verstärkte Auseinandersetzung und Aufklärung über das Problem im Religionsunterricht, Jugendverbänden, Landesbildstellen und Landeszentralen für politische Bildungsarbeit, regelmäßige Berichte der Bundesregierung und der Landesregierungen. Die verstärkte Bedeutung der Medien für Information und Aufklärung wurde hervorgehoben.

Die Maßnahmen seien jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn die Ursachen erkannt würden, die junge Menschen in derartige Gruppen hineintrieben. Familien, ihre Erziehungskraft und Erziehungsfähigkeit müssten wieder stärker gefördert, die Eigeninitiative junger Menschen gestärkt und wieder entsprechende Werte vermittelt werden.     

Friedrich-Wilhelm Haack machte deutlich, dass aber nicht nur der Staat, sondern auch die Kirchen selbst gefordert seien und sich nicht „von dem ganzen Problemkreis durch Wegschauen befreien“ könnten.[28]

 

Resozialisierung aber wie?

Bei der Jahrestagung vom 1. bis 3. Juni 1984 mit dem Würzburger 3. Bürgermeister Erich Felgenhauer und dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagfraktion, Dr. Wolfgang Bötsch, MdB, konnte die EI auch Vertreter des öffentlichen Lebens begrüßen, die durch ihr Kommen und in ihren Beiträgen ihre Unterstützung für die Arbeit der EI deutlich machten. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die aktuelle Situation und Fragen der Resozialisierungsarbeit für und mit ehemaligen Gruppenmitgliedern. 

 

Kongress mit Familienminister Geißler trifft auf großes Interesse

Auf große Resonanz stieß eine gemeinsame Tagung der Elterninitiative und der Jungen Union Bayern „Neue Jugendreligionen – Die Freiheit des Einzelnen schützen“ am 8. Dezember 1984 in Ingolstadt mit über 300 Teilnehmern. Hauptredner war der damalige Bundesfamilienminister Heiner Geißler. Sein Auftritt beschäftigte Jahre später noch die obersten Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht, da die Bhagwan-Bewegung wegen der Teilnahme des Ministers geklagt hatte.[29] Ein breites Spektrum von Referenten beleuchtete verschiedene Aspekte des Themas, darunter der Präsident des Bayerischen Jugendrings Robert Sauter („Ursachen und Hintergründe“), Prof. Ursula Männle, MdB („Eine neue Form des Jugendprotests?“), P. Anselm Reichhold („Welche Antwort hat die Kirche?“), Senator Wolfgang Burnhauser („Juristische Probleme der Zugehörigkeit“), Wolfgang Götzer, MdB („Die Antwort der Politik auf eine Herausforderung“), Barthl Kalb, MdL („Initiativen in Bayern“), Dipl. Theologe Hans Liebl („Eine gemeinsame Aufgabe für Kirche und Staat“), Pfr. Dr. Gerhard Münderlein („Aspekte aus der Sicht kirchlicher Jugendarbeit“), Pfr. Friedrich-Wilhelm Haack („Ursachen und Hintergründe – Folgen und Nachfolgen – Anmerkungen zu einem Dauerproblem“), Markus Sackmann („Kampf den Verführern“), Alfred Sauter, MdB („Religionsfreiheit ja – Narrenfreiheit nein“).[30]

Doch die Politik beließ es nicht nur bei schönen Worten und Ankündigungen. Aus Mitteln der Stiftung „Deutsche Jugendbriefmarke“ wurde ein Modellprojekt der Elterninitiative „Hilfe zur Selbsthilfe“ gefördert, dessen Ziel es war, entsprechende Materialien für Verbände und die allgemeine Aufklärungsarbeit zur Verfügung zu stellen. Die zahlreichen Anfragen der letzten Jahre bezogen sich nicht mehr nur auf die eingangs genannten fünf bis sechs Gruppen, sondern betrafen ein immer breiteres Spektrum von Organisationen und Angeboten, wenngleich schon zu Gründungszeiten der Elterninitiative die Bundeszentrale des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) von über 300 Gruppen gesprochen hatte. Was damals als gigantische Zahl erschien, bewahrheitete sich im Laufe der Zeit. Die religiös-weltanschauliche Szene war immer breiter und unübersichtlicher geworden. Hier wollte das Projekt Information und Hilfestellung anbieten. Die Materialien bestanden aus drei Teilen

  • „Jugendreligionen, Gurubewegungen, Psychokulte und ihre Tarn- und Unterorganisationen: Hinweise zu Begriffen und Gruppen“, 

  • „die neuen Jugendreligionen“ – Psychomutation – Erzwungene Persönlichkeitsverwandlung als Lichtbildinformation,

  • Findungshilfe Religion 2000 – Apologetisches Lexikon: Auf 286 Seiten wurden bekannte Gruppen und Organisationen aufgeführt und kurz beschrieben.

Jugendreligionen als Thema für Europa

Auf Landesebene erschienen weitere Berichte in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Auch das Europaparlament beschäftigte sich mit dem Thema und verabschiedete am 22. Mai 1984 eine „Entschließung zu einem gemeinsamen Vorgehen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf verschiedene Rechtsverletzungen neuerer Organisationen, die im Schutze der Religionsfreiheit arbeiten“ (Cottrell-Bericht)[31]. Die beiden großen Fraktionen arbeiteten hier Hand in Hand. So der englische konservativen Abgeordnete Richard Cottrell, die deutschen Abgeordneten Reinhold Bocklet (CSU) und Elmar Brok von der CDU und Olaf Schwenke von der SPD. Sie setzten sich parteiübergreifend für den Bericht und Entschließungsantrag ein, während die liberale Fraktion Bericht und Debatte von der Tagesordnung absetzen lassen wollte.

Das erste Jahrzehnt geht zu Ende - Engagierte Diskussionen mit Kommunal, Landes-, Bundes- und Europapolitikern

1985 konnte die Elterninitiative bei ihrer Jahrestagung (14. bis 17. Juni 1985) auf die ersten zehn Jahre ihres Bestehens zurückblicken. Hochkarätige Referenten waren nach Würzburg gekommen, beleuchteten verschiedene Aspekte des Problems und standen den Teilnehmern Rede und Antwort. Gemeinsame Veranstalter der Tagung waren die Elterninitiative und die „Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise“ (ADK), die sich seit 1954 in der staatspolitischen Erwachsenenbildung engagiert. Diese 1985 gestartete Zusammenarbeit wurde die letzten 40 Jahre erfolgreich fortgesetzt.

Zu Beginn wurden die Teilnehmer namens der Stadt Würzburg durch Bürgermeister Erich Felgenhauer begrüßt. Dr. Wolfgang Bötsch MdB, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion, machte in seinem Beitrag „Eine grundlegende Jugendpolitik als Hilfestellung“ deutlich, dass es über den Bereich Warnung und Aufklärung hinaus vor allem darum gehe, den Ursachen entgegenzutreten, nämlich Sinn-, Geborgenheits- und Zukunftsverlust gerade bei jungen Menschen. Die Beratungen des Bundestages und die Ergebnisse der Enquete-Kommission machten deutlich, dass dies ein berechtigtes Anliegen war. Knapp eineinhalb Jahre vorher hatte die Enquete-Kommission „Jugendprotest im Demokratischen Staat“ (1981-1983) ihren Abschlussbericht vorgelegt und dabei festgestellt „… dass Jugendliche angesichts wachsender Arbeitslosigkeit Angst vor der Zukunft haben, fehlende Geborgenheit in der anonymen Industriegesellschaft verspüren, und ‚die soziale Wirklichkeit anders als die Mehrheit der Erwachsenen’ erleben und bewerten.“[32]. So waren Jugendarbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre ein großes Problem für junge Menschen. Die Enquete machte auch deutlich, dass einer intakten Familie entscheidende Bedeutung zukomme, um ein Abgleiten in solche Gruppierungen zu verhindern.

Als Vertreter der Bayerischen Staatsregierung betonte Sozialstaatssekretär Dr. Gebhard Glück MdL, dass das Grundrecht auf freie Religionsausübung kein Freibrief für Missbrauch  dieses Grundrechts durch derartige Gruppen sei. Sie predigten auf der einen Seite Glück, Heil und Rettung für den Einzelnen und die Welt, verstießen aber vielfach gegen die grundgesetzlich geschützte Menschenwürde ihrer Anhänger. Dies sei durch die Rechtsordnung nicht gedeckt. Über dem Recht auf Religionsfreiheit stehe das Grundrecht auf Menschenwürde, das vor jeder Form physischer und psychischer Beeinflussung schütze. Insbesondere dann, wenn versucht werde, die Persönlichkeit des einzelnen Menschen sowie seine Eigenverantwortung und freie Selbstbestimmung herabzusetzen oder gar zu zerstören.[33] Gebhard Glück kündigte die Schaffung einer zentralen Stelle an, die Entwicklungstendenzen feststellen und Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln soll. Es blieb nicht bei der bloßen Ankündigung. Die Stelle gibt es noch heute im Bayerischen Landesjugendamt, das entsprechendes Informationsmaterial zur Verfügung stellt[34]. Hinzu kam später noch die Scientology-Krisenberatungsstelle beim Bayerischen Landesjugendamt[35].

Die „Initiativen auf Europäischer Ebene“ stellte Reinhold Bocklet MdEP vor, der federführend am sogenannten Cottrell-Bericht mitgearbeitet hatte. Er wies darauf hin, dass es sich um ein multinationales Problem handle, dass von den nationalen Regierungen allein nicht zu lösen sei, sondern ein konzertiertes Handeln auf europäischer Ebene erforderlich mache. Leider sperrten sich sowohl nationale Regierungen als auch die EU-Kommission. 

Auf zwei neue Phänomene machte Dr. Wolfgang Götzer MdB, jugendpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, aufmerksam. Zum einen das Problem der Kinder, die zwischenzeitlich in die Gruppen hineingeboren worden seien und sich nicht selbst entscheiden konnten, in welcher Umgebung sie aufwüchsen. Kinder seien hilflose Opfer, da die Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht hätten und ihre Kinder damit keine Chance hätten, einer Erziehung im Geiste der Gruppenideologie zu entkommen.  Zum anderen habe sich das Erscheinungsbild der Gruppen nach außen hin gewandelt. Werbemethoden und öffentliches Auftreten seien verfeinert und undurchsichtiger geworden. Über Tarnorganisationen verschleiere man den eigentlichen Gruppenhintergrund. 

Der Vorsitzende der EI, Manfred Ach, setzte sich im Rahmen seines Vortrages zum Thema „Von der sanften Verschwörung zur nackten Gewalt – Erziehungssituation, jugendliche Subkultur und der Zugriff der Kulte“ mit den folgenden Themenbereichen auseinander.[36]

  • Unmut zur Erziehung,

  • Trends jugendlicher Subkulturen (Schwierigkeiten mit dem Vater Staat, Zwischen den Fronten – Alternative Ausgänge, Heim in den Schoß der Mutter, Kulte des Irrationalen als Begegnungs-gemeinschaften) und 

  • Der Zugriff der Kulte, vor allem die Schule als Missionsfeld. 


Friedrich-Wilhelm Haack unternahm den „Versuch einer Standortbestimmung und eines Ausblicks“. Dabei zeigte er auf, dass Elterninitiativen für die Gesamtgesellschaft „einen von dieser akzeptierbaren Dienst leisten“ müssten. Als Aufgaben sah er die „Hilfe zur Selbsthilfe“, Möglichkeiten des Austauschs unter Betroffenen und weiterführend das Aufgreifen von Themen und Problemen über die eigene persönliche Betroffenheit hinaus. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe bedeute, dass die Auseinandersetzung mit „religiösen Extremismus“ nicht auf jene Gruppen beschränkt werden dürfe, von denen die einzelnen Mitglieder betroffen seien. Auch aus diesem Grund arbeiteten von Anfang an in der EI Personen mit, die selbst gar nicht von einer Mitgliedschaft berührt seien, sondern in dem Thema eine gesamtgesellschaftliche Problematik sähen und etwas unternehmen möchten. 

Die Mitarbeit in der Elterninitiative sei „Dienst für die Gesellschaft“, der vorrangig oder zumindest gleichrangig neben dem Ziel, betroffenen Familien so gut wie möglich Hilfe zu geben, stehen würde.

So wurde im Rahmen dieser Tagung und damit schon frühzeitig von der EI und Haack auf das Thema „religiöser Rechtsextremismus“ hingewiesen. „Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt (...) sei in der Bundesrepublik auch ein 'regelrechter rechtsreligiöser Untergrund' entstanden. Der harte Kern Deutsch-Völkischer und Neugermanisch-Religiöser (...) werde inzwischen auf 10.000 Anhänger geschätzt. (…) Die Aktivität rechtsreligiöser Kreise weise darauf hin, dass ein religiös begründeter Rassismus an Boden gewinne. (...) Manches, so Haack, was mit dem 8. Mai 1945 als erledigt galt, sei am 8. Mai 1985 längst wieder obenauf gewesen“, berichtete der epd-Landesdienst von der Jahrestagung.[37]

Seitens der politisch Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene wurde das Thema auch in den Folgejahren immer wieder aufgegriffen und zahlreiche Anfragen in den Bundestag bzw. Bayerischen Landtag eingebracht. Dabei fand die Elterninitiative mit ihren Anliegen bei den Verantwortlichen stets ein offenes Ohr. Es gab einen regelmäßigen Austausch auf Landesebene mit den damaligen jugendpolitischen Sprechern der CSU-Fraktion, dem späteren Wissenschaftsminister Dr. Thomas Goppel und seinen Nachfolgern, den Abgeordneten Karl Freller und Markus Sackmann, die ebenfalls in der Bayerischen Staatsregierung nachher verantwortlich Politik mitgestalteten. Auf Bundesebene waren es zunächst vor allem die Bundestagsabgeordneten Alfred Sauter und Dr. Wolfgang Götzer, die das Thema frühzeitig aufgriffen. Hinzu kam in den 1990er Jahren Helmut Jawurek, er gehörte der Bundestags-Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" an. Viele Fraktionen benannten auf Bundes- und Landesebene speziell für das Themengebiet Sprecher. Die Landesregierungen richteten ab Anfang der 90er Jahre entsprechende interministerielle Arbeitsgruppen ein.

Brunnenvergifter in Oregon

Wozu die Gruppen fähig seien können, zeigte sich in diesem Jahr bei der Bhagwan Bewegung. Die Situation in Rajneeshpuram (Antelope Oregon). Neben der Übernahme der Gemeindeverwaltung versuchten die Rajneeshes auch, den Landkreis Waco County zu übernehmen. „Um bei den Kommunalwahlen des Jahres 1984 die Macht zu übernehmen, sammelte man im ganzen Land Obdachlose ein, um mit dem Stimmenpotential den County zu gewinnen. (...) Der Plan scheitere an der Schwatzhaftigkeit eines hochrangigen Sanyasins.“[38]  Doch damit nicht genug: Bei einer Durchsuchung von Sheelas Privatquartier (Ma Anand Sheela war Bhagwans rechte Hand) wurden Abhöranlagen, geheime Fluchtpläne und Waffen entdeckt. Im Zuge der Ermittlungen „wurde bekannt, dass sie versucht hatte, die Wasserversorgung einer nahegelegten Kleinstadt mit Salmonellen zu verseuchen. Später wurde sie deswegen zu neun Jahren Gefängnis verurteilt“[39]. Sheela hatte deutlich gemacht: Wir sind bis zur Schädeldecke bewaffnet. Nicht umsonst sah sich nicht nur „Der Spiegel“ an die Vorgänge in Jonestown erinnert.[40]

 

Spitzelattacke der Scientologen - Die Stasi wäre stolz gewesen

Bei der Jahrestagung 1986 standen die Neuwahlen des Vorstandes auf der Tagesordnung. Friedrich-Wilhelm Haack übernahm wieder den Vorsitz von Manfred Ach, der jedoch weiterhin engagiert im Vorstand mitarbeitete. Zweiter Vorsitzender blieb Canisius Reichhold. Neben der inhaltlichen Arbeit bekamen die Teilnehmer einen besonderen „Einblick“ in die Arbeitsweise der Scientology-Organisation. Zwei Scientologen zogen vor dem Tagungslokal auf und begannen alle Teilnehmer (wohl gemerkt: einer Mitgliederversammlung, nicht einer öffentlichen Tagung) gegen ihren Willen zu fotografieren. Nachdem Bitten dies einzustellen, fruchtlos blieben, wurde mit Hilfe der örtlichen Polizeibehörden die Filme beschlagnahmt. Die Klagen der Scientology auf Herausgabe blieben bis hin zum OLG Bamberg erfolglos. Zum zweiten Termin vor dem Oberlandesgericht waren die Kläger und der Scientology-Anwalt schon gar nicht mehr erschienen.

Im gleichen Jahr erschien im Rahmen der Münchner Reihe das Buch „Psychokulte –Erfahrungsberichte Betroffener“. Es war das Ergebnis einer über fünfjährigen Arbeit von Dr. Roswita Sieper, die als Gesprächskreisleiterin der Elterninitiative für den Bereich München, Oberbayern und Schwaben engagiert mit Betroffenen zusammengearbeitet und ihnen eine Plattform zum persönlichen Austausch ihrer Erfahrungen geboten hatte. „Die Tatsache, dass angesichts der in unserem Land geltenden Religions- und Weltanschauungsfreiheit, abgesehen von Anteilnahme und einzelnen Ratschlägen wenig getan werden konnte, ließ den Wunsch entstehen, wenigstens den Menschen, die mit dem Problem nicht oder nur am Rande in Berührung gekommen sind, Einblick zu geben in die Gefahren des Anschlusses an einen Kult, indem man ihnen Erfahrungsberichte zur Kenntnis bringt“, beschrieb Frau Dr. Sieper die Motivation ihres Buches. 

 

Neue Religiosität und aktuelle Entwicklungen

Über den Tellerrand eigener Betroffenheit hinaus blickte die EI mit ihrer Fachtagung vom 16. bis 18. Oktober 1987 „EUROPAS NEUE RELIGIOSITÄT – Die Entwicklung der Jugendreligionen, Gurubewegungen, Psychokulte u.a. von 1970 bis heute“. Sie wurde gemeinsam von der Europäischen Akademie Bayern, der ADK und der Elterninitiative veranstaltet.[41]

Ziel der Tagung war es, die Entwicklung im Bereich neuer religiöser Gruppierungen aufzuzeigen, Gründe und Ursachen für die Hinwendung zu solchen Gruppen zu beleuchten und mögliche Folgen darzustellen. Bewusst wurden nicht einzelne Gruppierungen herausgegriffen, da dies der Tragweite des Problems nicht gerecht geworden wäre. Ziel war es auch nicht, fertige Lösungen aufzuzeigen, sondern gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten.

Die beiden Journalisten Christoph Minhoff und Holger Lösch stellten in ihrem Beitrag „Die Entwicklung neureligiöser Bewegungen – Entstehung, Verlauf, Untergang, Geschichte“ ein „Phasenmodell der Entwicklungsgeschichte neureligiöser Bewegungen dar. Insgesamt sahen sie sechs Phasen:

  • Die idealistische Phase

  • Die Organisationsphase

  • Die Missionsphase

  • Die Kommerzphase

  • Die Korruptionsphase

  • Die Individualisierungsphase und auf einer Stufe alternativ die Restaurations-/Reorganisationsphase

 

In einem zweiten Teil machten beide deutlich, dass es sich bei den Bewegungen keineswegs um ein neues Phänomen handle, sondern sich in der Geschichte durchaus „Vorgängermodelle“ finden lassen, wie beispielsweise „Father Divine – der schwarze Gott“, „Dr. Abrams Glaubensmaschine“ oder „Johanna Southcot – als Jesus wieder auf die Welt kommen sollte“.

Auf verschiedene rassereligiöse Gruppen, die Hitler den ideologischen Boden bereiteten, wiesen sie im dritten Teil ihres Referats hin.

Minhoff und Lösch legten 1988 über die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit eine beeindruckende Studie vor, die neben der Beschreibung einzelner Gruppierungen eine detaillierte und grundlegende Analyse der Rahmenbedingungen, Phasen der Gruppenentwicklung und der Mitgliedschaft, Wirkungsmechanismen und Auswirkungen zum Inhalt hatte. 

Prof. Dr. Kurt Weis, Inhaber des Soziologielehrstuhls an der Technischen Universität München, beleuchtete in seinem Beitrag „Menschen auf der Suche“ das „religiöse Menschenbild unserer Zeit als Produkt eines defizitären Gottesbildes“. 

Ralf-Dietmar Mucha, 1. Vorsitzender der Düsseldorfer „Aktion Psychokultgefahren“, stellte Überlegungen zum administrativen und praktischen Handeln von Behörden, Institutionen und Initiativen vor. „Jugendliche und junge Erwachsene im Markt der Sinnstiftungsangebote“ lautete der Titel seines Referates.

Die Frage: „Bilden neue spirituelle Bewegungen ein Problem für die physische und psychische Gesundheit sowie soziale Integrationsfähigkeit ihrer Anhänger“ stand im Fokus von Dr. Ulrich Müller von der Forschungsstelle für psychiatrische Soziologie der Rheinischen Landesklinik in Düsseldorf. Müller machte deutlich, dass eine intensive Durchdringung der Gesellschaft mit „Psycho-Waren“ bereits stattgefunden und Eingang in alle Gruppen der Bevölkerung gefunden habe. Lediglich Art und Preise würden von sozialer Gruppe zu sozialer Gruppe variieren. Das Mystische, Esoterische, Irrationale und Okkulte gehöre zwischenzeitlich zur Alltagskultur und breite sich aus. Es gebe eine gesellschaftliche Akzeptanz. Müller sprach in diesem Zusammenhang von „esoterischer Überflutung“. In insgesamt 20 Thesen beschrieb er neben der aktuellen Entwicklung die Auswirkungen auf die Gesellschaft und einzelne Anhänger.

Den Abschluss bildete ein „Round-Table-Gespräch“ zum Thema: „Ist die Neue Spiritualität-Herausforderung oder Modeerscheinung?“ Daran nahmen, neben dem Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Walter Eykmann, der Nervenarzt Werner Huth aus München, Ralf-Dietmar Mucha, Friedrich-Wilhelm Haack und Waltraud Westhoven, als Leiterin des Regionalkreises Mittelfranken der EI, teil. Das Gespräch leitete der Journalist Dr. Fritz Rumler aus München. 

Im März 1988 konnten Vertreter verschiedener Elterninitiativen ihre Anliegen bei einem Gespräch mit der damaligen Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth vortragen. Als Ergebnis des Gesprächs kündigte die Ministerin damals an, eine Anhörung im Bundestag durchzuführen, die jedoch gut vorbereitet werden müsste. Letztendlich mündeten derartige Überlegung in die Einsetzung einer Enquete-Kommission, die sich von 1996 bis 1998 intensiv mit dem Thema auseinandersetzte.

 

Erschütternd - Folterkammer und Missbrauch - Die Colonia Dignidad

Über den Tellerrand eigener Betroffenheit hinaussehen, war das Motto auch bei der Jahrestagung 1988. Es stand ein brandaktuelles Thema auf der Tagesordnung, die „Colonia Dignidad“. Ernst Wolfgang Kneese und mehrere Vertreter der „Not- und Interessengemeinschaft für die Geschädigten der Colonia Dignidad“ berichteten über ihre schrecklichen Erfahrungen. Nicht nur, dass dieses Lager dem Geheimdienst der Pinochet-Diktatur als Folterstätte diente, gleichzeitig war die Colonia für den Sektenführer Paul Schäfer die Basis, um seine pädophilen Neigungen zu befriedigen. So wie Wolfgang Kneese erging es vielen Jugendlichen in der „Kolonie der Qualen“:

„Als Ernst Wolfgang Müller war er, damals zwölfjährig, von Schäfer vergewaltigt und später nach Chile verschleppt worden. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch wurde er geschlagen, misshandelt, unter Drogen gesetzt, blutüberströmt in einen für ihn gebauten kleinen Holzkäfig gepfercht. 1967 schaffte es der damals 20jährige endlich, seinen Peinigern zu entkommen: Er gelangte mit Hilfe eines Bergführers über die Anden nach Argentinien und von dort nach Deutschland, wo er heute unter dem Namen seiner Frau Heike Kneese lebt. Seitdem kämpft er gegen Schäfer und die Colonia Dignidad.“[42]


Um so erfreulicher ist die Nachricht vom März 2025,[43] dass nunmehr auf dem Siedlungsgelände ein Erinnerungszentrum errichtet werden soll.

 

Anlass zur Besorgnis - okkulte Praktiken bei jungen Menschen 

„Jugendspiritismus und Satanismus“ standen Mittelpunkt des gemeinsamen Treffens vom 2. bis 4. Juni 1989. Seit einiger Zeit häuften sich Anfragen besorgter Eltern und Lehrer, da Jugendliche sich okkulten Praktiken verschrieben hatten. Das Problem wurde seitens des zuständigen Kultusministeriums als so gravierend angesehen, dass mit Wolfgang Hund sogar ein eigener Beauftragter benannt wurde, der in den Schuljahren 1988/89 und 1989/90 an Schulen aller Schularten Aufklärungsveranstaltungen zu okkulten Phänomenen für Schüler bzw. Lehrer durchführte. Er war auch Gast bei der Elterninitiative und hinterließ auf alle Teilnehmer einen bleibenden Eindruck, da er sehr gut verstand, das Thema plastisch und anschaulich darzustellen und mit praktischen Beispielen seine Ausführungen zu untermauern.

Gemeinsam erstellten Friedrich-Wilhelm und Annette Haack eine Veröffentlichung zum Thema „Jugendspiritismus und -satanismus“, die seitens der Elterninitiative bei Anfragen Betroffenen zur Verfügung gestellt werden konnte. 

 

Forschungsprojekt AAO

Des Weiteren startete die Elterninitiative ein Forschungsprojekt, das sich intensiv mit der „AAO – Aktionsanalytische Organisation“ des sogenannten Wiener Aktionskünstlers Otto Mühl auseinandersetzte. Die AAO tauchte bereits seit Beginn der 1980er Jahre in verschiedenen Sachstandsberichten diverser Landesregierungen zu den Neuen Jugendreligionen und Psychokulten auf.[44] Sie hatte durch Vorwürfe von sexuellem Missbrauch, Zwang zu täglichem Partnerwechsel, Zwangsabtreibungen etc. von sich reden gemacht. In diesem Jahr wurde Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs erstattet, die schließlich zu einer Verurteilung Mühls führte. Friedrich-Wilhelm Haack, Bernd Dürholt, Jutta Künzel-Böhmer und Willi Röder stellten 1990 das Ergebnis der Untersuchungen vor, das auf einer detaillierten Analyse umfangreichen Originalmaterials basierte. Neben einem allgemeinen Überblick wurden soziologische und psychologische Aspekte ebenso beleuchtet wie die AAO-Pädagogik.[45] Wie berechtigt die Vorwürfe waren und welche Menschenverachtung das System Mühl Kindern gegenüber an den Tag legte, zeigt auch der Film von Paul-Julien Robert „MEINE KEINE FAMILIE“.[46]
Mit „re-port“ hat sich bereits 2003 eine Initiative ehemaliger Mitglieder der Mühl Kommune gegründet, die über die Verbrechen des Kommunengründers aufklären wollen. Sie verfolgen dabei folgende Zielsetzung:

1. Die Öffentlichkeit über Otto Mühl informieren
2. Einer Mystifizierung von Otto Mühl entgegenwirken
3. Verhindern, dass Mühls Verbrechen zur Kunst erklärt und ausgestellt werden
4. Museen, Galerien und Kunstsammler auf die grundlegenden Problematiken bei Mühls Werken hinweisen.[47]

Freud' und Leid - Anerkennung und tödliche Erkrankung

Gleichzeitig traf uns ein schwerer Schlag: Friedrich-Wilhelm Haack erkrankte schwer und war deshalb das erste Mal bei der Jahrestagung nicht dabei. Leider sollte er sich von dieser Erkrankung nicht mehr dauerhaft erholen. 

Fünfzehn Jahre Elterninitiative waren ein Grund, Bilanz zu ziehen und nach vorne zu blicken. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an unseren ersten Vorsitzenden Friedrich-Wilhelm Haack war Anlass für uns, ein wenig zu feiern. Als Gast konnte die Elterninitiative bei ihrer Jahrestagung 1990 (22. bis 24. Juni) die spätere Landtagspräsidentin Barbara Stamm MdL (1944 - 2022) begrüßen, die zu diesem Zeitpunkt Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung war. Barbara Stamm hob die Bedeutung von Selbsthilfegruppen wie der Elterninitiative hervor, die Betroffenen die Möglichkeit bieten „Betroffenheit zu teilen und wenigstens teilweise aufzuarbeiten“. Sie machte deutlich, „die unmittelbar durchlebten und – mehr oder weniger – bewältigten dramatischen Ereignisse qualifizieren die selbst Betroffenen als Helfer, die in den Bereichen durch keinen professionellen Therapeuten, Anwalt oder anderen Funktionsträger ganz zu ersetzen sind.“ Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit dürfe nicht dazu führen, „dass dieWürde des Menschen als oberstes Rechtsgut der Verfassung verletzt wird.“

Bei den Vorstandsneuwahlen wurde Friedrich-Wilhelm Haack in seinem Amt bestätigt. Canisius Reichhold blieb weiterhin zweiter Vorsitzender.

Ein Thema zog sich wie ein roter Faden durch alle Tagungen dieser ersten 15 Jahre: Die soziale Absicherung der Mitglieder. Immer wieder kam es vor – und es war eher die Regel als die Ausnahme –, dass Mitglieder in den Gruppen nicht sozial abgesichert waren (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) und nach Ende ihres Engagements nicht nur mit den psychischen Folgen der Mitgliedschaft zu kämpfen hatten, sondern dann im Krankheitsfall auch mit leeren Händen dastanden. Im Gegensatz beispielsweise zu katholischen Orden, kümmerten sich die Gruppen nicht um eine angemessene Versorgung ihrer Mitglieder für den Fall von Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit. 

Dass die Szene immer vielfältiger wurde, zeigte neben den regelmäßigen Anfragen betroffener Angehöriger und EI-Mitglieder, Pädagogen und Behördenvertreter auch die „Findungshilfe Religion 2000“ der Elterninitiative, die Anfang 1990 in der vierten Auflage erschien. War es zur ersten Auflage 1986 noch eine dünne Broschüre gewesen, wurde daraus in der neusten Auflage ein Lexikon mit knapp 300 Seiten.

Das Jahr 1991 war das traurigste Jahr in unserer Geschichte: Friedrich-Wilhelm Haack verstarb nach langer und schwerer Krankheit am 4. März 1991. Wir verloren nicht nur einen unermüdlichen Apologeten und Kämpfer für die Menschenwürde und gegen religiös-weltanschaulichen Extremismus, sondern viele auch einen persönlichen Freund und Ratgeber in schwierigen Situationen.

Willi Röder wird neuer Vorsitzender

Bei den notwendigen Nachwahlen zum Vorstand wurde der Religionspädagoge Willi Röder zum neuen Vorsitzenden gewählt, der seit Jahren schon engagiert in der EI mitgearbeitet hatte und dieses Amt noch heute ausübt. Canisius Reichhold stand ihm als zweiter Vorsitzender weiterhin zur Seite.

Inhaltlich beschäftigte sich die Tagung vom 7. bis 9. Juni 1991 in Würzburg mit folgenden Themen:

  • Den Aspekt Guruismus an einem konkreten Beispiel beleuchtete Bernd Dürholt: Sri Chinmoy, der „Friedensguru“, hatte durch „Friedensläufe“ und seine Konzerte immer wieder Aufsehen in Deutschland erregt. Die Gruppierung wurde als Organisation mit „religiös-fanatischer Prägung“ bezeichnet, die besonders junge Menschen in ihren Bann zieht. In einem Betroffenenbericht werden die Indoktrinationsmethoden beschrieben: Exzessive Meditation, Schlafentzug, psychische Erschöpfung durch Laufen bis zur Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit, Gruppen-erlebnisse und Gruppendruck. Anhänger würden dazu angehalten, Ausbildung oder Studium abzubrechen.[48]Trotz ihrer Fassade aus Süße und Licht übt diese Gruppe eine tyrannische Kontrolle über das tägliche Leben von Studenten aus. Kürzliche Behauptungen zeigen, dass viel von dem Elend in der Gemeinschaft tatsächlich von der sozialen Manipulation kommt, die der Guru an seinen Studenten praktiziert, um sie davon abzuhalten, den Seelenfrieden oder die Selbstbeherrschung zu haben, die es ihnen erlauben würde, sich zu entwickeln oder von ihm unabhängig zu werden.“[49]
  • Eine Detailanalyse des Scientology-Persönlichkeitstests durch Karl-Hermann Schneider. Die Konzeption trug seiner Tätigkeit und Erfahrung als Beratungslehrer Rechnung. Die Publikation sollte die Pseudowissenschaftlichkeit des Tests aufzeigen, die Irrealität der sogenannten „Oxford-Capacity-Analyse“ dokumentieren und die Öffentlichkeit, insbesondere Schüler und Pädagogen, sensibilisieren. Der Test ist das „Lockvogelangebot“, mit dem Interessenten geködert werden sollten. Neben der Analyse hatte Schneider noch entsprechende Materialien für die Schülerarbeit erstellt.[50]
  • Pfr. Thomas Gandow setzte sich mit der Entwicklung in der Szenerie im Rahmen des wiedervereinigten Deutschlands auseinander. 

 

Nachfolger von Friedrich-Wilhelm Haack als landeskirchlicher Beauftragter wurde Pfr. Dr. Wolfgang Behnk, der diese Funktion bis 2014 ausübte und die Arbeit der Elterninitiative von Beginn an aktiv unterstützte und dies bis zu seinem Tod im Februar 2022 als Vorstandsmitglied noch tat.

Inhaltlich standen drei Themen im Fokus der Tagung 1992 (26. bis 28. Juni): 

  • Kirchenrat Klaus-Martin Bender berichtete über Neuoffenbarungs-bewegungen am Beispiel der Gruppe Fiat Lux.
  • Wolfgang Behnk beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit kirchliche Apologetik ein Aspekt praktischer Seelsorge sei.
  • Der Kirchentag 1993 in München wurde vorbereitet, bei dem sich die Elterninitiative am apologetischen Zentrum beteiligte.

 

Die Elterninitiative beim Kirchentag in München

Die Jahrestagung vom 2. bis 4. Juli 1993 in Würzburg setzte sich mit dem Thema „Die neureligiöse Szene in Deutschland und im vereinigten Europa“ auseinander. 
Dabei beleuchtete Bernd Dürholt „Die Entwicklung der neureligiösen Szene im vereinigten Deutschland“. Eduard Trenkel und Kurt Helmut Eimuth berichteten über „Die Hintergründe der religiös motivierten Unruhen auf dem indischen Subkontinent und ihre Auswirkungen auf die neureligiöse Szene im Westen“. Gemeinsam mit dem EI-Vorstandsmitglied Udo Schuster waren beide Anfang 1993 in Bombay gewesen, als dort in Folge der Zerstörung der Moschee von Ayodhya durch Hindu-Extremisten religiös motivierte Unruhen ausbrachen, die beinahe bürgerkriegsähnliche Zustände erreichten. 

Willi Röder, Karl-H. Schneider und Wolfgang Behnk berichteten über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen „Vereinigungskirche (Mun-Bewegung), EAP (Europäische Arbeiterpartei) und Scientology. 

Stefan Kroll zeigte Aufgaben und Perspektiven für „Die Zukunft von Selbsthilfegruppen“ auf. 

Vom 9. bis 13. Juli 1993 fand in München der 25. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Neben der aktiven Mitwirkung im Zentrum der „Konsultation landeskirchlicher Beauftragter“ (KLB) gestaltete die EI eine Ausstellung unter dem Titel „Streifzug durch den religiösen Supermarkt", in der die bekanntesten Gruppierungen kurz dargestellt wurden. Später wurde daraus in der „Jungen Münchner Reihe“ eine Publikation entwickelt, die speziell für Schüler- und Jugendgruppen konzipiert wurde und kurz und prägnant Informationen zur Vorbereitung von Schulreferaten und Präsentationen lieferte. Neben den einzelnen Gruppen wurden in den insgesamt sechs Auflagen auch allgemeine Begriffe wie „Christliche Sekten“, Guruismus, Neuoffenbarungsbewegungen, Psychogruppen, Weltanschauungsgemeinschaften, Neuheidentum und völkische Religiosität erläutert.[51]

Erschüttert wurde die Öffentlichkeit im April 1993 von der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den US-Behörden und der „Davidianer-Sekte“ von David Koresh. Diese eskalierte in einer Schießerei mit vier toten Polizisten, einer 51-tägigen Belagerung, sie gipfelte schließlich in ein „flammendes Inferno“ mit dem Tod von 76 Sektenanhängern, viele davon begingen Suizid. 

 

Ende einer Tradition - Abschied von Würzburg

Vom 10. bis 12. Juni 1994 traf sich die Elterninitiative letztmals in Würzburg zu ihrer Jahrestagung. Inhaltlich ging es neben dem Austausch der Betroffenen über ihre Erfahrungen auch wieder darum, die Thematik neuer religiöser Bewegungen unter globaleren Aspekten zu beleuchten. Rüdiger Hauth berichtete über das Wirken von Gruppen mit buddhistischem und fernöstlichem Hintergrund in Deutschland und deren religiöse Grundlagen. Doch nicht nur Theorie, sondern auch praktische Informationen, gewonnen aus erster Hand, waren Teil der Tagung. Wichtig ist die „Feldforschung“, das heißt, das Sammeln von Informationen „vor Ort“. Eine Gruppe, der auch der EI-Vorsitzende Willi Röder angehörte, machte sich bei einer Studienreise durch die USA vor Ort ein Bild über das Auftreten einzelner Gruppen, die in Deutschland eine wichtige Rolle spielen, wie Scientology, die Mormonen, Christian Science oder die Zeugen Jehovas. Bereits Röders Vorgänger Friedrich-Wilhelm Haack und Manfred Ach hatten dies praktiziert und dabei Informationen über guruistische Bewegungen (z.B. Hare Krishna) als auch andere Gruppen, wie Mun oder Kinder Gottes sammeln können.

Interessant in diesem Zusammenhang sicherlich das Gespräch mit dem Dalai Lama, das Haack und sein Kollege als landeskirchlicher Beauftragter aus Westfalen Dr. Rüdiger Hauth bei einer ihrer Studienreisen nach Indien in Dharamsala führen konnten. Bemerkenswert sind die Ausführungen des geistlichen Oberhaupts der Tibeter zum Thema: Anwendung der Buddhistischen Meditation im Westen. „Junge Leute sollten vorsichtig sein und die asiatischen Meditationstechniken nicht vorschnell ausüben. Sie sollten die Hintergründe genau studieren und sich Kenntnisse verschaffen, worum es eigentlich gehe, das könne unter Umständen Jahre dauern. (...) Er kritisierte dann solche Lamas, die den jungen Leuten im Westen bereits nach zwei oder drei Wochen nach dem ersten Kontakt die ‘Einweihung‘ geben.“, so Hauth in seinem Vortrag.[52]

Bei den turnusgemäßen Vorstandswahlen wurde Willi Röder als 1. Vorsitzender bestätigt. Neue 2. Vorsitzende wurde Waltraud Westhoven. Canisius Reichhold wurde als Dank für sein jahrzehntelanges Engagement zum Ehrenvorsitzenden der Elterninitiative gewählt.

„Seelenriß – Geld futsch, Freunde futsch, Seele futsch“ war der Titel einer gemeinsamen Broschüre mit der Jungen Union Deutschlands.[53] Sie war mit einem ansprechenden Layout aufgemacht und wurde speziell für den Einsatz in Schulklassen sowie der Jugendarbeit zusammengestellt. „Seelenriß“ bot gleichermaßen Analysen, Standpunkte zum Thema, Checklisten, eine Darstellung einzelner Gruppen und konkrete Aktionsvorschläge. 

Erneut schockierte ein Massen(selbst)mord. Bei zwei Massakern starben im September und Oktober 1994 über 50 Anhänger des „Sonnentempler-Ordens“ (Ordre du Temple Solaire (O.T.S.)). Damit nicht genug folgten 1995 weitere Morde an 16 Anhängern und 1997 fünf weitere Suizide. Drei Jugendliche konnten entkommen. 

 

Vom Teen zum Twen - 20 Jahre Elterninitiative - Neue Aspekte bei der Auseinandersetzung

Auf 20 Jahre Elterninitiative konnte diese anlässlich ihrer Fachtagung vom 22. bis 24. Juni 1995  in München zurückblicken. „Die EI will nicht nur Selbsthilfegruppe sein, sondern ihre Erfahrungen in den Dienst einer in unsrer Gesellschaft notwendigen Diskussion stellen“, machte der Vorsitzende Willi Röder in der Einladung zur Tagung deutlich. „Nicht insofern, als die besagten Gruppen etwas anderes ‚glauben' sind sie problematisch, sondern insofern als ihre sozialen Betriebssysteme durch extreme ideologische Verdichtung, totalitäre Führungshierarchie und soziale Abschottung eine Gefahr für das Individuum und unsere Demokratie darstellen.“ Nach wie vor erreichten die Elterninitiative entsprechende Anfragen und Berichte betroffener Angehöriger und Aussteiger. Anders, als von den totalitären Gruppen dargestellt, ging es aber eben nicht darum, einen anderen Glauben zu diskreditieren, sondern auf Verwerfungen durch nicht akzeptable Methoden hinzuweisen und diese klar zu benennen.

Sie machten eine gemeinsame Antwortstrategie aller in der Gesellschaft Engagierten und Verantwortlichen erforderlich, zu der die EI mit ihrer Tagung einen Beitrag leisten wollte. Unter dem Tagungsthema „Neue Psychogruppen und Sekten  – eine Herausforderung für Gesellschaft, Kirche und Politik“ gingen namhafte Referenten auf die einzelnen Aspekte der Thematik ein.[54]

  • Mit der Frage „Reichen die Gesetze aus, um Konsumenten auf dem Psychomarkt zu schützen?“ befasste sich Dr. Jürgen Keltsch, Richter am OLG München, der im Jahr darauf auch in der Enquete-Kommission des Bundestages mitwirkte und im Bayerischen Innenministerium die Aufklärungsarbeit über Scientology verantwortlich gestaltete. 
    Er machte deutlich, dass es um ein wesentlich breiteres Spektrum gehe. Die Diskussion nur unter dem Aspekt „Religion“ sei viel zu engführend. Insbesondere dann, wenn es sich um Gruppen und Angebote aus dem therapeutischen Bereich gegen Entgelt handele und Religion gar keine Rolle spiele. „Hierdurch wurde aber das dringend notwendige gesetzliche Handeln zur gesetzlichen Ordnung des neuen psychosozialen Dienstleistungsbereiches, auf dem die in den letzten 25 Jahren entstandene Bewußtseinsindustrie Lebenshilfe und oft zweifelhafte Persönlichkeitsverbesserung verkauft, unmöglich gemacht“[55] Es war falsch, diese dem Religionsbegriff zuzuordnen und damit fälsch-licherweise den Schutz des Artikels 4 GG zu unterstellen. Er plädierte deshalb für eine gesetzliche Regelung des gewerblichen Psychomarktes. Oftmals handle es sich weder um Religion noch um anerkannte Psychotherapie, machte er deutlich. Er zeigte ein detailliertes sozialwissenschaftliches Konzept auf, das als Grundlage für eine rechtliche Regulierung des gewerblichen Lebenshilfemarktes, die Schaffung einer Psychoethik-Konvention und einer öffentlichen „Stiftung Psychomarkt“ als Forschungsinstitution dienen könne[56]. – Ein Paradigmenwechsel in der Diskussion, der jedoch aus heutiger Sicht auf die Szene genau der richtige Ansatz gewesen ist.
  • Auch seitens der EI wurde 1987 im Rahmen ihrer Tagung zu „Europas Neue Religiosität“ auf die Veränderung im Bereich der Szene hingewiesen. Am Beispiel von Scientology wird am ehesten deutlich, dass es sich hier nicht um Religion, sondern um ein Angebot auf dem Psychomarkt handelt.[57]
  • Hildegard Nußbaum und Ursula Höft zeigten aus ihrer Sicht die Erlebnisse Betroffener auf. Deren Hauptsorgen ergäben sich aus ungewöhnlichen Persönlichkeitsveränderungen, Trennung der sozialen Bindungen, Zerstörung von Familien sowie die körperliche, seelische und materielle Ausbeutung, die immer wieder zu beobachten seien.
  • Dr. Rüdiger Hauth beleuchtete die religiös-weltanschauliche Situation der Gegenwart. Der bizarre „Markt der Wahrheiten“ erweitere ständig sein Angebot. Zwei Aspekte trügen dazu wesentlich bei: Mobilität und Anonymität. Menschen seien heute viel schneller bereit, innere Standpunkte aufzugeben und sich neu zu orientieren (→ Mobilität). Glaube, religiöse Überzeugungen und weltanschauliche Standorte würden anonym, das heißt, es gäbe hierfür kein „öffentliches“ Interesse mehr. (→ Anonymität). Dies biete einerseits „Befreiung“, andererseits bedeute es „Orientierungslosigkeit, Unsicherheit, Beliebigkeit und Vereinsamung“. Die sei der Nährboden für solche Gruppierungen und Angebote.[58]
  • Mit der Thematik aus politischer Sicht setzte sich Bernd Kränzle, Staatssekretär im bayerischen Justizministerium, auseinander. Die Politik erkenne die Gefahren, die von derartigen Gruppen ausgehe. Er machte aber deutlich, dass es staatlicherseits aufgrund des Neutralitätsgebots kaum Eingriffsmöglichkeiten gebe. Der Staat könne in erster Linie nur aufklären und warnen.

 

Die Jahrestagung bot auch die Gelegenheit, das Thema Psychokulte künstlerisch zu betrachten. Das „Theater Punktum“ beleuchtete es mit dem Stück „Sofortige Erleuchtung inkl. MWSt.“ von Adrew Carr, das dieser nach Teilnahme an einem Seminar geschrieben hatte. „Im Zeitraffer erlebt der Zuschauer ein 3-tägiges Seminar der Organisation 'ETRE', die ihren Teilnehmern nach Abschluss ein glückliches, ausgefülltes Leben verspricht. Das macht transparent, wie durch bewusst eingesetzte psychologische Methoden, Menschen manipuliert werden können“, hieß es in der Ankündigung. „Die Trainer haben hierfür ihre ganz eigenen Methoden und rufen mit Erniedrigungen und Psychoterror bei jedem Seminarteilnehmer andere Reaktionen hervor. Schon bald kämpfen diese auch nicht mehr nur gegen ihre Trainer, sondern müssen sich noch ganz anderen Gegnern stellen...“, so in der weiteren Beschreibung von Carrs Theaterstück.[59] Anschaulich wurde „demonstriert, wie schnell man auf der Suche nach sich selbst in die Abhängigkeit gefährlicher Gruppierungen geraten kann, die aus purer Profitgier zweifelhafte Ideologien verkaufen.“[60]

 

Spindlhof das neue Domizil für unsere Jahrestagungen

„Der Psychomarkt – Eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft“ war das Thema bei der Fachtagung, die vom 12. bis 14. Juli 1996 erstmals im Bildungszentrum Schloss Spindlhof (Regenstauf) stattfand.

Am 9. Mai jenes Jahres hatte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" ihre Arbeit aufgenommen und befasste sich zwei Jahre lang intensiv mit dem Thema. 

Deren Aufgaben und Zielsetzungen erläuterte die Initiatorin Renate Rennebach MdB in ihrem Referat: „Was kann die Politik tun? – Aufgaben und Zielstellung der Enquete-Kommission“.

Eduard Trenkel und Udo Schuster setzten sich mit der Frage auseinander „Der Psychomarkt – Wie muss Beratungs- und Aufklärungsarbeit auf diese Herausforderung reagieren?“ und definierten unter „Ist XY denn eine ‚Sekte'?“ kritische Beurteilungsparameter, Standpunkte und Informationen in der Beratungsarbeit.[61]

Prof. Dr. Ralf Bernd Abel, der gleichzeitig auch als sachverständiges Mitglied in die Enquete-Kommission berufen worden war, ging unter dem Titel „Darf denn alles erlaubt sein?“[62] auf die rechtlichen Aspekte in der Auseinandersetzung und bei der Beratung Betroffener ein. Er zeigte Möglichkeiten und Grenzen auf in den Bereichen Verfassungsrecht, Vereins-, Gewerbe-, Straßenrecht, sonstiges öffentliches Recht, Zivilrecht, Strafrecht, Arbeits- und Sozialrecht sowie Steuerrecht. Außerdem berichtete er über Entwicklungen der Rechtsprechung im Ausland. 

Mit der Frage „Politische Initiativen – Was können die Bundesländer tun?“, beschäftige sich Markus Sackmann, MdL, sektenpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Zu dem brennenden Problem „Die 2. Generation – Kinder in Sekten und Psychogruppen“ nahm der Journalist Kurt-Helmut Eimuth aus Frankfurt Stellung. In seinem Buch „Die Sekten-Kinder“, das im selben Jahr erschienen war, hatte er auf die teilweise unerträgliche Situation von Kindern in einzelnen Gruppierungen hingewiesen, die sich im Gegensatz zu ihren Eltern nie frei entscheiden konnten, sondern in die Gruppen hineingeboren wurden.[63] Dort seien sie einem unerhörten ideologischen Druck ausgesetzt. Wie berechtigt diese Besorgnisse sind, zeigte damals die Misshandlung kleiner Babys in der Thakar-Singh Bewegung, denen mit Silikon die Ohren abgedichtet wurden. „Die völlig übermüdeten Kinder und Säuglinge wurden dabei immer wieder in die regungslose Meditationsstellung gezwungen. (…) Die Kinder schrien entsetzlich, aber keiner der Eltern hat geholfen." Ein Vater, der seinen zweijährigen Sohn mit Ohrstöpsel und Augenbinde zur Meditation zwang, wurde zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.[64]

Dass dieses Problem nach wie vor weiter besteht, zeigen die aktuellen Vorgänge um die „Zwölf Stämme“ aus dem Jahr 2013, wo das Schlagen selbst kleinster Kinder an der Tagesordnung war. Vor deren Methode hatte unser Vorstandsmitglied Wolfgang Behnk bereits im Jahr 2000 eindringlich gewarnt.[65]

Pfr. Dr. Wolfgang Behnk bot in seinen Anmerkungen zum religiösen ‚Supermarkt' einen Überblick über Gruppen und Strömungen.

Der EI-Vorsitzende Willi Röder berichtete im Rahmen seines Beitrages „Was können Eltern- und Betroffeneninitiativen leisten?“ über vermehrte Anfragen Jugendlicher bei der Elterninitiative, die um Informationen und Beratung baten, da sie ihrerseits von Eltern und Verwandten mit Angeboten von Esoterik-Gruppen konfrontiert würden. Dies mache jugendgemäße Informationen notwendig. 

 

Weit über die „klassischen“ Jugendreligionen hinaus - Die Entwicklung auf dem Psychomarkt

Das Tagungsthema wurde 1997 (18.- 20. Juli 1997) fortgesetzt: „Der Psychomarkt – Strukturen und Beratungsansätze“ lautete das Motto. 

Der Berliner Psychologe Manfred Neumann zeigte „Aspekte einer wirkungsvollen Beratungs- und Betroffenenarbeit“ auf. Dabei ging er auf die verschiedenen Bereiche 

  • Beitrittsmotiviation

  • Desozialisation

  • Zäsur und Re-Integration

 

ein.[66] Er stellte vor allem Eintrittsmechanismen und -phasen sowie Ausstiegswege und mögliche Komplikationen nach einem Ausstieg sowie „Phasen der Resozialisierung“ dar.

Da viele Angebote auf einem fernöstlichen Ideengebilde basieren, ist es wichtig, sich mit den Grundlagen unabhängig von konkreten Gruppen oder Angeboten auseinanderzusetzen sowie die Grundlagen und Unterschiede herauszuarbeiten. In seinem Referat „Westliches und fernöstliches Menschenbild im Vergleich“ ging deshalb Rainer Schuhmann, Landeskirchlicher Beauftragter in Oldenburg, auf die verschiedenen Richtungen des Hinduismus und die Ideengeschichte des Westens ein und machte die Schwierigkeiten eines tatsächlichen Vergleichs deutlich.[67]

In zwei rollierenden Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Teilnehmer mit praktischer Gesprächsführung in der Beratungsarbeit und im Umgang mit Betroffenen (Manfred Neumann) und den Mechanismen totalitärer Manipulation, dargestellt an einem konkreten Beispiel (Wolfgang Behnk). Er beschrieb nicht nur vier Mechanismen (Opfer-Täter-Mechanismus, Dauer-Indoktrination, Aktive Programmierung und Spachzerstörung) sondern machte auch klar, dass eine „Trennung von technischen Methoden und dem Heilslehre-System“ an der Sache vorbei gehe.[68]

Ingolf Christiansen schließlich berichtete als sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission über den aktuellen Stand der Beratungen. 

In diesem Jahr fand im Bayerischen Landtag eine Anhörung zum Thema statt, an der mit unseren Vorstandsmitgliedern Ursula Höft, Canisius Reichhold und Karl-Hermann Schneider auch drei Vertreter der Elterninitiative teilnahmen.

Erneut geschah ein entsetzlicher Massenselbstmord. Im März 1997 brachten sich 39 Mitglieder des Ufo-Kults „Heaven’s Gate“ um, während der Komet Hale-Bopp auf der Erde zu sehen war. Sie ließen sich dazu von ihrem Leiter Marshall Applewhite überzeugen, der ihnen suggerierte, dass mit dem Kometen auch ein Raumschiff erschienen sei. Sie würden ihren „Erdkörper“ verlassen und zu dem Raumschiff reisen. 

Gespräch mit UN-Vertreter

Die Arbeit der Enquete-Kommission und die Beobachtung der Scientology-Organisation führten dazu, dass diese versuchte, die Bundesrepublik mit „Gräuelmärchen in Misskredit zu bringen.“[69] Insbesondere amerikanische Parlamentarier und das State Departement nehmen diese Propaganda für bare Münze und kritisieren Deutschland regelmäßig scharf. Dies führte schließlich sogar so weit, dass der „UNO-Sonderberichterstatter über religiöse Intoleranz“ Abdelfattah Amor aus Tunesien nach Deutschland kam[70]. Bei seinem Besuch in München am 25. September 1997 trafen auch Vertreter der Elterninitiative (Wolfgang Behnk, Bernd Dürholt, Ursula Höft, Ilse Kroll, Karl-Hermann Schneider, Udo Schuster und Waltraud Westhoven) mit dem Diplomaten zusammen. Dieses Gespräch bot die Möglichkeit Missverständnisse auszuräumen:

  • In Deutschland ist Presse- und Meinungsfreiheit garantiert.  Kritik der Medien, von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen muss sich der Staat nicht zurechnen lassen oder zu eigen machen.

  • Wer öffentlich einen religiösen oder weltanschaulichen Anspruch vertritt, muss sich auch dem Meinungsstreit und der Kritik an seinen Lehren und ihren Inhalten stellen. 

  • Wer Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch nimmt, muss sich darüber hinaus einer kritischen Untersuchung seiner Methoden stellen.

  • Durch diese Auseinandersetzung wird das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit nicht beeinträchtigt.

  • Meinungsäußerungen und Bewertungen von Initiativen und Selbsthilfegruppen oder Fachleuten sind weder staatlich gesteuert, noch kann dieser auf sie Einfluss nehmen. Den Rahmen bilden die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die vorhandenen Gesetze und die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte.

  • Anhand konkreter Beispiele konnten wir unsere Kritikpunkte deutlich machen und erläutern.


Die Vorstellungen des UN-Beauftragten zum Verhältnis zwischen Staat und Bürger in Deutschland machte ein Vorfall am Rande deutlich. Prof. Amor wurde neben dem Dolmetscher von einem Vertreter des Auswärtigen Amtes aus Bonn begleitet. Zu Beginn des Gespräches forderte er ihn auf, den Raum während des Gespräches mit uns zu verlassen, damit wir uns „frei und ungehindert“ äußern könnten. Auf unseren Hinweis, wir hätten keine Probleme, unsere Meinung auch in Gegenwart eines staatlichen Vertreters deutlich zu machen, weil deutsche Bürger ohne Gefährdung auch staatliche Stellen offen kritisieren könnten. Dies konnte er anscheinend nicht glauben und bestand auf seinem Wunsch.

Als Ergebnis seines Besuchs bescheinigte er Deutschland religiöse Toleranz und nannte vielmehr die Vorwürfe der Scientology-Organisation, ihre Mitglieder würden „wie die Juden unter Hitler verfolgt“[71] aus seiner Sicht „schockierend“, „bedeutungslos“ und „kindisch“.[72]

Auseinandersetzung mit fernöstlichen Bewegungen

Auf der gemeinsamen Jahresfachtagung mit der „Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise“ (ADK) am 24. und 25. Juli 1998 setzten wir uns mit „guruistischen Bewegungen“ auseinander.

Der Fernsehjournalist und Buchautor Rainer Fromm zeigte anhand konkreter Beispiele die Aufklärungsmöglichkeiten durch seriösen Journalismus auf (Thema „Neureligiöse Bewegungen – Verantwortung der Medien“). 

„Repräsentieren die im Westen aktiven Gurubewegungen wirklich die Religiosität des indischen Subkontinents? Handelt es sich nicht vielmehr um eine kommerzielle „Instant-Erlösung“, die viel verspricht aber wenig hält und bei der Kommerz im Vordergrund steht?

Wie kann man nun den echten Meister, dem es ernsthaft um die spirituelle Weiterentwicklung seiner Jünger geht, von dem Schwindler unterscheiden, der es nur auf den Geldbeutel und die Arbeitskraft seiner Anhänger abgesehen hat, die er schamlos ausbeutet?“

Auf diese Fragen gingen Eduard Trenkel und Udo Schuster in Ihrem Beitrag „Gurubewegugen in Indien und im Westen“ein. Dabei gehe es nicht um einen Religionskampf, wie seitens der Gruppen und wohlmeinender Unterstützer gerne unterstellt werde.  Die Kritik resultiert auch nicht aus dem Unverständnis für die Religiosität und Spiritualität eines für viele von uns fremden Kulturkreises, sondern setzt sich mit den Folgen von seelischer Abhängigkeit und religiösem Extremismus auseinander, die bei den „verwestlichten“ Ablegern indischer Religiosität zu beobachten sind.”[73]

Der Diplom-Psychologe Dirk Lengemann ging auf die Hintergründe fernöstlicher Meditationsmethoden” ein.

Wolfgang Behnk stellte die verschiedenen Richtungen der  Sant Mat Gurus” vor, die in Indien zu den größten Richtungen des Hinduismus zählt und auch im Westen zahlreiche Anhänger hat. Zu den unrühmlichen Vertretern zählte dabei Thakar Singh, der durch seine rabiaten Methoden Kindern gegenüber von sich reden machte. [74] Eduard Trenkel beschrieb dies im Berliner Dialog zutreffend mit Meditation als Mißhandlung”.[75]

 

Die Enquete-Kommission - interessante Ergebnisse, die leider im Sand verlaufen werden

Am 9. Juni 1998 hatte die Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" ihren Endbericht vorgelegt. Auf die Die Ergebnisse der Enquete-Kommission Sekten und Psychogruppen’ und ihre Folgen für die Beratungs- und Betroffenenarbeit”.[76] ging EI-Vorstandsmitglied Udo Schuster ein.

In der Bewertung des Berichtes ließ sich folgendes feststellen:

  1. “…Grundsätzlich ist es äußerst positiv zu werten, dass sich nunmehr eine Enquete-Kommission zwei Jahre intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und damit die gesellschaftliche Bedeutung des Problems offenkundig gemacht hat.

  2. Die Kommission kommt zu klaren Bewertungen. Sie drückt" sich nicht vor Stellungnahmen. Der Umstand, dass aufgrund der Ergebnisse ihrer Analysen einzelne Einschätzungen revidiert werden müssen, ist als Untersuchungsergebnis zu akzeptieren.

  3. Im Gegensatz zu manchen anderen Berichten staatlicher Stellen, hat die Kommission es nicht bei dem Hinweis es liegen keine Informationen und Anhaltspunkte vor" bewenden lassen, sondern klar auf Erkenntnisdefizite hingewiesen und die Notwendigkeit umfangreicher Forschungsarbeit in einzelnen Bereichen aufgezeigt.

  4. Sie hat darüber hinaus aber zahlreiche klare Handlungsempfehlungen erarbeitet und damit ebenfalls klare Positionen bezogen und brauchbare Lösungen aufgezeigt...”
     

Das Problem bestand darin, dass die Kommission ihre Arbeit zum Ende der 13. Legislaturperiode hin beendet hatte. Leider hat der 14. Deutsche Bundestag die Empfehlungen des Berichtes nicht aufgegriffen. 

Neben den Jahresfachtagungen als Informationsplattform und Austauschbörse” stand auch in diesem Jahr die individuelle Beratung und Information vor Ort an vorderster Stelle. Vor allem unsere Vorstandmitglieder Waltraud Westhoven (Leiterin des Gesprächskreises Franken), Ursula Höft (Leiterin des Gesprächskreises AVAS in Landshut), Karl-Hermann Schneider (München) und Wolfgang Behnk (vor allem als landeskirchlicher Beauftragter) standen bei Seminaren und für Schulklassen im Unterricht als Referenten zur Verfügung. 

Kontinuität kennzeichnete die Vorstandswahlen: Willi Röder und Waltraud Westhoven wurden in ihren Ämtern bestätigt.

 

“EI goes online” - Aufbruch ins “world-wide-web”

Neureligiöse Bewegungen und Lebenshilfeangebote - Erfahrungen aus der Sicht der Seelsorge, staatlicher Beratung und der Medien” war das Thema der gemeinsamen Tagung von Elterninitiative und ADK am 2. und 3. Juli 1999.

In den Jahren zuvor hatte das Internet zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies bedeutete auch für die Arbeit der Elterninitiative neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Winfried Müller stellte unter dem Motto Neureligiöse Bewegungen und Lebenshilfeangebote – Nutzung neuer Kommunikationswege und Medien zur Aufklärungs- und Beratungsarbeit” die möglichen Perspektiven dar. Er ist in diesem Bereich Pionier. Bereits 1994 begann er mit  “religio.de” ein elektronisches Informationssystem über neue religiöse und ideologische Gemeinschaften, Psychogruppen und Esoterik in Deutschland” aufzubauen. Mit mehr als 300 MB Text bietet religio” neben einem umfangreichen Lexikon mit mehreren hundert Stichworten, auch Quellenmaterial, Links zu elektronischen Büchern und eine große Linkdatenbank an. 

Winfried Müller war es auch, der die Elterninitiative bei ihren ersten Schritten” im world-wide-web unterstützte. Seit 1999 bis heute kann auf das Internetangebot der EI auch via “religio.de” unter www.religio.de/ei zugegriffen werden.

Rainer Fromm zeigte in seinem Beitrag Maßstäbe des Fernsehens für eine seriöse und kritische Auseinandersetzung mit Sekten, Weltanschauungsgruppen und Psychoorganisationen” anhand konkreter Beispiele auf. 

Der Dipl. Theologe Hans Liebl und Pastor Wilhelm Knackstedt gingen auf den Bereich Neureligiöse Bewegungen und Lebenshilfeangebote aus Sicht der Seelsorge” ein.

Wie muss ein „Verantwortlicher Umgang mit Ausstiegswilligen und Aussteigern“ erfolgen? Dies zeigte Dr. Gabriele Lademann-Priemer, Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Nordelbischen Kirche, auf. Das Dilemma in der Beratungsarbeit machte Dr. Lademann-Priemer gleich zu Beginn ihres Referats sehr deutlich.

„Leider machen wir die Erfahrung, dass Therapeuten und Therapeutinnen in Beratungsstellen mit dem Thema Sekten und Religion nicht recht umgehen können. Das hat unterschiedliche Gründe. Beraterinnen und Berater führen Probleme oftmals allein auf menschliche Beziehungen, Schwierigkeiten in der Kindheit oder in den Lebensumständen der Betroffenen zurück. Dass auch Religion ein ernstzunehmendes Thema der Therapie sein könnte, machen sich viele Therapeuten erst seit einigen Jahren klar. 

Für Therapeuten stellt sich außerdem das Problem, dass sie für solche Beratungsarbeit ihren eigenen religiösen Standpunkt würden klären müssen. Ich kann nicht mit einem Menschen über religiöse Fragen sprechen, ohne zu wissen, was ich selbst eigentlich glaube oder auch nicht. Es gibt jetzt jedoch offensichtlich zunehmend Therapeuten und Psychiater, die diese Aufgabe auch als ihre Aufgabe anzusehen bereit sind.“[77]Neben der Analyse und zahlreichen praktischen Beispielen aus ihrer Beratungsarbeit fasste Lademann-Priemer ihre Erfahrungen und Ansatzpunkte zum Schluss in zwölf Thesen zusammen.[78]

Den staatlichen Part zeigte Dr. German Müller von der österreichischen „Bundesstelle für Sektenfragen“ aus Wien mit seinem Beitrag „Erfahrungen und Erfordernisse aus der Arbeit staatlicher Beratungsstellen“ auf. 

 

 

Eine engagierte Betroffene - Auszeichnung für Ursula Höft

Einen weiteren Anlass zu großer Freude bot sich 1999 durch eine Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung. Unser Vorstandmitglied Ursula Höft erhielt die Bayerische Staatsmedaille für soziale VerdiensteIn einer Feierstunde im historischen Max-Josef-Saal der Münchener Residenz hatte Bayerns stellvertretende Ministerpräsidentin Barbara Stamm am 16. November 1999 Ursula Höft mit der Bayerischen Staatsmedaille für soziale Verdienste gemeinsam mit 14 weiteren engagierten Bürgern ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wurde ihr Engagement in der Beratungs- und Betroffenenarbeit im Bereich Sekten und Psychokulte und ihre Tätigkeit in der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus (EI) sowie als Leiterin des Arbeitskreises von Angehörigen Sektengeschädigter (AVAS) gewürdigt.

Staatsministerin Stamm lobte dabei Ursula Höfts Einsatz für Betroffene und Angehörige. Sie helfe ihnen, von der Bevormundung durch solche Gruppen frei zu werden. Besonders lobte Sozialministerin Stamm die Aufklärungsarbeit von Ursula Höft, die auf vorhandene Gefahren aufmerksam mache und die Öffentlichkeit durch umfangreiche Vortragstätigkeit sensibilisiere. Die Auszeichnung sei darüber hinaus neben der Ehrung für die jeweils geehrten Persönlichkeiten auch eine Anerkennung der Arbeit der jeweiligen Organisationen, in denen sie tätig seien.

Die Staatsmedaille wird in jedem Jahr in der Regel nur an 20 Personen verliehen. Zu den weiteren Ausgezeichneten gehörte unter anderem auch der ehemalige Sozialminister Gebhard Glück. 

Unser Vorstandmitglied Bernd Dürholt veröffentlichte in diesem Jahr mit „Reiki-Heilende Hände“ eine kompakte Erstinformation, die Hintergründe, Praktiken und Organisation dieser okkult-magischen Technik erläuterte und eine kurze, kritische Einschätzung bot.[79]

 

Ein Vierteljahrhundert „Hilfe zur Selbsthilfe“ - Die EI wird 25

„Die Entwicklungen bei Neureligiösen Bewegungen und Lebenshilfeangeboten von 1975 bis heute“, Rückblick und Ausblick, standen im Zentrum der Tagung 2000 (28. bis 30. Juli 2000), bei der die Elterninitiative auf ein Vierteljahrhundert ihres Bestehens zurückblickte.

Aktuelle Beobachtungen aus der Medienszene präsentierte der Journalist Dr. Rainer Fromm mit „Die Entwicklung der Auseinandersetzung mit Sekten, Weltanschauungsgruppen und Psycho-Organisationen in den Medien“ 

„Jesus lebte in Indien. Er wurde nicht gekreuzigt, sondern 100 Jahre alt. Er lebte und starb in Kaschmir. Sein Grab ist in Srinagar“. Auf diese und andere religiöse „Mixturen“ ging Dr. Rüdiger Hauth in seinem Vortrag „Esoteriker entdecken Jesus“ ein. 

Über ihre Erfahrungen in der „Auseinandersetzung mit totalitären Gruppen auf kommunaler Ebene“ berichteten Hans-Werner Jungen (Hettstatt) und Thomas Müller (bbs, Wertheim) und belegten dies mit Beispielen aus der Arbeit entsprechender Bürgerinitiativen vor Ort, die sich vor allem mit dem „Universellen Leben“ auseinandersetzten.

Mit „Von der Auswahlspiritualität zur ‚Kirchen'gründung“ zeigte Dr. Matthias Pöhlmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) Entwicklungsschritte und -phasen bei neureligiösen Bewegungen und Lebenshilfeangeboten auf.

Rechtsanwalt Ingo Heinemann, Geschäftsführer der AGPF, AKTION FÜR GEISTIGE UND PSYCHISCHE FREIHEIT e.V. in Bonn, beleuchtete die Entwicklung der Scientology-Organisation in seinem Beitrag „Die Scientology-Organisation von ihren Anfängen bis heute – Entwicklungen und Perspektiven“. Heinemann verfügte über sehr umfangreiche Informations- und Aufklärungsseiten zu Scientology, die er in mehr als 40 Jahren zusammengetragen hat (leider abgeschaltet). Wie sehr er die Psycho-Organisation mit seiner Arbeit trifft, zeigen die Aktionen gegen ihn, die auch vor seiner Mülltonne nicht Halt machten.[80]

Unter dem Motto „Auf der Suche nach Spaß und Sinn: Trends jugendlicher Subkulturen“ spürte der frühere Vorsitzende Manfred Ach den Entwicklungen in der Jugendszene nach.[81]

 

Boston Church - eine neue „Mun-Bewegung“?

Aufgrund zahlreicher aktueller Anfragen, die im Verlauf der Zeit immer mehr zugenommen hatten und mehrerer konkreter Fälle, beschäftigte sich die Jahresfachtagung 2001 vom 29. Juni bis 1. Juli 2001 mit „Christlichen Sondergemeinschaften – Zwischen irregeführten Hoffnungen und Wahnreligiosität“.

Der Aussteiger Dr. Olaf Stoffel berichtete über seine Erfahrungen bei der Neuapostolischen Kirche. Er war siebzehn Jahre lang Mitglied der Neuapostolischen Kirche, davon neun Jahre als Priester. 

Über „Irrungen und Wirrungen in der sogenannten ‚christlichen Sektenszene'“ referierte Dr. Rüdiger Hauth aus Witten und zeigte dabei an konkreten Beispielen, dass sich hier eine Vielzahl unterschiedlichster Gruppierungen und Strömungen tummeln, die keineswegs „über einen Kamm geschoren werden“ dürften. Teilweise sei die Berufung auf christliche Grundlagen sogar nur Fassade für eine Mixtur aus fernöstlich-esoterischen und pseudochristlichen/neuoffenbarerischen Elementen.

Einen Schwerpunkt bildete die Beschäftigung mit der BCOC-Boston Church of Christ, einer vorgeblich christlichen Gruppe, die von ihrem Auftreten eher an die Mun-Bewegung in den 1970er Jahren erinnerte. Helmut Schmidt und Wolfgang Behnk stellten die Gruppe vor:

„Die Internationalen Gemeinden Christi‘ (IG Christi) gehen auf den Amerikaner Kip McKean (geb. 1954 in Indianapolis), zurück. 1971, während seines ersten Studienjahres an der Universität von Florida, kam er mit der studentischen Campusmission der – später so genannten – ‚Crossroads Church of Christ‘ in Gainsville/Florida in Kontakt, ließ sich taufen und wurde Mitarbeiter. Ihr Leiter, Charles H.Chuck‘ Lucas, hatte die in jenen Jahren neu aufgekommene Menschenführungsmethode eines Systems von ‚Jüngerschaftsbeziehungen‘ (Discipling oder Sheperding) übernommen und zur Grundlage seiner Gemeindearbeit gemacht. Jedem Jünger wurde ein mit ‚geistlicher und ethischer Führungskompetenz' ausgestatteter ‚Hirte‘ (Shepherd) oder ‚Jüngerschaftspartner‘ (Discipler) zugeordnet. So entstand die missionarisch aktive Crossroad-Bewegung', deren begeisterter Anhänger Kip McKean wurde.“[82]

Unter dem Motto „Zwischen Verzweiflung und neuer Hoffnung“ berichteten Aussteiger über ihre Erfahrungen in der Gruppe und mit ihrem persönlichen Ausstieg aus der BCOC. Einige Schlaglichter:

  • „Mir wurde eine ‚Freundschaft‘ vorgegaukelt, die nur dazu diente, mich für die Boston-Church gefügig zu machen und vor allem auch überwachbar zu machen! Der ‚Big Brother‘ Jüngerschaftspartner hat mein Vertrauen missbraucht und meine religiösen Empfindungen stark verletzt.“
  • „Abschließend kann festgestellt werden, dass sich die ICOC eines ausgeklügelten Führungs- und Informationssystems bedient. Ein unmenschliches und unfaires System, nach dem man vergeblich in der Bibel suchen kann. Nach den eigenen Maßstäben der ICOC muss diese Organisation (Jüngerschaftspartnerschaft und autoritäre Führungsstruktur) unbiblisch sein. Wer sich mit dieser Thematik näher befasst, der wird schnell darauf stoßen, dass das System ICOC bei der Mun-Bewegung (Vereinigungskirche) abgekupfert wurde und auch in anderen religiösen Extremgruppen und Kulten wiedergefunden werden kann.“
  • „Die Definition von Christsein der ICOC lautet: Wer den von der ICOC vorgegebenen Maßstab der Bibel akzeptiert hat und auch für wahr hält, Jesus zu seinem Herrn im Leben macht, sich in der ICOC taufen lässt und für die ICOC Menschen fischt, nur der ist ein Jünger und Christ. Das Fatale daran ist, dass alle anderen Christen hier herausfallen, weil mindestens ein ‚Kriterium‘ nicht zutrifft.“
  • „Sehr lange habe ich dann mit Leuten aus der Gemeinde geredet, an denen ich mir ein Vorbild nehmen wollte. Die haben dann den Kontaktabbruch zu den sich sorgenden Eltern angeraten bis zu Sätzen wie, ‚die Teens hätten es besonders schwer, weil Satan durch die Eltern arbeitet und die noch bei den Eltern wohnen müssten‘ oder ‚Satan hasst dich total, sei stolz drauf. Das zeigt, wie wichtig du für die Gemeinde bist.‘ etc...“[83]

 

Von Wurzelrassen und anderen kruden Theorien

„Weltanschaulich-gesellschaftspoltische Hintergründe von Theosophie und Anthroposophie“ bildeten das Schwerpunktthema der Jahresfachtagung 2002 (24. bis 26. Mai 2002).

Ihre „Erfahrungen mit der Waldorfpädagogik aus der Sicht von Schülereltern“ schilderte Sybille Jacob von der Initiative IZAAK aus Augsburg. Dabei stellte sie die Grundzüge der Waldorfpädagogik und die Praxis in Waldorfschulen vor und machte deutlich, dass aus ihrer Erfahrung die positiven Einschätzungen von der kreativitätsfördernden", alternativen", freiheitlichen" Pädagogik nicht zutreffend sind. Da sie aktiv am Aufbau einer Waldorfschule beteiligt war, verfügte sie über entsprechende Insiderkenntnisse und konnte eine entsprechende Innenansicht des Systems Waldorf" bieten, aus der sich die anfängliche Attraktivität erklärt. Warum gehen Menschen auf dieses Angebot ein? Wie entstehen im Schulalltag Konflikte? Wo finden die Lehren Steiners und anthroposophische Ideologie Eingang in den Unterricht?

„Es wird meiner Meinung nach eindeutig rassistisches Gedankengut den Kindern vermittelt. Zwar subtil und so, dass die Eltern das nicht unbedingt sofort merken. Wir haben das auch nicht gemerkt, weil ich die Hefte damals nie so genau angeschaut habe, weil die Kinder keine Schularbeiten oder nur wenig Schularbeiten aufbekommen haben. Dann habe ich mir die Hefte vorgenommen, und dann hat es mich fast umgehauen“[84], hatte Sybille Jacob schon früher ihre Kritik artikuliert.

Was sind die weltanschaulichen Grundlagen von Theosophie und Anthroposophie? Dieser Frage ging Dr. Rüdiger Hauth in seinen beiden Vorträgen nach und beleuchtete damit das ideologische Umfeld und die historische Entwicklung. Beides ist nicht nur zum Verständnis der Waldorfpädagogik erforderlich, sondern gerade die Theosophie ist ideologische Grundlage vieler esoterischer Strömungen bis hin zu „brauner Esoterik“ mit ihrem rassistischen Menschenbild.[85] Aus der Theosophie Blavatskys entwickelte sich die Anthroposophie Rudolf Steiners, deren teilweise rassistisches Gedankengut noch heute für Diskussionen sorgt. Im Vorfeld unserer Jahrestagung machten rassistische Vorfälle und die Verwendung eines Schulbuchs mit rassistischem Inhalt von sich reden.

„Seit circa zwei Jahren werden Geschichten uns zugetragen aus der Bundesrepublik Deutschland von antisemitischen Vorfällen an Waldorfschulen. Diese Vorfälle sind verschiedener Art, sie beinhalten zum Teil Gewalt gegenüber Kindern, sie beinhalten, aber auch verbale Gewalt: Du darfst nicht jüdisch sein, du sollst besser aufhören, Hebräisch zu lernen. Überhaupt: Gehe nicht in den jüdischen Religionsunterricht, der Holocaust war eine Notwendigkeit, um das Karma abzutragen, die Opfer sind nötig gewesen, und damit ist der Holocaust legitimiert.“[86]

Der Inhalt des Geschichtsbuches veranlasste das Familienministerium schließlich sogar ein Indizierungsverfahren einzuleiten.

„Das Buch für die Unterrichtsvorbereitung von Waldorf-Lehrern im Fach Geschichte heißt „Atlantis und die Rätsel der Eiszeitkunst". Es wurde von Ernst Uehli, einem Schüler des Waldorf-Begründers Rudolf Steiner, 1936 verfasst und 1980 neu aufgelegt.

Darin heißt es: ‚Der Keim zum Genie ist der arischen Rasse bereits in ihre atlantische Wiege gelegt'. Dagegen sei der ‚heutige Neger' ein „nachahmendes Wesen geblieben", während der ‚aussterbende Indianer' im Denken ‚greisenhaft' sei.

Der Staatssekretär im Familienministerium, Peter Haupt, sagte dem ARD-Magazin "Report", das Buch erfülle „zweifelsfrei einen Sachverhalt, der unter den Begriff der
Rassendiskriminierung fällt. "[87]

Prof. Dr. Franco Rest gab einen Einblick in die Grundlagen der Waldorfpädagogik. Der Erziehungswissenschaftler und Theologe verfügte nicht nur aufgrund seiner Vorbildung, sondern auch als ehemaliger Lehrbeauftragter an einer Waldorfschule und Vater von Waldorfschülern über entsprechende Insiderkenntnisse und praktische Erfahrungen. Er forderte zu einer „unverhohlen offenen Begegnung“ auf „ohne Trennendes zu verschweigen“. Er machte deutlich, dass entgegen anderslautenden Darstellungen die Waldorfpädagogik „eben ohne den anthroposophischen Hintergrund, wie er in die Pädagogik immer wieder einmündet, nicht zu verstehen“ sei. Ansonsten wäre sie „ein weltanschaulich uninteressantes, nur noch reformpädagogisches Experiment wie die Odenwald-Schulen...“[88].

Für ihn ist klar: „Steinerianische Waldorfschulen sind anthroposophische Weltanschauungsschulen; ohne Steinerianismus und Anthroposophie könnten sie reformpädagogische Gesamtschulen sein – sind sie aber nicht.“ Allerdings sei die „nahezu sklavische oder totale Abhängigkeit der Waldorfpädagogik von der Anthroposophie für viele Eltern kaum bzw. schwer durchschaubar.“[89]

„Toleranz ja – Ignoranz nein“,unter diesem Thema informierte Seminarrektor Wolfgang Hund von der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften) über „Fragwürdige pädagogische Wundermethoden“.[90] Er widmete sich dabei insbesondere der Edu-Kinestetik, die mit der Behauptung, bei Lernschwierigkeiten und anderen Problemen umfassende Hilfestellung zu leisten, Eingang in die Schulen (Lehrerfortbildung, Seminaren zur Lehrerausbildung) gefunden hatte. Deshalb sah bereits 1997 das Bayerische Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung die Notwendigkeit, sich kritisch mit der Edukinesiologie auseinanderzusetzen.[91] 

Hund fasste die Kritik an der Edukinesiologie/ Edu-Kinestetik folgendermaßen zusammen:

  • „Es handelt sich um eine esoterische Philosophie/Ideologie.
  • Irgendwelche Qualifikationen als Voraussetzung für die Ausbildung etwa zum ‚kinesiologischen Lernberater‘ sind nicht erforderlich.
  • Die Persönlichkeiten des Lehrenden und ‚Behandelten‘ werden vernachlässigt. Eine Anamnese (z.B. des Umfelds) findet nicht statt.
  • Unter Umständen erfolgt ein starker Realitätsverlust bei den Konsumenten bis hin zu pathologischen Zügen.
  • Eine starke Abhängigkeit des Konsumenten vom Anbieter (‚Gurutum‘) bzw. der Technik kann entstehen.
  • Die Muskeltestung ist rein subjektiv und kann manipuliert werden.
  • Es herrscht eine starke Immunisierungstendenz bzw. rigorose Abwehrhaltung gegenüber Kritikern; Merkmale sektenähnlicher/kultähnlicher Vereinigungen sind auch hier erkennbar.
  • Die grundlegenden Behauptungen zur Gehirnphysiologie stimmen nicht mit den gegenwärtigen Erkenntnissen überein. Teilweise wurde unzulässig verfälscht bzw. vereinfacht.
  • Die Hauptgefahr besteht nicht darin, was getan, sondern was unterlassen wird!“[92]

     
  • Führer-/Gurugläubigkeit
  • Die reaktionäre Auslegung der Karmalehre
  • Karmisch verbrämter Antisemitismus, dargestellt am Beispiel von Trutz Hardo

     
  • Was ist Fundamentalismus?
  • Kennzeichen des Fundamentalismus
  • Ideologie und absolute Wahrheit
  • Gegnerschaft
  • Autoritäten
  • Politische Erscheinungsformen des religiösen Fundamentalismus
  • Fanatisierung und Fundamentalismus
  • die anthroposophische Medizin mit esoterisch-mystischer Gedankenwelt,
  • die angewandte Kinesiologie und ihre Varianten mit simpler Vereinfachung und
  • die Geistheilung, die Probleme mit übernatürlichen Kräften lösen will.

Bei den turnusgemäßen Vorstandswahlen wurden Willi Röder als 1. Vorsitzender ebenso wie die 2. Vorsitzende Waltraud Westhoven bestätigt. 

Braune Esoteriker

Mit dem Thema „Rechte Energie in esoterischem Zeitgeist – Rechtsradikale und extreme Tendenzen in Esoterik und Satanismus“ befasste sich die Jahresfachtagung 2003 (23. bis 25. Mai 2003).

Willi Röders Vorgänger im Amt des EI-Vorsitzenden, Friedrich-Wilhelm Haack und Manfred Ach, gehörten bereits Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre zu den Ersten, die auf die Herausforderungen und Gefahren durch Blut-Boden-Mythen und rechte Rassereligionen hingewiesen hatten. Haack ging gemeinsam mit Ach einen anderen Weg als die meisten Analytiker der rechten Szene. Sie verwiesen auf einen bisher unbeachteten Nährboden: die religiösen Grundlagen rechtsextremer und rassistischer Ideologien. Auch der Nationalsozialismus speiste sich aus einem damals verbreiteten Neogermanismus, dessen Anfänge bis in das ausgehende 19. Jahrhundert zurückreichten.[93]

Diese Ideologien existieren nach wie vor und finden gerade über die neuen Kommunikationsmedien Internet und Social Media breite und unkomplizierte Verbreitungsmöglichkeiten. Braune Esoterik ist dabei keine unbedeutende Randerscheinung, sondern findet weite Verbreitung auch in Kreise hinein, die jegliche Einordnung im Bereich des Rechtsextremismus weit von sich weisen würden.

Willi Röder stellte „Wotans Wiederkehr – Rassereligiöse Wurzeln, dargestellt am Beispiel des Armanenordens“ vor.[94] Braunes Gedankengut, wie man es in Teilen der aktuellen Esoterik vorfindet lasse sich zumeist auf die Ausführungen von Helena Petrowna Blavatsky, der Gründerin der Theosophischen Gesellschaft, zurückführen. Guido von List und Lanz (von) Liebenfels haben auf dieser Grundlage ihr völkisch-rassistisches Weltbild entworfen, welches zum geistigen Leitfaden für den 1976 von Adolf Schleipfer gegründeten Armanenorden wurde. Die von ihm schon vor 1976 herausgegebene Zeitschrift „Irminsul“ diente dazu, in vierteljährlicher Erscheinungsweise das rechtsbraun-religiöse Gedankengut zu verbreiten. 


Dr. Roman Schweidlenka, Leiter des Grazer „eso-info“, Buchautor und profilierter Kenner der Szene, machte deutlich, wie sich „Rechte Energie in esoterischem Zeitgeist“ manifestiert. Neben der historischen Entwicklung von Blavatsky über die Ariosophie des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bis hin zum Nationalsozialismus, stellte er vor allem die Entwicklung ariosophischer und rassistischer Strömungen in der Esoterik seit 1945 dar. Kennzeichnende Merkmale dieser Strömungen sind demnach:

Mit der „Erleuchtung auf dunklen Pfaden? – Zu den Hintergründen und Erscheinungsformen brauner Esoterik“ setzte sich Dr. Matthias Pöhlmann, wissenschaftlicher Referent bei der EZW-Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, auseinander. Träume vom okkulten Übermenschen, Weltverschwörungstheorien und antidemokratische Theorien spielten eine wichtige Rolle. Grenzen verschwämmen teilweise. So zeichneten sich in Randbereichen der modernen Esoterik auch Überlappungen zur neuheidnischen Szene ab. Als Neugnosis biete Esoterik eine „eigentümliche Mischung aus esoterischer und revisionistischer Literatur, die von verschiedenen esoterischen Autoren wie Jo Conrad, Jan Udo Holey oder Armin Risi referiert und als Tatsachen, als Einblick in tiefere Zusammenhänge präsentiert werden. So würden „gängige esoterische Anliegen – wie neue Spiritualität, die Suche nach einer individuellen Bedürfnissen angepassten Religiosität – sowie die Abgrenzung gegenüber traditionellen Religionen, insbesondere die Kirchen- bzw. grundlegende Christentumskritik“ als Anknüpfungspunkte verwendet, „um sie dann in Verbindung mit antimodernistischen und weltverschwörerischen Gedankengängen als neue Weltsicht zu präsentieren.“  Dieser Mix erzeuge „ein Klima der Bedrohung. Diese Bedrohung kann jedoch, wie es heißt, nur mit einem esoterischen Überwissen, vermittelt über esoterische Lehrer, durchschaut werden.“


Unter dem Titel „Was ist Satanismus? – Der Versuch einer Beschreibung des Phänomens“ beschrieb Ingolf Christiansen, Beauftragter für Weltan-schauungsfragen des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Göttingen-Stadt und Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestages, die verschiedenen Erscheinungsformen des Satanismus: „Den“ Satanismus gebe es gar nicht, sondern er sei, „von seiner 'Philosophie', Weltanschauung und Ritual-Praxis her beurteilt, kein monolithischer Block, denn es gibt nicht nur eine, sondern vielzählige Vorstellungen und Seinsarten.“  Dabei stehe die „Selbstvergottung" des Menschen im Mittelpunkt. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge!“ Er berichtete über die Gefahren und Auswirkung die von einer „Ichaufwertung durch Ritualpraxis“ ausgingen, insbesondere wenn diese „in einer gesellschaftlich nicht tragbaren und häufig kriminellen Art und Weise“ ausgelebt werde. 

 

Dass die Grenzen hier fließend sind, machte der freie Journalist und Fernsehautor Dr. Rainer Fromm in seinem Vortrag deutlich, in dem er den „Neosatanismus zwischen Subkultur, politischem Extremismus und sexuellem Missbrauch“ beschrieb. Er legte dar, wie sich die „schwarze Jugendszene“ und Rechts-extremismus teilweise vermengen, wobei hier die Musikszene und das Internet eine wichtige Rolle spielten. Das Ergebnis seiner jahrelangen Recherchen fasste er später in seinem Buch „Schwarze Geister - Neue Nazis“ zusammen, in dem er diese Verflechtungen detailliert beschrieb.[95] 

Scientology ist es zwar nicht - aber dennoch kein Grund zur Entwarnung

Probleme, Auswüchse und die Notwendigkeiten einer gesetzlichen Regelung für den Psychomarkt standen im Zentrum der gemeinsame Jahresfachtagung von Elterninitiative und ADK im Jahr 2004 (21. bis 23. Mai 2004).

Die Bayerische Staatsregierung hatte erneut einen Gesetzentwurf zur Regelung von „Vertragsverhältnissen auf dem Gebiet der gewerblichen Lebensbewältigungshilfe und der Persönlichkeitsentwicklung“ eingebracht.[96] Während seitens der Bundesregierung sowohl in der aktuellen als auch der vorigen Legislaturperiode in diesem Bereich nichts unternommen worden war, hatte Bayern damit erneut eine Empfehlung der Bundestags-Enquete-Kommission aufgegriffen, die hier klare Regelungen angemahnt hatte. 

Bereits in der Zielsetzung, die dem Gesetzentwurf vorangestellt ist, werden die Problematik und das Erfordernis nach klaren Regelungen nochmals sehr deutlich.

Ziel ist es, zum Schutz der Verbraucher den Anbietern klare gesetzlich geregelte Verpflichtungen aufzugeben und für mehr Transparenz zu sorgen. Dies werde „auf die Dauer voraussichtlich einen Rückgang der unseriösen Anbieter auf diesem Markt bewirken.“ Ziel der Tagung war es, das Thema aus verschiedenen Facetten heraus zu beleuchten.[97]

„Hat das eigentlich was mit Scientology zu tun?“ Mit dieser Frage wurden wir regelmäßig im Rahmen unsrer Beratungs- und Aufklärungsarbeit konfrontiert. Der Markt der Angebote von Psychotrainings, Managementkursen und Methoden zur Persönlichkeitsentwicklung ist zwischenzeitlich unüberschaubar geworden. Scientology ist nicht zuletzt aufgrund der intensiven Berichterstattung über ihre Methoden ein Synonym für dubiose Angebote auf dem Psychomarkt geworden. Doch auch jenseits von Scientology existieren viele zweifelhafte Angebote. Wir versuchen immer wieder deutlich zu machen, dass die Tatsache, dass ein Anbieter nichts mit Scientology zu tun hat, deshalb kein Anlass zur Entwarnung ist. Im günstigsten Fall werden nur Erwartungen enttäuscht und der Teilnehmer hat sein Geld für ein schlechtes Produkt ausgegeben. Oftmals jedoch können derartige Angebote schwerwiegende Folgen für das berufliche und private Leben haben. Worauf es bei der Beurteilung ankommt, machten Udo Schuster und Bernd Dürholt in ihrem Vortrag „Wie Sie sich im ‚Supermarkt‘ der Anbieter von Psycho- und Persönlichkeitstrainings zurechtfinden können“.

Die Journalistin Bärbel Schwertfeger zeigte in ihrem Vortrag „Der Griff nach der Psyche – welche Folgen umstrittene Trainings und Therapieangebote haben können“. In diesem Rahmen beschrieb sie die Methoden, um Teilnehmer „mürbe zu machen“. Hierzu gehören unter anderem Verschleiern, strenge Regeln, Schaffen von Machtlosigkeit, Zermürbung durch stundenlange Sitzungen, wenig Schlaf etc., Kommunikationseinschränkungen, „intime“ Beichten, Gruppendruck und „neue Sprache“, Unterbinden von Kritik und Einsatz von Claqueuren. Die Folgen können ein aufgesetztes Selbstbewusstsein, Selbstüberschätzung, Konflikte mit Partnern und Kollegen bis hin zum psychotischen Schock sein. 

Wie hat sich „Die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zu neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften“ entwickelt? Dies erläuterte Prof. Dr. Ralf Bernd Abel, der sich als Rechtsanwalt und Mitglied der Enquete-Kommission seit Jahren intensiv mit rechtlichen Fragen aus allen Bereichen intensiv auseinandergesetzt hatte.

Ein Beispiel für „Psychotraining vermischt mit fernöstlichen Elementen
– Hannes Scholl/Ayura“ stellte Helke Koulakiotis von der Aufklärungsgruppe Krokodil vor. Sie und ihre Familie waren direkt betroffen. „…‘Der, der jemand anderen kontrolliert, bekommt dessen Lebensenergie‘, sagte Scholl einmal. Er kontrollierte uns und zog unsere Lebensenergie ab, wir sollten uns diese wieder von anderen Personen holen. Das haben wir auch kräftig geübt und dabei viele Menschen verletzt. Während wir an seinen Lippen hingen und auf alles, was ihm schadete, sehr emotional reagierten, konnte er selbst nur reagieren wie eine rhetorische Maschine, emotional war da nichts. Er glaubte, dass hinter jedem Menschen bösartige Psychologen, Psychiater und Sektenbeauftragte stecken, die ihm nie recht die Ehre gaben…“, schilderte sie ihre Erlebnisse.

Ein weiterer Vertreter dieser dubiosen Psychotechnik stellte Udo Schuster vor: „AVATAR® oder wie man sich seine eigene Wahrheit kreieren kann“Das AVATAR® Programm wurde von Harry Palmer, einem ehemaligen Geschichts- und Philosophiedozenten aus New York, zusammengestellt. Palmer kommt nach eigenen Angaben „aus dem Management" und war Berichten zufolge elf Jahre bei Scientology tätig.[98] Weitere Angaben über Palmers Lebenslauf gibt es nicht. Palmer selbst firmiert heute als „Gründer" der Stars Edge Inc. und als „Inhaber der Rechte" an den eingetragenen Warenzeichen seiner Gründungen.

 

Heilungsangebote - was steckt dahinter? 

Auf 30 Jahre unseres Bestehens konnten wir bei der Jahrestagung 2005 vom 24. bis 26. Juni 2005 zurückblicken.

Nachdem in der heutigen Zeit Heilungsangebote und Heilungsveranstaltungen inflationär geworden sind, widmete sich die gemeinsame Tagung mit der ADK dem Thema „Die Sehnsucht nach Gesundheit, Heil und Heilung“.[99] Die Sorge um die persönliche Gesundheit, Einschnitte im Gesundheitssystem, verbreitete Vorbehalte gegen die konventionellen und institutionalisierten medizinischen Angebote (oft polemisch als Schul- und „Apparatemedizin“ bezeichnet) lassen Menschen Ausschau nach alternativen, unkonventionellen oder „sanften“ Offerten halten. Immer mehr sind dazu bereit, zum Teil beträchtliche finanzielle Mittel für Heilung aufzuwenden und dabei auch mitunter erhebliche Risiken einzugehen. Verschiedene Methoden darzustellen und zu analysieren, war deshalb das Ziel der Tagung.

„Heil und Heilung in fundamentalistischen Bibelbewegungen“ stellte Pfr. Dr. Rüdiger Hauth vor. Das Thema „Heilung“ spiele seit einigen Jahrzehnten auch in christlichen Gemeinschaften fundamentalistischer oder pfingstlerischer Prägung eine Rolle und werde im Rahmen spektakulärer Veranstaltungen praktiziert. Die Methoden sind dem Bereich der der Glaubensheilung zuzurechnen. „Heilungsprediger“ stünden im Rampenlicht, die mit ihren umstrittenen Aktionen immer wieder die Kritik der traditionellen Kirchen und Freikirchen auf sich ziehen, wie Dr. Hauth an zwei Beispielen darstellte. Geschehe in einer bewusst erzeugten psychisch aufgeheizten Atmosphäre tatsächlich Bemerkenswertes, so werde dies „propagandistisch ausgeschlachtet; von den vielen Misserfolgen ist später nicht mehr die Rede“. Ärztlich bestätigte Berichte über dauerhaft Geheilte lägen nicht vor, und kritische Nachfragen seien nicht erlaubt. Nachdem sich diese „christlichen“ Heiler immer wieder auf die Bibel und das Heilungswirken Jesu beriefen, stellte Hauth deren Heilungsideologie den tatsächlichen biblischen Befund gegenüber. „Im Gegensatz zu den Geist- und Wunderheilern unserer Zeit wendet Jesus keine Techniken an; er ‚präpariert‘ die Menschen nicht durch hochtrabende Reklame oder Erzeugung einer seelisch erregten Hochspannung. Es gibt keine misslingenden Versuche, Suggestionen oder theatralische Show-Elemente.“ Der biblische Heilungsauftrag schließe „frei vagabundierende Geist- und Wunderheiler“ aus

 

„Okkultes und Esoterisches in der Medizin“ beschrieb die Medizinjournalistin Dr. Krista Federspiel. Sie hatte intensiv verschiedenste Heilungsmethoden analysiert und ihre Ergebnisse in ihrem Buch „Die andere Medizin“ zusammengefasst. Neben einem Überblick über medizinische Angebote mit esoterischem Inhalt, durchleuchtete sie speziell Homöopathie, Akupunktur, Bioresonanz und Wünschelruten. Dabei könne überprüft werden, ob eine Behandlungsmethode tatsächlich zur Heilung taugt. Was macht nun derartigen Methoden so attraktiv? Die Sprache der esoterischen Medizin sei die von Verheißungen und Beschwörungsformeln, sie appelliere an emotionale und spirituelle Sehnsüchte und knüpfe an die Vorstellung von einem harmonischen Gleichgewicht in der Natur und von der richtigen Beziehung des Menschen zu ihr an.

„Der Schlüssel dazu ist Gesundheit: angeblich ein natürlicher, ursprünglicher Zustand, den wir erreichen können, wenn wir ausgeglichen sind. Diese Idee ist hoffnungslos romantisch: Wir sind ‚von Natur aus‘ – das heißt, durch das eigene, biologische Immun- und Abwehrsystem – an das urbane Leben angepasst, wir können die biologische Uhr nicht zurückdrehen. Und die Ideen sind auch falsch: Von ‚Natur aus‘ entstehen in unserem Organismus Anspannung, Konflikt, Entspannung und Lösung. Ein Leben im Dauerzustand von ‚Harmonie‘ ist dem Organismus unmöglich.“ Besonders bedenklich werde es, wenn Krankheit „karmisch“ gedeutet werde und Beschwerden den Anstrich des Schicksalhaften (Karma) erhielten, das der Patient selbst heraufbeschworen habe. Hinter diesem Bild einer allumfassenden, kosmischen Ordnung versteckten sich oft menschenfeindliche Gedanken.

 

Die Risiken und Gefahren durch unseriöse Anbieter und Scharlatanerie auf dem alternativen Medizinmarkt erläuterte Dr. Roland Ziegler in seinem Vortrag „Alternativmedizin kritisch betrachtet“. Insbesondere Kinder würden vermeintlich „harmlosen natürlichen“ Mitteln mit dubiosem Hintergrund und teilweise fatalen Nebenwirkungen ausgesetzt. Als Beispiel benannte er die Anwendung von Afa-Algen zur Therapie von AD(H)S. Die „Aphanizonemon Flos Aquae-Algen wurden seit einigen Jahren verstärkt als ‚Alternativtherapie'u.a. gegen ADHS propagiert.“ Diese blaugrünen Cyanobakterien seien durchaus „in der Lage, hochtoxische und krebserregende Giftstoffe aus der Familie der Microcystine zu produzieren.“ Mit den „Wundermitteln“ könnten enorme Umsätze generiert werden. Dabei könnten teilweise Gewinnspannen von mehreren hundert Prozent“ realisiert. Derartige Produkte seien in der Bundesrepublik Deutschland häufig völlig legal im Verkehr.

 

Heil und Heilung im Gottesdienst präsentieren sich völlig anders, als die von Rüdiger Hauth präsentierten lautstarken Showheiler, die sich auf den Heiligen Geist berufen. Dies machte Pfr. Manfred Staude aus München deutlich. Es gebe einen Heilungsauftrag der Kirche. Menschen würden Heil und Heilung bei der Kirche suchen. Aber: „Im Gegensatz zu Heilungsgottesdiensten obskurer Gruppen ist es theologisch klar: Es gibt keine Garantie auf Heilung. Es ist eine Bitte an Gott um die Zuwendung Gottes. Diese besteht nicht zwangsläufig aus einer Heilung. Auch der kranke Mensch ist ja von Gott geliebt und nicht verworfen, denn Christus war krank und leidend.“ Der Gottesdienst, Zuspruch, Segen und Salbung seien wesentliche Elemente, nicht Show-Effekte.

 

Mit einer besonders obskuren, aber weitverbreiteten Methode befasste sich Prof. Dr. Klaus Weber unter dem Titel.„Hellingers Familienaufstellen – Dar-stellung und kritische Würdigung eines pseudotherapeutischen Dauer-schlagers“.

 

Neben den theoretischen Grundlagen erläuterte er die Aufstellungspraxis und kritisierte vor allem die fehlende Reflexion und Nachbearbeitung des Gesagten und Erlebten. Neben den Faszinationsmechanismen ging er auch auf Hellingers dubioses Weltbild ein. Insbesondere sein Verhältnis zu Hitler und dem Holocaust zeige „offenen Antisemitismus“.

 

Dass Hellinger auch sonst abstruse Theorien vertritt, machte Udo Schuster in seiner Einführung zu Hellinger deutlich. Bedenklich seien insbesondere seine Aussagen zu Kindesmissbrauch und zum Frauenbild. Wer Kindesmissbrauch als eine „Unausgeglichenheit von Geben und Nehmen" bezeichnet und davon spricht, dass „der Missbrauch dem Ausgleich eines Gefälles innerhalb der Familie diente", lasse Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz aufkommen. Schlimm seien die öffentliche Demütigung Hilfesuchender und seine Rechtfertigung sexuellen Missbrauchs. Inzest sei nur der Versuch, das Gefälle auszugleichen, das dadurch entstanden sei, dass man etwas vorenthalten oder nicht gewürdigt habe. Damit die von Hellinger propagierte Ordnung wiederhergestellt werden könne, müsse sich nun das Opfer vor dem Täter verneigen. Bei Hellingers Methode handele es sich eher um einen Teil der bunten Esoterikszene statt um seriöse Therapie. Problematisch sei es, dass für Hellinger Aufstellungen, bei denen Teilnehmer nicht gerade geringe Gebühren zahlen, öffentliche und vor allem auch kirchliche Räume zur Verfügung gestellt werden. Nicht wenige Hellinger-Therapeuten versuchten, mit Verweis auf diese Raumvergabe, damit ihrer wissenschaftlich nicht fundierten Methode Seriosität zu verleihen. 



 

Als nächste Sorge die zweite Generation

In Fortsetzung der Tagung 2005 beschäftigten wir uns 2006 mit der Frage der Auswirkungen auf die Jüngsten. „Esoterisches Heil für Kinder und Jugendliche?“ lautete der Titel der Tagung vom 19. bis 21. Mai 2006.[100]

Ist die „Festhaltetherapie nach Prekop wirksame Hilfe oder pseudo-wissenschaftlich verbrämte Kindesmisshandlung?“ Dieser Frage ging Udo Schuster in seinem Vortrag über eine umstrittene Methode nach, die insbesondere angewandt wird, um autistische Kinder gefügig zu machen. Prekop propagiere unter einem pseudotherapeutischen Ansatz, dass Eltern körperliche Überlegenheit gegen Kinder einsetzen sollen. Stundenlanges Festhalten gegen den Willen des Kindes sei eine abstoßende Form psychischer Gewaltausübung unter dem Deckmantel der Therapie. Nicht zu Unrecht bezeichne Claudia Goldner deshalb Prekops Methode als das „mit Abstand brachialste und vergewaltigendste Pseudoheilverfahren, das die Psycho- und Alternativtherapeutenszene bereithält.“[101].

Interessanterweise hat sie nach eigenen Aussagen auch Ansätze Hellingers integriert. Dessen nicht minder umstrittenes „Familienstellen nach Hellinger“ basiert auf einer ähnlichen autoritären Gedankenwelt, wie Prekops gewaltsame Festhaltetherapie.

 

Ingolf Christiansen stellte „Dark Wave – Lifestyle einer Jugendsubkultur“ vor. Er machte deutlich, dass eine Beschäftigung mit diesem Phänomen notwendig sei. Es zeige sich, dass die Schwarze Szene bisher wenig im Blickpunkt der Behörden scheint, „da die konfliktträchtigen Potentiale (Verbindung mit neofaschistoidem Denken und Handeln, Tötungsdelikte in Verbindung mit vampiristischen Vorstellungen, schwarz-/magisches Praktizieren von Ritualen usw.) nicht erkannt oder als nicht systemimmanent angesehen wurden.“ So seien teilweise Einflüsse aus der Neuen Rechten, völkische und faschistoide Tendenzen erkennbar. „Obwohl man den allermeisten Gothics Toleranzverhalten gegenüber ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen bescheinigen muss, ist die Szene trotzdem oder gerades deswegen nicht gefeit vor dem Eindringen völkischer und faschistoider Vorstellungen.“ 

Okkultismus, Satanismus, Vampirismus, Wicca würdenmit dem mehr oder weniger praktizierten Mystizismus vieler Gothics einhergehen. „Neben allen Formen spiritistischer Zukunftdeutungsmöglichkeiten üben Rituale aus dem Satanismus wie aus dem Bereich der Wicca-Kulte eine ‚magische' Anziehungskraft auf den esoterisch gepolten Goth aus. Obgleich natürlich nicht bestritten werden kann, dass ein Großteil der ‚Schwarzen‘ keine Nähe zu organisierten Formen der Okkultideologie suchen, so bleibt trotzdem ihre Ambivalenz gegenüber solchen okkultideologischen Organisationen bestehen.“

 

Dr. Matthias Pöhlmann von der EZW Berlin stellte dar, wie seit Ende der 1990er Jahre die Esoterik zunehmend Kinder in das Fadenkreuz ihrer Methoden genommen habe: „Indigo- und Kristallkinder – Die Esoterik entdeckt die Pädagogik“. So fänden sich in esoterischen Büchern und Zeitschriften, aber auch im Internet vielfältige Abhandlungen zur Diagnose und zum Umgang mit Indigo-Kindern. Ebenso gäbe es eine inzwischen unüberschaubare Zahl von einschlägigen Vortrags-, Workshop- und Seminarangeboten. Hintergrund ist, dass es ihr mit „der Indigo-Thematik gelingt, ein ernstes und weit verbreitetes Problem von Eltern mit verhaltensauffälligen Kindern aufzugreifen. Die Angst vor Psychopharmaka (z.B. Ritalin) im Fall einer ärztlich diagnostizierten ‚Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung‘ (ADHS), das erschütterte Vertrauen in die herkömmliche Medizin, aber auch der verständliche Wunsch, dass das eigene Kind nicht krank, sondern etwas Besonderes, Außergewöhnliches sein soll – genau an solchen Sehnsüchten setzen die Indigo-Interpretamente von Esoterik-Ratgebern an: Sie bieten neue, dezidiert unwissenschaftliche Diagnose- und Erziehungsmöglichkeiten mit einer esoterisch-weltanschaulichen Unterfütterung“. Es müsse kritisch hinterfragt werden, ob diese Erklärungsmuster tatsächlich geeignet seien, wirksam zu helfen. Zu klären sei auch, ob nicht die Gefahr bestehe, „dass ein ADHS-Krankheitsbild von Indigo-faszinierten Eltern als solches nicht akzeptiert, sondern esoterisch uminterpretiert wird? Mit der Folge, dass fachärztliche Hilfe, die für die Diagnose und weitere Behandlung unerlässlich ist, durch esoterisch motivierte Ressentiments gegenüber Medizin und Psychologie möglicherweise ausgeschlagen bzw. überhaupt nicht zu Rate gezogen wird – zum Schaden der betroffenen Kinder“. 

 

Nicht erst seit dem Todesfall der Anneliese Michel in Klingenberg beschäftigt das Thema Exorzismus die Öffentlichkeit. „Exorzismus – Wie teuflisch ist die Welt?“, dieser Frage ging Dr. Rüdiger Hauth in seinem Referat nach. 

 

Prof. Dr. Brigitte Rollett aus Wien befasste sich mit „Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung im Kindes- und Jugendalter und ihre Beeinträchtigung durch problematische Kultpraktiken“.  Problematische Gruppierungen griffen nicht nur in die religiöse Entwicklung ihrer erwachsenen Mitglieder ein. Kinder von Kultmitgliedern würden durch die spezifischen Erziehungsprogramme bzw. Verhaltensvorschriften nachhaltig geschädigt. 

 

Wie dies sich auswirken kann, zeigte Wilfried Handl, ehemals Chef der Scientology-Organisation in Österreich. Er berichtete in seinem Vortrag „Jugend in Scientology“ über die Situation von Kindern und Jugendlichen in der Scientology-Organisation. Er stellte klar, wie Scientologen Kinder sehen: „Hubbard und Scientology sehen – unabhängig von ihrem kruden Welt- und Menschenbild – Kinder nur als ‚Erwachsene in kleinen Körpern’. Nicht mehr und nicht weniger.“  Aus dieser Doktrin resultiere der Umgang von Scientology mit Kindern. Die Folge seien vernachlässigte Kinder von Scientologen, Kinder, die mit wenig oder keiner körperliche Nähe auskämen – und ihr einziges Heil in der „vorbeugenden Dianetik“ sehen würden. Er zitierte die Einschätzung des damaligen bayerischen Innenministers Günter Beckstein, der festgestellt hatte: „Das System Scientology zielt darauf, das natürliche Eltern-Kind-Verhältnis zu zerstören mit der Gefahr schwerster psychischer Schäden bei Kindern. Mit ihrer Roboterpädagogik zur Erschaffung einer kybernetisch gesteuerten Technokratie, also einem Cyberfaschismus, verletzt Scientology die Menschenrechte von Eltern und Kindern."[102]

 

Willi Röder und Waltraud Westhoven blieben bei den Wahlen 1. bzw. 2. Vorsitzende(r) der Elterninitiative.

 

Herausforderung Fundamentalismus

Immer wieder taucht in der Berichterstattung der Begriff des Fundamentalismus auf. „Religiöser – weltanschaulicher  – politischer Fundamentalismus und Fanatismus – Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung im 21. Jahrhundert“[103] war deshalb das Thema der Jahrestagung 2007 (18. bis 20. Mai 2007). Fundamentalistische Bestrebungen sind in allen Religionen vertreten. Udo Schuster stellte deshalb eingangs „Ursachen und Hintergründe von Fundamentalismus und Fanatismus“ vor. Fundamentalismus und Fanatismus seien keine exklusiven Erscheinungsformen einer Religion allein.  Nicht eine Religion erzeuge den Fundamentalismus, sondern der Mensch, der die religiösen Schriften, Traditionen oder Praktiken entsprechend auslege. Er beleuchtete das Thema unter folgenden Gesichtspunkten und brachte jeweils Beispiele aus einzelnen Religionen:

 

Ein Beispiel für „Fundamentalismus im Islam: Das 100-Moscheen-Programm der Ahmadiyya – politische Reaktionen, Bürgerbewegungen und Hintergründe“ zeigte Thomas Gandow vom Dialog Center International (DCI) auf. Nach außen hin stelle sich die Ahmadiyya oft als reformorientierte muslimische Gruppe dar. In Wirklichkeit sei sie fundamentalistisch. Aus politischer und gesellschaftlicher Sicht müssten ihre Strukturen und Anschauungen als demokratiefeindlich gewertet werden. Menschenbild und Praxis widersprächen dem Menschenbild und dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Frauenrechte würden schon heute missachtet, es werde auf die Aufhebung der Trennung von Staat und Religion gezielt, einschließlich Beseitigung der pluralistischen Demokratie und Religionsfreiheit. Denn die pluralistische Demokratie solle zu Gunsten eines islamischen „Gottesstaates“ (hakmiyyat Allah) überwunden werden, so Gandow. 

Mit „Fundamentalismus im christlichen Bereich“ beschäftigte sich Pfarrerin Annette Kick von der Landesstelle für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Landeskirche Württemberg in Stuttgart. Sie plädierte gegen eine Vermischung der Begriffe, wie sie jedoch immer wieder in der öffentlichen Diskussion vorkomme. Es sei sinnvoll, zwischen Evangelikalismus und Fundamentalismus zu unterscheiden. Plakativ formuliert: „Ein ‚ordentlicher' Evangelikaler ist für mich jemand, der keinen Buchstaben-Glauben hat, sondern für den die Beziehung zu Jesus Christus im Mittelpunkt steht und der die Bibel auch nach einer Mitte hin auslegt. Ein ‚ordentlicher’ Evangelikaler mag einzelne fundamentalistische Positionen vertreten, aber er vertritt seine Position nicht gegen alle Anderen, sondern kann auch andere Formen des Christseins neben sich dulden. Ein amerikanischer Fundamentalismusforscher hat eine Kurzdefinition für ‚Fundamentalist’ vorgeschlagen: A fundamentalist is an evangelical, who is angry about something. Amerikanische Fundamentalisten haben dem zugestimmt.“ Eine aggressive Art, die eigene Auffassung gegen alles andere zu verteidigen, gehöre zum Fundamentalismusbegriff.

Pfr. Dr. Wolfgang Behnk benannte ein Beispiel für „Fundamentalismus in sogenannten Sekten und Psychokulten am Beispiel der Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, die durch gesetzeswidrige Polygamie und Rassismus von sich reden machte.

Den „Fundamentalismus als Herausforderung für Kirche und Theologie“ beleuchtete Superintendent Dr.  Matthias Kleiminger aus Rostock.  Die Kirche habe das religiöse Deutungsmonopol bei etwa der Hälfte der Bevölkerung verloren. „Wir haben Konkurrenz bekommen (christliche Konfessionen, Sekten, religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Religionen, Zivilreligionen, Esoterik, Okkultismus, Spiritismus, Satanismus und Neuoffenbarungsgemeinschaften, private Lebenshilfeanbieter und viele andere).“ Nicht mehr die Kirchen entschieden, in welcher Weise der Bürger religiös sei, sondern der Bürger entscheide, inwieweit die Kirchen seine Religiosität mitformen könnten. Es sei ein „religiöser Flickenteppich“ entstanden. Dem Trend zur Verflachung der Religion ins Religiöse stehe der Trend zur „Fundamentalisierung der Religionen“ entgegen. Der angemessene Weg, auf Vertreter der verschiedenen Fundamentalismen einzugehen, sei der Dialog, aber auf Basis eines eigenen klaren Standpunktes. „Ein Verzicht auf eigenes Profil disqualifiziert für den Dialog. ‚Neutrale’ Zugänge zu anderen Religionen gibt es wohl nicht wirklich. Die Teilnahme an einem Gespräch über die Wahrheit einer Religion ist ohne eigenes Profil sinnlos und für niemanden von Interesse.“

Über Erscheinungsformen des „Fundamentalismus in fernöstlichen Bewegungen“ berichteteDr. Rüdiger Hauth aus Witten. Er beschrieb die wichtigsten religiösen „Fundamente“ des Hinduismus und die daraus abgeleiteten politischen Aktivitäten einiger radikaler Organisationen in Indien.  Er machte an zwei konkreten Beispielen deutlich, ob, und wenn ja, welche dieser Aspekte bei neureligiösen Bewegungen mit hinduistischem Hintergrund, die auch bei uns aktiv sind, eine Rolle spielen. 

Totalitäre Gruppen - wächst deren Einfluss?

„Von den ‚Neuen Jugendreligionen’ zu ‚Client Cults’ – Gewinnen totalitäre weltanschauliche und religiöse Gruppierungen unbemerkt an gesellschaftlichem Einfluss?"[104]  Die Entwicklungen in diesem Bereich und der aktuellen Situation wollten wir mit dieser Tagung im Jahr 2008 (23. bis 25. Mai 2008) ergründen. Nach wie vor drängeln sich die altbekannten Gruppen auf diesem Missionsfeld genauso wie deren Ableger und Splittergruppen, sowie zahlreiche Neugründungen. Neue Kommunikationsmedien wie das Internet spülen neue Erlösungsideen auf den Markt. Die „Eintrittsbarrieren" sind deutlich niedriger geworden als in früheren Zeiten. Was sich 20 Jahre vorher bei der Erarbeitung der „Findungshilfe Religion 2000" schon andeutete, ist Realität geworden. 

Der Soziologe Dr. Christian Ruch brachte es im Rahmen der Diskussion zu seinem Referat „Von der Kontingenz zur „communitiy“ – neue religiöse Bewegungen im Zeitalter der Weltkommunikation" auf den Punkt: „Man surft im Internet und wundert sich anhand der Sammelergebnisse der Suchmaschine, wer da alles Erlösungsphantasien anbietet!“

Er ging dabei „auf die zukünftigen Rahmenbedingungen, unter denen wir uns mit neuen religiösen Bewegungen befassen müssen" ein. Dies sei wichtig und notwendig, da es sich bei religiösen Organisationen um soziale Systeme handle. Diese bestünden in erster Linie aus Kommunikation. Neue Kommunikationsmedien wie das Internet würden die Kommunikation und damit die Struktur sozialer Systeme stark beeinflussen und verändern. Deshalb sei es unerlässlich zu betrachten, wie und unter welchen Bedingungen Kommunikation heute vonstattengehe. Er zeigte in diesem Rahmen neben der Analyse auch die Konsequenzen für das Spektrum neuer religiöser Bewegungen auf.

Im Vorfeld unserer Tagung sorgte ein Vorhaben des bekannten Schauspielers und führenden Scientologen Tom Cruise für Aufsehen. Er wollte für seinen Film „Operation Walküre" Aufnahmen in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, dem „Bendlerblock“ drehen. Als eine der wenigen stellte sich dem die Hamburger Bundestagsabgeordnete Antje Blumental entgegen.[105] Sie stellte dar, warum „Die Scientology Organisation – Eine latente Gefahr für unsere Demokratie" istPointiert benannte sie die Kritikpunkte und Gefahren von Ideologie und Methode gleichermaßen. Es ist bedauerlich, dass sie in der folgenden Periode aus dem Parlament ausgeschieden ist.

Mit dem in der Öffentlichkeit so kaum wahrgenommenen Phänomen „Rechtsradikalismus in der Esoterik: Verschwörungswahn zwischen grauen Männern, alten Ufos und der schwarzen Sonne" setzte sich der Fernsehautor und Publizist Dr. Rainer Fromm auseinander. Er beschrieb, wie „in einem skurrilen Mix aus rechtsradikalen Verschwörungstheorien, Schwarz-Weiß-Stereotypen und nicht verifizierbaren Vermutungen" esoterische Autoren die Behauptung verbreiten, „dass „Mächte am Werk sind, die unseren Planeten kontrollieren“. Es habe sich ein „Netzwerk Gleichgesinnter gebildet, die abwechselnd auf Tagungen, in Aufsätzen oder in zum Teil sehr erfolgreichen Buchveröffentlichungen" die Welt zu deuten versuchten. An konkreten Beispielen wie Joe Conrad, Jan van Helsing oder Armin Risi zeigte er eindrucksvoll auf, wie weltverschwörerisches Gedankengut, gemixt mit „karmischen" Erklärungsmustern, sich zu einem unheilvollen Gebräu rechten Gedankenguts mixten. Dies mag auf den ersten Blick nur verschroben klingen, aber auch die Ideologie des Nationalsozialismus basierte auf den gängigen Verschwörungstheorien der damaligen Zeit. Die „Karma-Erklärungsmuster" brauner Esoteriker gehen darüber sogar noch hinaus.

Einen Abriss über die Szene und bekannte Methoden gab Dr. Rüdiger Hauth in seinem Vortrag „Begegnung mit Esoterikern – Dialog und/oder Zeugnis?". Auch für das ganze religiös-weltanschaulich-esoterische Spektrum unserer Zeit gelte das Prinzip der „Pluralität“: „Heute schienen für viele Menschen nicht mehr oder weniger fest strukturierte Organisationen, wie sie in den 1970er und 1980er Jahren aufgetreten sind, sondern „das freie Feld der Esoterik die attraktivste Form der alternativen Spiritualität und Grenzerfahrung zu sein." Esoterische Heilsmethoden sind aus seiner Sicht mit einer „erkennbaren Weltanschauung und obskuren Ritualen verbunden". Die von den Vertretern der Szene behauptete Wirkungen könnten zwar in Einzelfällen subjektiv erfahren werden, seien aber wissenschaftlich nicht nachprüfbar und deswegen höchst umstritten.

„Ein Blick auf die aktuelle Entwicklung am Beispiel der Transzendentalen Meditation" vermittelte Pfr. Eduard Trenkel. Auch dort „setze" man auf das Thema Gesundheit und scheine Ayurveda als Betätigungsfeld zu entdecken. Ein von ihm zitiertes Gutachten des Regensburger Medizinsoziologen Prof. Dieter v. Schmädel machte allerdings deutlich: „Bei der angeblichen inhaltlichen Weiterentwicklung von Ayurveda speziell in der therapeutischen Praxis wird aber klar, dass es sich bei MA (=Maharishi Ayur-Ved(a)) nicht um eine Weiterentwicklung von Ayurveda handelt, sondern vielmehr darum, Ayurveda für ganz andere Zwecke zu benutzen.“[106]

 

Dubiose Heilungsversprechen kritisch beleuchtet 

Es war in den letzten Jahren zunehmend zu beobachten, dass immer mehr dubiose Anbieter auf dem Psychomarkt, Verschwörungstheoretiker und sektiererische Gruppierungen das Thema ADS/ADHS für ihre Zwecke missbrauchen. Beispielsweise seien hier die Scientology, Hellingers Familienstellen oder die gewaltsame Festhaltetherapie einer J. Prekop zu nennen. Generell spielt das Thema Gesundheit und Heilung eine zunehmende Rolle in diesem Bereich. Grund genug für uns, dieses Thema bei unserer gemeinsamen Jahresfachtagung mit der ADK vom 15. bis 17. Mai 2009 unter dem Titel „ADHS – All Das Hilft Selten – Heilungsversprechen auf dem Prüfstand" intensiv zu beleuchten.[107]

Die Religionswissenschaftlerin Alma Fathi, M.A. aus Berlin setzte sich mit dem „Krankheitsbegriff in esoterischen Weltanschauungssystemen" auseinander. Neben grundsätzlichen Überlegungen und Definitionen zum „Gesundheits-/Krankheitsbegriff" zeigte sie dessen gesellschaftlichen Wandel auf und veranschaulichte dessen Verwendung in esoterischen Ideologiesystemen. Hier spielten insbesondere Begriffe wie Ganzheit, Ganzheitlichkeit und sogenannte Ganzheitsmedizin eine hervorgehobene Rolle. Kritisch setzte sie sich auch mit der Psychologisierung von Krankheit auseinander, die in diesen Denkschulen nahezu alle Lebensbereiche durchdringe. Besonders problematisch sei, dass in Extremfällen hier der Erfolg einer Therapie von der Einstellung und vom Verhalten des Patienten abhängig gemacht werde. „Er wird verantwortlich für die tiefer liegenden Ursachen von Krankheit, bzw. für den Misserfolg (s)einer Therapie gemacht. Dadurch wird die Verantwortung für das Gelingen einer Therapie vom Therapeuten auf den Patienten übertragen." Krankheit werde „spiritualisiert". Besonders problematisch sei es, wenn Krankheit als selbstverschuldet, „individueller Konfliktherd" oder gar karmisch umgedeutet werde und damit Ursachen in einem „früheren Leben" gesucht würden. Diese Deutungsmuster hätten auch ethische Folgen, so z.B. „in der (un)bewussten Identifikation von gesund und brauchbar einerseits und der Verabsolutierung der Gesundheit als höchstes Gut auf der anderen Seite".

Einzelne „Alternativmedizinische Angebote und ihre ideologischen Hintergründe" konkretisierte Dr. Krista Federspiel aus Wien in ihrem Referat. Dabei ging sie als Beispiele detailliert ein auf 

Sie erläuterte ideologische Hintergründe, Diagnose und „Behandlung", Medikamente in der anthroposophischen Medizin und beurteilte die Eignung der einzelnen Ansätze zu einer wirksamen Krankheitsbekämpfung. Insbesondere im Bereich der Geistheilung wies sie auf die nicht unerheblichen Risiken hin, die mit der gleichzeitigen Wirkungslosigkeit, die sich in einem Test gezeigt hätten, einhergingen.

Über Sinn und Unsinn alternativer Heilverfahren zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung referierte Dr. Johannes Streif in seinem Beitrag „ADHS – All Das Hilft Selten". Als Diplom-Psychologe betreut er verhaltensauffällige Kinder und bietet ihnen und ihren Familien entsprechende integrierte Angebote an. Warum gerade das Krankheitsbild der AD(H)S „in besonderem Maße zu einem umworbenen Betätigungsfeld der vermeintlich alternativen Heilverfahren respektive ihrer ideologischen Vertreter" wurde, hat für ihn mehrere Ursachen:

  • Eine physische Störung (neurophysiologischen Ursache) gehe mit einem "sozial auffälligem Verhalten" einher.

  • Einzelne Symptome wurden schon vor Bekanntwerden der Krankheit psychologisch definiert und beschrieben und

  • vor allem trage die Einordnung des zur Behandlung eingesetzten Wirkstoffes Methylphenidat als Betäubungsmittel dazu bei.

     

Alternative Methoden, wie die Tiefenpsychologie, diverse Psychotechniken sowie die Homöopathie versprechen Hilfe ohne Medikation mit dem teilweise verteufelten Medikamenten. "Obschon zwischen der durch die deutsche Sozialgesetzgebung als Heilverfahren anerkannten Psychoanalyse und Homöopathie einerseits sowie esoterischen Geschäftsmodellen à la Kinesiologie und Bioresonanztherapie anderseits erhebliche Unterschiede in Konzept, Ethik und gesellschaftlicher Akzeptanz bestehen, verbindet sie dennoch ein ungerechtfertigter Anspruch auf Erklärung und Heilung nicht zuletzt der ADHS respektive ihrer Symptomatik." Auch hier taucht wieder das Allheilmittel Kinesiologie/Edu-Kinesthetik ebenso auf, wie das NLP (Neurolinguistisches Programmieren) oder Hellingers Familienstellen. Allen Psychotechniken sei ein Schema gemein:

  • Unspezifische Wirksamkeit bei ähnlichem Vorgehen / Anspruch der Ganzheitlichkeit
  • Angebliche schnelle und mühelose Wirksamkeit
  • Einfache Erklärungsmodelle für die Ursachen einer Störung sowie ihre Therapie
  • Basisorientierung statt Symptom- und Aufgabenorientierung (Anspruch, die exklusive Ursache einer psychischen Störung zu behandeln)
  • „Patient ohne Umwelt" – (Lebensbedingungen, Umfeld, Partnerschaf-ten, Bindungen werden nicht berücksichtigt)


Dr. Christoph Bördlein von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP) ging auf „So genannte Psychotechniken aus wissenschaftlicher Sicht am Beispiel NLP "ein. Er machte deutlich, warum NLP pseudowissenschaftlich ist und auf einem falschen Wissenschaftsverständnis basiere. In der tatsächlich wissenschaftlichen Untersuchung habe sich gezeigt:

  • „Berater, die ihr Repräsentationssystem ihrem Partner angleichen, sind nicht erfolgreicher als andere Berater.
  • Sie werden dafür aber (gelegentlich) als weniger glaubwürdig wahrgenommen.
  • Spezifische NLP-Techniken (wie etwa das ‚Ankern‘) sind nicht wirksamer als Scheinbehandlungen oder ‚Einfach abwarten‘.
  • Klienten von NLP-Beratern meinen (kurzzeitig) häufiger, sie hätten ihre Probleme überwunden, ohne dass dies objektiv der Fall ist. "


Zwar gäbe es Schlimmeres als NLP. Problematisch seien aber die Selbstüberschätzung als Kernmerkmal des NLP-Anhängers und ein vorhandener Machbarkeitswahn. Er konstatierte eine Nähe zur Esoterik, insbesondere zur Kinesiologie und kritisierte die Aufweichung von Standards, insbesondere der „evidence based practice" (Entscheidung aufgrund bewiesener Wirksamkeit).

Eine kritische Analyse von Heils- und Heilungsversprechen anhand konkreter Beispiele nahm Eduard Trenkel in seinem Referat mit dem Thema „Es gibt kein Unheilbar" vor. Gebe man dies als Suchbegriff im Internet ein, fände man schnell die zahlreichen Veranstaltungs- und Vortragsangebote des „Bruno-Gröning-Freundeskreises". Er stellte die ideologischen Grundlagen der Gruppe und ihre Methoden dar. Als weitere Beispiele für derartige Slogans benannte er das „Universelle Leben" oder die „Christliche Wissenschaft" (Christian Science) sowie Heilungsevangelisten aller Couleur. „Und wenn es nicht funktioniert?" – „Auch wer den Verheißungen Glauben schenkt, wird um die Frage ‚Warum werden dann nicht alle gesund?’ nicht herumkommen. Wenn Heilung nur eine Frage der –richtigen – Methode, des rechten Glaubens, der nachhaltigen Bewusstwerdung ist, warum gibt es dann nicht Heilung für alle?" Auf diese Frage hätten die meisten keine befriedigende Antwort.

Dr. Matthias Pöhlmann nahm anschließend unter dem Thema „Es gibt kein Unheilbar – Eine kritische Analyse von esoterischen Heils- und Heilungsversprechen" vor. In unserer religiösen Gegenwartskultur seien zwischenzeitlich Heilungsangebote und Heilungsveranstaltungen inflationär geworden. Die Sorge um die persönliche Gesundheit, Einschnitte im Gesundheitssystem, verbreitete Affekte gegen die konventionellen und institutionalisierten medizinischen Angebote (Reizwort: „Apparatemedizin“) ließen Menschen Ausschau nach unkonventionellen oder „sanften“ Offerten halten. Immer mehr seien in diesem Zusammenhang dazu bereit, zum Teil beträchtliche finanzielle Mittel für Heilung aufzuwenden und mitunter erhebliche Risiken einzugehen. Heilungsofferten spielten im Zusammenhang mit moderner Esoterik eine besondere Rolle. Dort dominiere ein Wunderglaube, der das Wirken nicht auf einen persönlichen souveränen Schöpfergott zurückführe, sondern auf höhere Kräfte, kosmische Energien, derer sich intuitiv Begabte bedienen und sie kanalisieren könnten. Es gelte oftmals der Slogan: „Alle göttlichen Heilungskräfte schlummern in Dir“. Als Beispiele beschrieb er unter anderem Aura-Soma und die „Germanische-Neue-Medizin“ Hamers. Abschließend stellte er Parameter auf, mit deren Hilfe esoterische Heilungsangebote überprüft werden sollten und die Hilfesuchenden eine Entscheidungshilfe an die Hand geben könnten.

„Gesundheit als „Christenpflicht!“ Für die Weltanschauungsbeauftragte Annette Kick der Grund, Heilungsbewegungen aus diesem Kontext kritisch zu hinterfragen. Dabei ging sie intensiv auf die „Wort- und Glaubensbewegung" und vor allem auf die Gemeinschaft „Wort und Geist" aus Röhrnbach (Niederbayern) ein. In der Bewegung habe sich das „’positive Denken’, eine Art Gedankenmagie, das wir vor allem aus der Esoterik-Bewegung kennen, hier mit pfingstlich-charismatischer Frömmigkeit verbunden." 

Zur Einschätzung dieser Vertreter eines Wohlstandsevangeliums zitierte sie den evangelischen Theologen und ehemaligen Hochschullehrer Manfred Seitz: „Hier liegt eine perfekt gemachte Destruktion des christlichen Glaubens vor.“ Unter der Berufung auf einige wenige Bibelstellen werde eine Lehre vertreten, die in ihrer Ausrichtung nichts mit dem biblischen Glauben mehr zu tun habe. Wie sehr hier die Ideologie des „positiven Denkens" in Vordergrund stehe, werde auch an einem Zitat von Kenneth Copeland deutlich:  „Du musst das Wort Gottes nehmen und die Bilder von Armut und Mangel in dir zerschmettern. Du musst sie durch eine Vision der überreichen Versorgung Gottes ersetzen. Dann werden mehr Dinge inklusive Geld zu dir kommen.“

Michael Hitziger schließlich berichtete zum Abschluss der Tagung über seine persönlichen Erfahrungen als Anhänger des Universellen Lebens.[108] 

Im Oktober 2009 setzte sich Rainer Fromm im Nachrichtenmagazin FRONTAL 21 kritisch mit "Wort und Geist" auseinander. Der Landshuter Gesprächskreis der Elterninitiative, der von Ursula Höft geleitet wird, bot und bietet Opfern der Methoden von Bauers Gruppierung eine Möglichkeit, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Betroffene berichten im Rahmen eines Treffens, bei dem auch das ZDF-Team anwesend war, über ihre Erfahrungen mit der Gruppe des sogenannten Völkerapostels. Auch Vertreter der Elterninitiative kamen dabei zu Wort.  Bereits im Rahmen unserer Tagung 2007 hatten wir uns mit „Wort und Geist“ befasst. Die Berichte über die dort angewandten Methoden und wie es hier zur Zerstörung von Familien gekommen ist, waren Anlass für uns, die Gruppe anlässlich der Jahrestagung 2011 intensiver zu beleuchten.

 

Beschleunigter Wandel in der Szene

Vor dem Hintergrund einer sich immer schneller wandelnden Szenerie beschäftigte sich die gemeinsame Tagung mit der ADK vom 2. bis 4. Mai 2010 mit dem Thema „Totalitäre Ideologien, Verschwörungstheorien und zweifelhafte Heilsversprechen"[109]und warf einen Blick auf verschiedene Angebote des „religiös-weltanschaulichen" Supermarktes. 

Eine Vermischung dubioser Pseudomedizin, esoterischer Erklärungsansätze, gepaart mit Verschwörungstheorien und rechtsextremem-antisemitischem Gedankengut stellt die „Neue Germanische Medizin" des rechtskräftig verurteilten früheren Arztes Ryke Gerd Hamer dar. Anlass genug für Alma Fathi M.A., „Die ideologischen Hintergründe der Germanischen Neuen Medizin" genauer unter die Lupe zu nehmen. Basis des Vortrages war eine umfangreiche Internetrecherche, da Hamer und seine Anhänger ihre kruden Thesen vor allem über das World-Wide-Web verbreiten. Die GNM besitze eine eigene Krankheitstheorie und spreche damit auch Menschen an, die rechtem Gedankengut anhängen. Vernetzungen im Internet mit rechtsextremen Parteien wie der NPD seien deshalb kein Zufall. Neben der Krankheitstheorie erklärte Fathi auch detailliert die antisemitischen Inhalte der GNM, die sich auf AIDS, die Chip(theorie) und Krebs erstrecken. Obwohl diese Ansichten vollkommen abstrus und dazu von abstoßenden antisemitischen Verschwörungstheorien geprägt sind, gibt es eine breite Anhängerschaft, die sich an zahlreichen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu Stammtischen trifft.[110]

Mit dem „Kreationismus zwischen Schöpfungsglauben und Wissenschaft" befasste sich Dr. Hans-Jörg Hemminger. Neben einem geschichtlichen Abriss erläuterte er die inhaltlichen Grundlagen und die Verbreitung kreationistischer Glaubensansätze.

Kreationismus und Intelligent Design sind durchaus verbreitet. Hemminger machte dies am Beispiel einer Umfrage unter Studienanfängern der Universität Dortmund 2006 deutlich, die ergab, dass 12,5 Prozent Zweifel an der Evolutionstheorie hatten. Selbst unter künftigen Biologielehrern fanden sich 5,5 Prozent Zweifler. Der Aussage, dass ein höheres Wesen den Menschen im Wesentlichen mit seinem jetzigen Aussehen geschaffen habe, stimmten 18 Prozent bzw. zehn Prozent zu. Auch unter Muslimen finde Evolutionskritik immer mehr Anklang. Sogar in der Gesamtbevölkerung ist die Evolutionstheorie keineswegs so unumstritten, wie es scheint. Zwar stimmen 61 Prozent der Deutschen Darwins Evolutionslehre zu, allerdings dominieren hier die Konfessionslosen, vor den Evangelischen und Katholischen, eindeutig. Während 86 Prozent der Konfessionslosen der Evolutionslehre anhängen, glauben seitens der evangelischen Christen dies nur 54 Prozent, bei den Katholiken sogar nur 49 Prozent.[111]

„Vom Umgang mit der Sinnfrage in Psychoszene und Religion" berichtete der Diplom-Psychologe Werner Gross, sachverständiges Mitglied der damaligen Enquete-Kommission, in seinem Referat „Wege und Holzwege der Sinnsuche".

Dabei ging er folgender Frage nach und beleuchtete die folgenden Punkte:

  • Was macht ein gutes/gelungenes Leben aus?
  • Religion, Weltanschauung + Sinnfragen
  • Ist-Zustand + Definitionen
  • Ebenen der Religion
  • Religiöse Erfahrungen: veränderte Bewusstseinszustände
  • Gesunde und krankmachende Religiosität
  • Thesen

  • Kritisches Informationsmaterial ist für jedermann leicht zugänglich.
  • Das Internet schützt nicht geistiges Eigentum. Alles ist jederzeit und fast überall „herunterladbar".
  • Der Dschungel der Kritiker ist schier unüberschaubar.
  • Die Zahl der Kritiker ist inzwischen größer als die der Befürworter. 

Besonders interessant waren seine Ausführungen, in denen er Unterschiede zwischen „Kirchen" und „Sekten" sowie Gemeinsamkeiten erläuterte und der Überblick über rund 850 Studien zum Thema „Macht Religion gesund oder krank?“.

Staatssekretär Markus Sackmann MdL, zugleich 1. Vorsitzender der ADK, berichtete über die „Bayerische Gesamtstrategie zum Schutz junger Menschen vor Extremismus aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe". Er ist der Arbeit der Elterninitiative seit Jahrzehnten verbunden und hat sich seit vielen Jahren, zuletzt als sektenpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, mit dem Thema Totalitäre Kulte und Bewegungen intensiv auseinandergesetzt. Er machte deutlich, dass generell eine noch stärkere Sensibilisierung und Aufklärung der gesamten Gesellschaft über die Gefahrenpotentiale extremer Gruppierungen erforderlich sei. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe biete das Bayerische Landesjugendamt Beratung und Hilfestellung für die örtlich zuständigen Jugendämter und Jugendhilfeeinrichtungen in fachlicher Hinsicht an. Diese Arbeit werde nun schon kontinuierlich seit den 1980er Jahren geleistet. Gleichzeitig stehe es auch den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar für Fragen rund um das Thema zur Verfügung.

Ein weiteres Standbein sei bereits seit mehr als zehn Jahren die Scientology-Krisenberatungsstelle beim Bayerischen Landesjugendamt, an die sich Scientology-Aussteiger, Betroffene, Angehörige und weitere Bezugspersonen wenden könnten.

Ferner habe das Bayerische Kultusministerium einen Kriterienkatalog erarbeitet, der Eltern helfen solle zu prüfen, ob eine Nachhilfeeinrichtung der Scientology-Organisation zuzurechnen ist oder nach deren Methoden arbeitet.[112] 

In einem zweiten Vortrag zeigte Dr. Hans-Jörg Hemminger, inwieweit „Dogmatik in der Esoterik" verbreitet ist. Sie verfüge durchaus über ein weltanschauliches Gerüst, das sich in fünf Themenbereiche zusammenfassen ließe (Aussagen zum Gottesbild, Menschenbild/Ziel menschlicher Existenz, Reinkarnation, Bewusstseinsstufen und Verhältnis Bewusstsein/Materie). Dogmatik sei nicht nur ein Phänomen in Sekten und Kulten, auch in der Esoterikszene, deren Anhänger sich als Individualisten und frei von religiöser Bevormundung wähnen, könne man diesen Hang zur dogmatischen Rechthaberei beobachten.


Scientology - Konflikt zwischen Deutschland und den USA - Hintergründe

Immer wieder kommt es zu Kontroversen zwischen Deutschland und den USA im Hinblick auf dem Umgang mit Scientology. Nicht nur die regelmäßige Erwähnung im Bericht des US-Außenministeriums, sondern auch die Enthüllungen über Interventionen amerikanischer Stellen in Hamburg belegen dies. Prof. Dr. Matthias Fifka, Dozent für Internationale Wirtschaft und Politik an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, hat sich intensiv mit „Scientology in Deutschland und den USA – Unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung und Beurteilung" befasst und seine Ergebnisse auch publiziert.[113] Er machte deutlich, dass allein das Wort Scientology bei den Menschen in Europa und den USA höchst unterschiedliche Assoziationen wecke.

Während man in den USA recht entspannt bei Scientologen als einer „Gruppe celebrities um Tom Cruise herum" denkt, die ein bisschen wie Aliens wirkten, also etwas „strange“ und „mysterious“ erschienen, seien die Meinungen in Deutschland und dem übrigen Europa weniger entspannt. Hier denke man bei Scientology zuerst an Begriffe wie Sekte, Gehirnwäsche, an sehr viel Geld und an psychische und emotionale Abhängigkeit.

Der rechtliche Rahmen in Deutschland und den USA sei darüber hinaus in Bezug auf Religionsgemeinschaften unterschiedlich. Darüber hinaus hätten laut amerikanischer Verfassung alle Bürger das Recht, selbst staatsfeindlichen Organisationen beizutreten (zum Beispiel auch neonazistischen Organisationen).

Ferner gebe es ein Spannungsfeld eines unterschiedlichen Selbst- und Staatsverständnisses zwischen Deutschland bzw. Europa und den USA, das sich im unterschiedlichen Umgang mit derart umstrittenen Gruppen wie Scientology besonders deutlich manifestierte. Allerdings seien die modernen Zeiten mit ihren kaum zu kontrollierenden Informationsangeboten „Scientologys Vietnam"[114] 

Sehr problematisch für Scientology sei, kurzgefasst, Folgendes:

Die Vorstandswahlen bestätigten Willi Röder und Waltraud Westhoven als Vorsitzende. 

Wie entwickelt sich die Szene weiter?

„Ein Land voller Propheten" betitelte die Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen eine Artikelserie über die religiöse Situation in Deutschland. Und tatsächlich: Sprach man noch vor zehn Jahren in Bezug auf das 21. Jahrhundert vom „Ende der Religion", sind neuere Untersuchungen dazu in der Lage, einen vom Gegenteil zu überzeugen und deuten auf eine „Wiederkehr des Religiösen“ hin. Manche sprechen gar vom „Modethema Religion“. Die religiöse und weltanschauliche Szene ist aber vielfältiger geworden. „Patchwork-Religiosität" ist ein Schlagwort. Krude Theorien aller Art finden ein interessiertes Publikum. Beratungsanfragen betreffen ein breites Spektrum von Gruppen und Angeboten unterschiedlichster Provenienz. Grund genug, um uns bei unserer Jahresfachtagung 2011 (13. bis 15. Mai 2011) mit dem Thema „Weltanschauungen, Ideologien und Religionen im 21. Jahrhundert. – Was kommt auf uns zu?" auseinanderzusetzen.[115]

Mit dem Vortrag von Dr. Vladimir A. Martinovich, Leiter des Zentrums für Studien der neuen religiösen Bewegungen in Weißrussland aus Minsk, über „Die aktuelle Entwicklung im Bereich totalitärer Kulte im osteuropäischen Raum" blickten wir bewusst über Deutschland hinaus. Er beschrieb 16 verschiedene Grundtypen von Kulten, die in der Region auftreten, ihre Herkunft und Wirkungsbreite sowie die Rolle der Massenmedien in diesem Zusammenhang im Hinblick auf Berichterstattung und Beurteilung derartiger Gruppierungen.

Grundsätzlicher Natur war der Vortrag von Dr. Christian Ruch, der sich mit der Frage „Weltanschauungen, Ideologien und Religionen in der Postmoderne – was kommt auf uns zu?" befasste. Eine wichtige Rolle bei der Untersuchung dieses Themas spielten die „Sinus-Milieus-Studien". In der aktuellen Studie würden zehn verschiedene Milieus unterschieden. Er stellte sie und ihre Positionierung zu Religion und Weltanschauung in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Untersuchungen seitens der katholischen Kirche hätten gezeigt, dass diese nur noch in drei Milieus überhaupt verankert sei, für die evangelische Kirche sei Ähnliches zu erwarten. Neben Anlehnung des Religiösen oder Gleichgültigkeit seien dort, wo solch eine Gleichgültigkeit nicht besteht, „schier endlose Varianten von postmodernen religiösen Vorstellungen – eben: „anything goes" auch dort anzutreffen, wo Menschen sogar formal noch einer Kirche angehörten. Als Beispiel benannte er eine Untersuchung aus der Schweiz, die deutlich machte: „Das Bekenntnis einer Person zu einer Kirche (…) zeugt weder von der exklusiven Loyalität (…), noch davon, dass die Glaubensinhalte (…) bekannt sind und gelebt werden. Dies belegt besonders anschaulich der von Esoterik, Theosophie und Buddhismus vordringende Glauben an die Reinkarnation."

Fazit seines Ausblicks zum Schluss:

  • Entkirchlichung auf der einen, zunehmendes Interesse an Religion auf der anderen Seite.

  • Keine Wiederkehr der Religion, sondern ein quantitativ zwar schwächerer, aber dafür schärferer Fundamentalismus.

  • Pachtwork-Religiosität wird als der Spiritualität weiter wichtig werden. Wenn aber alles geht und alles beinhaltet sein kann, stellt sich die Frage, ob Religion überhaupt noch als solche erkennbar ist.

     

     

Strukturvertriebe und Schneeballsysteme: Der Beruf als Weltanschauung.  

Ist das eine Sekte? Diese Frage wurde und wird uns oft auch im Zusammenhang mit Strukturvertrieben und Schneeballsystemen gestellt. Und in der Tat ist in derartigen Unternehmungen oftmals zu beobachten, dass neben dem Verkauf auch Ideologie eine Rolle spielt. 

Die Rolle von „Ideologie im Multi-Level-Marketing" arbeitete bei der Tagung Dr. Claudia Gross vom Institute for Management Research - Radboud Universiteit aus Nijmegen in den Niederlanden heraus.

Am Beispiel einer Fallstudie über Amway machte sie deutlich, was Unternehmens-ideologie bedeutet („Unternehmensideologie = Weltanschauung in Unternehmen, die dazu dient, Mitglieder zu motivieren, zu kontrollieren und eng an das Unternehmen zu binden") und stellte dar, was daran problematisch ist:

„Weil manche Mitglieder...

  • sich von Freunden und Familie trennen, um ihre (Frei-)Zeit nur noch mit anderen ‚Amwayanern‘ zu verbringen

  • regelrecht missionarisch tätig sind

  • Kritiker des Unternehmens verunglimpfen

  • ihr ganzes Leben auf das Unternehmen ausrichten" 


Inwieweit Unternehmensideologie problematisch und riskant sei, hänge von mehreren Faktoren und der Intensität ihrer Ausprägung ab:

  • Welchen Umfang hat sie und wie viele Lebensbereiche werden erfasst (Arbeit, Glaube, Freunde, Partnerschaft)?

  • Welche Reichweite hat sie? Welche Versprechen werden gemacht? Welcher Art „Ideale / Erlösungshoffnungen" werden transportiert?

  • Liegt eine Geschlossenheit des Weltbildes vor?

  • Gibt es gar eine Exklusivität des Weltbildes?

  • Bindungsgrad der Mitglieder untereinander?

  • Wie stark erfolgt eine Abgrenzung von anderen (Außenstehenden)?

Diese Fragen erklären auch, warum immer wieder die eingangs erwähnten Nachfragen besorgter Bewerber, Mitarbeiter, deren Freunde und Angehöriger kommen, wenn jemand für solche Unternehmen tätig ist oder sein will.[116] 

 

Wort und Geist - Eine Sekte wie in den 1990er Jahren - neu aufgelegt?

Während die einen Wohlstand und Glück mittels Strukturvertrieb versprechen, tun es andere durch ein „Wohlstandsevangelium". Ein schillernder Vertreter dieser Zunft ist der sogenannte Völkerapostel Helmut Bauer. „Die Wort-und-Geist-Bewegung – Lehre, Praktiken und Hintergründe" erläuterte Anette Kick aus Stuttgart. 

Die Lehre der Gruppe sei eine Ideologie, die den Anhängern den Eindruck vermittle, dass es Wege und vermeintlich sichere Methode zu Glück, Erfolg und Heilung gäbe. Inzwischen habe sich Wort+Geist weiterentwickelt und noch mehr radikalisiert. „Die Wort- und Glaubenslehre wurde ersetzt durch eine noch simplere Liebeslehre und –praxis, für die die Ehe als überwunden gilt. Und vor allem wurde die Rolle des Gründers, Helmut Bauer, weiter gesteigert; zunächst habe er 2008 seinen Stand als ‚Völkerapostel‘ eingenommen. Inzwischen wurde er in einer vorweihnachtlichen Predigt von Halterhoff als der ‚Christus im Fleisch’ bezeichnet, nachdem der Prediger sich zunächst über die dummen Erwartungen der Christen lustig gemacht hatte, die einen kommenden Christus erwarten." Dies und andere Vorkommnisse führten dazu, dass sich warnende Stimmen, auch aus dem Lager von evangelischen Freikirchen, charismatischen Gruppen und der Pfingstbewegung mehrten. So berichtete Idea Spektrum am 9. Dezember 2009: „Im Bann des Heilers. Wie aus einer Freikirche eine Sekte wurde." [117] 

Und in der Tat, während bei manchen Gruppen, mit denen wir uns in den 1970er und 1980er Jahren auseinandersetzen mussten, eine gewisse Entradikalisierung zu beobachten ist, scheint „Wort und Geist" den umgekehrten Weg zu gehen. Es ist eine Gruppe, auf die der theologische Sektenbegriff genau so treffend angewandt werden kann, wie auf die Zeugen Jehovas, um ein anderes Beispiel zu nennen. Von der Art und Weise der Verehrung für Helmut Bauer erinnert Vieles an die Messiasverehrung eines Reverend Mun von der Vereinigungskirche. Die Bezeichnung als „Führer einer Nation"[118] spricht für sich und zeigt die grenzenlose Überhöhung Bauers, wie sie auch bei anderen Gurukulten zu finden ist. Kick plädierte jedoch dafür, sich generell die „Wort- und Glaubensbewegung" mit ihrem Wohlstandsevangelium genauer anzusehen und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. 

Man wundert sich, dass so manche krude Verschwörungstheorie so viele Anhänger hat. Dr. Christian Ruch ging deshalb der Frage nach: "Was fasziniert an Verschwörungstheorien?"

Sie seien kein Phänomen unserer Zeit, sondern existierten schon seit Jahrhunderten. Allerdings habe sich durch die neuen Medien, vor allem das Internet, die Verbreitungsgeschwindigkeit enorm erhöht. Sie seien „Symptome von Unsicherheit und Angst, treten also vor allem in Krisenzeiten auf". Beispiele seien die Behauptung, die Juden hätten Brunnen vergiftet und seien deshalb für die Pest verantwortlich (14. Jahrhundert), der Hexenwahn basierend auf lokalen Verschwörungstheorien, die „Protokolle der Weisen von Zion" (Anfang 20. Jahrhundert) oder zu den Anschlägen des 11. September (nine-eleven jetzt im 21. Jahrhundert).

Ursachen sind seiner Auffassung nach 

  • als undurchschaubar komplex, sogar als permanent krisenhaft oder zumindest riskant, empfundene Lebensverhältnisse in der postmodernen Gesellschaft (Stichwort Risikogesellschaft – „Nichts ist heute mehr sicher, weder der Arbeitsplatz noch die Beziehung"). 

  • Ereignisse von überregionaler Bedeutung würden „fast nur noch via Massenmedien wahrgenommen… wobei die Fähigkeit, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden, tendenziell eher abnimmt."

  • Das Aufkommen des Internets habe „sehr dazu beigetragen, die Verbreitungsgeschwindigkeit von Verschwörungstheorien immens zu erhöhen.“


Detailliert ging er auf einzelne Theorien ein, wie z.B. "Illuminaten" und "9/11". Besonders bei Letztgenannter träten wieder antisemitische Tendenzen zu Tage. Der enorme Verbreitungsgrad werde deutlich, wenn man sieht: „Es haben sich rund 50 Hypothesen mit wiederum zahlreichen Varianten entwickelt, die auf rund einer Million Webseiten, in Büchern und Filmen verbreitet werden."

Er plädierte dafür, nicht die Verschwörungstheorien als solche ernst zu nehmen, aber den Menschen, der sie glaubt. Er werde nämlich "anfällig für simple Erklärungen, aber auch für die Benennung von Sündenböcken." Gerade die deutsche Geschichte sei ein ebenso beklemmendes wie geeignetes Beispiel dafür.

Will man eine Ideologie verstehen, muss man sich auch mit deren Umfeld auseinandersetzen. Auch dann, wenn es keine genuine Religion oder Weltanschauung ist. Wie sehr auch in kommerziellen Organisationen Ideologien eine Rolle spielte, hatte ja der Vortrag von Dr. Claudia Gross deutlich gemacht.

Der Prototyp einer eiskalten Erfolgsideologie ist zweifelsohne die Scientology-Organisation von Hubbard und seinem Nachfolger Miscavige. Um ihre Grundlagen und die unterschiedliche Beurteilung zu verstehen, referierte Wilfried Handl über das Thema: Wie „amerikanisch“ ist Scientology – Wie „scientologisch" ist Amerika? – „Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Scientology und den USA?" Handl meint ja. Er begründete dies wie folgt:

  • „Da wäre einmal ein prinzipieller Aspekt: Beide agieren mehr oder weniger auf der Grundlage des Sozialdarwinismus nach Herbert Spencer – „Survival oft the fittest“, nur der Starke überlebt. Scientology ausschließlich, die USA abgefederter.

  • Beide setzen auf vereinfachende Schwarz-Weiß-Zeichnung: Entweder ist man für oder gegen einen!

  • Und um die Antwort vorwegzunehmen: Amerika stellte den idealen Nährboden für Scientology dar.

  • Amerika wiederum ist ein Opfer seiner eigenen Doktrinen geworden."


Scientology-Aussteiger Handl unterstellte nicht, dass die amerikanische Bevölkerung scientologisch eingestellt sei, aber „ihre Regierungsbehörden sind sich lediglich selbst in die Falle gegangen.". Er beleuchtete in diesem Zusammenhang einerseits die bekannten Verflechtungen zwischen Scientology und Hollywood, aber vielmehr noch die weniger bekannten zwischen Scientology und politischen und staatlichen Entscheidungsträgern in den USA, was nicht zuletzt auch mit den nahezu unendlichen finanziellen Mitteln der Organisation und dem amerikanischen Spendenwesen zusammenhängt.

Es gibt eine braune esoterische Szene, durch die rechtsextremes Gedankengut in Kreisen gesellschaftsfähig wird, wo man es eher nicht vermutet und die dies selbst weit von sich weisen würden. Während rechtsextreme Parteien, wie NPD, DVU und Republikaner seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder auftauchten, wird der Bereich des esoterischen Rechtsextremismus und Rassismus so gut wie nicht beachtet, obwohl er wesentlich breitere Bevölkerungsschichten anspricht als die alten und neuen Nazis.

Der Esoterikmarkt stellt einen ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor dar. Gerade mit esoterischer Literatur werden heute Milliardenumsätze getätigt. Experten zufolge sei etwa ein Viertel davon, rechtsextremem und rassistischem Gedankengut gegenüber offen eingestellt. Noch verbreiteter sind diese antidemokratischen Ideen im Internet zu finden. Bereits im Rahmen einer früheren EI- Jahrestagung, hatten die damaligen Vorstandsmitglieder Friedrich-Wilhelm Haack und Manfred Ach auf einen „regelrecht rechtsreligiösen Untergrund" hingewiesen und den harten Kern deutsch-völkischer und neugermanisch-religiöser junger Menschen auf etwa 10.000 Anhänger geschätzt.[119]


Der kaum beachtete Rechtsextremismus - Braune Esoteriker

Grund genug, uns bei unserer Jahrestagung 2012 (11. bis 13. Mai 2012) gemeinsam mit der ADK mit Aspekten und Informationen zu beschäftigen, die in der bisherigen öffentlichen Diskussion kaum Berücksichtigung finden. „Rassismus im neuen (?) Gewand – Braune Esoterik, Verschwörungstheorien, Blut-, Boden- und Rassereligionen" lautete das Thema.[120]

Geschichtliche Grundlagen und aktuelle Bezüge zur Gegenwart erläuterte Manfred Ach, der sich mit der „Ariosophie – Die völkische und rassereligiöse Szene als Grundlage für die Weltanschauung und die Politreligion des Nationalsozialismus" auseinandersetzte. Er erläuterte zunächst, was unter Ariosophie zu verstehen ist und benannte deren führende Vertreter (Lanz „von" Liebenfels, Guido „von" List) und warf dann Schlaglichter auf deren historische Entwicklung parallel mit der Betrachtung des Lebenslaufs von Adolf Hitler vor 1923, dessen Gedankenwelt wesentlich von dieser Anschauung geprägt wurde. Manfred Ach hat ein sehr interessantes Buch über die Entwicklung Hitlers vor 1923 geschrieben, ein Zeitabschnitt, der sonst in der historischen Forschung eher zu kurz kommt.[121]

Das Religion im Rechtsextremismus eine wichtige Rolle spielt, machte Dr. Stefan von Hoyningen-Huene, Lehrer und Religionssoziologe aus Göttingen, deutlich, der sich „Zur Bedeutung von Religion für die rechtsextremistische Ideologie" insbesondere bei Jugendlichen äußerte. Neben der Begrifflichkeit und Funktion von Religion zeigte er die Entstehung rechtsextremer und religiöser Identität auf. Er machte deutlich, wo Schnittstellen von politischer und religiöser Orientierung liegen (Sinnfragen, Identität, Orientierung). Im Rahmen seiner Forschungen hatte er die Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen (Gottesvorstellungen, religiöse Symbole, Rituale, Mystifizierung) untersucht und stellte den Einfluss von Religion auf die rechtsextreme Ideologie dar. Er machte anhand hörbarer Beispiele deutlich, dass die Musikszene hier eine nicht zu unterschätzende Rolle spiele. Religion stütze die politische Ideologie. Die Übernahme geschlossener Weltbilder bei derartig orientierten Jugendlichen schließe „mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Übernahme religiöser Vorstellungen ein. „Hier wie da geht es um die Beantwortung von Sinnfragen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich?“

„Heuschrecken, Gier und Weltverschwörung: Antikapitalismus und das antisemitische Ressentiment“ war das Thema von Lothar Galow-Bergemann, Publizist und Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft aus Stuttgart. Er erläuterte grundsätzlich, was Ressentiments seien und ging speziell auf das des „regressiven Antikapitalismus" ein. Antikapitalismus muss zwar nicht, wie so oft in der Vergangenheit, Antisemitismus sein (Stichwort: „Weltverschwörung des jüdischen Finanzsystems"), aber die Mechanismen können die gleichen sein. Eine Aussage wie: „Wir ehrlich Arbeitenden und Betrogenen hier unten, und die Abzocker und Heuschrecken da oben“ sei zwar oberflächlich nachvollziehbar, wenn man allerdings daran denke, dass bereits im NS-Propagandafilm Jud Süß die Juden schon als Heuschrecken bezeichnet wurden, gelte es, innezuhalten und sein Urteil nochmals zu überdenken. Er machte deutlich: „Fest stehen aber auf jeden Fall die ausgeprägte Anschlussfähigkeit und die große Nähe zwischen regressiv-antikapitalistischem Ressentiment und Antisemitismus sowie die fließenden Übergänge zwischen beidem." Es entwickle sich eine schiefe Ebene, in der der Antikapitalismus sich zum Antisemitismus ausprägen könne – mit der „Gefahr, irgendwann in diesen Sumpf abzurutschen, aber es gibt glücklicherweise keinen entsprechenden Automatismus". Er plädierte deshalb in der Auseinandersetzung dafür, Kapitalismus richtig(er) zu kritisieren und beschrieb abschließend seine Vorstellung einer Kapitalismuskritik mittels eines reflektierten Antikapitalismus.

Ist das Thema „Ökologie" gegen rechtsextreme Bestrebungen gefeit? Mitnichten, zeigte der freie Journalist Peter Bierl aus München auf. Er erläuterte das „Feindbild Mensch - Ökofaschismus, Esoterik und Biozentrismus und ihre Verbindungslinien"

Zwei wichtige Begriffe im ökofaschistischen wie esoterischen Spektrum seien „ganzheitlich“ und „organisch“. Wurzeln der deutschen Ökobewegung seien nicht nur im Nationalsozialismus, der das Thema lediglich wieder aufgegriffen hatte, sondern in den völkischen und nationalen Bewegungen der Kaiserzeit am Ende des 19. Jahrhunderts zu finden. Damals wurde ein ganzheitliches Weltbild propagiert – ein organisches Weltbild, in dem Mensch und Natur eine Einheit bildeten und Geschichte einem determinierten Weg zur Herausbildung einer reinen und überlegenen Rasse folgt. Natur und Mensch in Einheit zu bringen, erscheint nicht zwangsläufig braun unterfüttert. In Verbindung mit Sozialdarwinismus und pseudowissenschaftlicher Rassenlehre, gepaart mit einem eurozentrischen Historizismus, entsteht aber eine faschistische Ideologie, geprägt von Ausschlussdenken und Herrenmenschenfantasien. Erschreckend an dem Denken einiger biozentristischer Strömungen heute ist ihre Auffassung, dass es zu viele Menschen gebe und die Bevölkerung der Erde drastisch reduziert werden müsse. Ein weiteres konstantes Element ökofaschistischen Denkens sei die Eugenik. Bierl beschrieb die geschichtliche Entwicklung von der Kaiserzeit bis heute und vor allem die in der heutigen Zeit tätigen Richtungen und ihre Wurzeln. 

Auch eine weitere ideologische Richtung darf im Zusammenhang mit unserem Tagungsthema nicht außer Acht gelassen werden, der sich ebenfalls Peter Bierl widmete. Er berichtete über „Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister – Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik" Aus seiner Sicht sei die Anthroposophie, im Gegensatz zu ihrer Selbstdarstellung, keine Wissenschaft, sondern eine religiöse Weltanschauung, die der modernen Esoterik zuzurechnen sei. Ihre okkulten Grundannahmen wiederum seien ausschlaggebend für die Waldorfpädagogik. Würden Anthroposophen von Wissenschaft, Freiheit oder kindergerechter Pädagogik sprechen, sei das für Nicht-Eingeweihte irreführend, weil sie diesen Begriffen einen ganz anderen Inhalt zumessen würden. Kern der Anthroposophie sei „ein esoterisch-rassistisches Evolutionskonzept, einschließlich antisemitischer Elemente, das bis heute gilt und in die Waldorfpädagogik einfließt." Wichtig sei aber auch zu sehen, dass man, „was den Unterricht in den Schulen angeht, keine generalisierenden Aussagen machen" könne. Man dürfe nicht verallgemeinern. Der Unterricht hänge „davon ab, wie das jeweilige Lehrerkollegium zusammengesetzt ist. Nicht alle Waldorflehrer sind Anthroposophen". Waldorfpädagogik basiere auf einem Menschenbild, 
„für das religiöse Vorstellungen von Karma und Reinkarnation oder die Existenz von Engeln und Dämonen, von Rassen sowie Volks- und Rassengeistern als Tatsachen gelten."

Peter Bierl ging detailliert auf Inhalt und Selbstverständnis und die Grundlagen der Waldorfpädagogik ein. Er stellte auch die „Wurzelrassen-Lehre" und die Aktualität des anthroposophischen Rassismus und die Position von Steiners Lehre zum Antisemitismus heraus. Erschreckend ist, dass auch in der Anthroposophie die Theorie vom „Holocaust als karmischem Ausgleich" ihren Platz findet. 

Das beunruhigende Fazit entgegen anderslautenden Beteuerungen lautet: „Darum ist der anthroposophische Rassismus kein historisches Problem, nicht begrenzt auf Steiner und die Anfangsphase seiner Bewegung, sondern existiert weiter, als Teil des Weltbildes, der Evolutions- und Geschichtsauffassung, in der Regel sprachlich modernisiert (Kulturepochen statt Rassen)."

Eine rechtsextreme Organisation, die noch vor dem Dritten Reich gegründet wurde und bis heute existiert, ist die "Die Ludendorff-Bewegung", welche die beiden Journalisten Felix Reiter und Gideon Thalmann intensiv beobachtet haben. Sie geht auf den völkischen General Erich Ludendorff (Mitinitiator des Hitler-Putsches, NSDAP-Kandidat für das Reichspräsidentenamt) und seine Frau Mathilde zurück. Die Anhänger berufen sich daher auf die „religions-philosophischen“ Schriften des „Hauses Ludendorffs“ und schließen sich der Ludendorffschen Ideologie an. Mathilde Ludendorff war neben dem NS-Ideologen Alfred Rosenberg und dem „Stürmer“-Herausgeber Julius Streicher eine der aktivsten und wichtigsten antisemitischen Theoretiker. Konflikte mit dem NS-Regime hätten sich nicht etwa wegen Ablehnung von Rassismus und Antisemitismus ergeben, vielmehr sahen die Ludendorffer den Nationalsozialismus als Teil eines „jüdischen Plans“ an, der durch diese initiiert worden sei und die Vernichtung des deutschen Volkes zum Ziel hätte.

Veranstaltungen fänden in sogenannten Freundeskreisen statt, zu denen nicht öffentlich eingeladen werde. Ein „Arbeitskreis für Lebenskunde“ betreibe „Jugenderziehung". Es gebe eigene Friedhöfe und „ein weites Netz an Verlagen und Vertrieben, über welche die Weltanschauung verbreitet wird".


Warum nur? 

Warum sind Menschen bereit, sich totalitären Organisationen auszuliefern und lassen sich auf deren Methoden ein? Darauf versuchten wir mit unserer gemeinsamen Tagung 2013 „Seelennot und Seelenriss – Wirkungsmechanismen in totalitären Organisationen sowie bei sowie bei dubiosen Therapie- und Heilungsangeboten“ (3. bis 5. Mai 2013) mit Hilfe fachkundiger Referenten eine Antwort zu geben.[122]

„Positives Denken und andere affirmative Ideologien“ beschrieb Kirchenrat Dr. Wolfgang Behnk zum Auftakt der Veranstaltung. 

Der Begriff „Positives Denken“ sei in den 1990er Jahren durch „Erfolgsgeschichten“ diverser Motivationstrainer einem breiten Publikum bekannt geworden. Bestimmte Denkmethoden sollten angeblich dazu führen, dass sich wie von selbst beruflicher Erfolg, Beziehungsglück und gesundheitliches Wohlbefinden einstellen würden. Mit Hilfe einer schier unerschütterlich „positiven“ Lebenseinstellung sollten die Wunschträume in allen Lebenslagen Wirklichkeit werden. Die Denkweise und Inhalte wurden zu einem umfassenden System gebündelt.

Problematisch sei, wenn dieses „Denk positiv!“ zum „methodischen Psychotrick mutiert, sich zum All-inclusive-Gesetz für alle Lebenssituationen aufbläht“. Dann werde aus der „menschlichen Ermutigung“ ein ideologisches System des „Positiven Denkens“.

Mittels Affirmationen und Visualisierungen sollten die Wahrnehmung und das Denken so nachhaltig beeinflusst werden, dass sich dadurch die Wirklichkeit ändern würde. 

Behnk beschrieb verschiedene Ausprägungen unterschiedlichster Provenienz: 

  • Die Neugeist-Bewegung – eine in Amerika entstandene „Heilmethode“
  • Positives Denken und Robert Schullers Possibility Thinking
  • Geistliche Kriegführung und Jesus-Marsch
  • Christian Science 
  • Wort+Geist

  • Schuld und Angst
  • eine Ausstiegsphobie 
  • Mono- statt multikausale Erklärungsmuster für Probleme (einfache Lösungen; schwarz-weiß; gut-böse)

  • „Wie hat die Manipulation in unserem Leben funktioniert?
  • Manipulieren die Zeugen Jehovas überhaupt?
  • Wenn ja, warum haben wir das zugelassen? Was war daran schädlich?“

  • Bei der Mitgliederwerbung,
  • zur Erhaltung der dauerhaften Mitgliedschaft,
  • zur Abschreckung vor Ex-Mitgliedschaft.

Der Diplom-Psychologe Dieter Rohmann stellte anschaulich „Bindung, Wirkung und Dynamik in totalitären Bewegungen“ dar.

Er benannte aktuelle Beispiele aus der Praxis, wo sich Menschen in die Hände totalitärer („Klein“-) Gruppen begeben hätten und nicht nur viel Geld verloren, sondern auch enormen psychischen Belastungen ausgesetzt waren. Er zeigte die verschiedenen Kriterien der mentalen Programmierung auf und benannte weitere wichtige Erkenntnisse und Theorien z.B. der Sozialpsychologie, die zusätzlich und ergänzend dazu beitragen können, die Bindung und Dynamik in sogenannten Sekten und Kulten noch verständlicher zu machen.

Aus seiner Beratungspraxis mit Kultaussteigern veranschaulichte er weitere Wirkungsmechanismen, wie 

An einem praktischen Beispiel erläuterte er dann abschließend noch die Begleitung von Kultaussteigern, für die Dieter Rohmann auf diese Thematik und Klientel zugeschnittene Modelle und psychotherapeutische Methoden entwickelt hat.[123]

Aus über 60 Jahren eigener leidvoller Erfahrungen berichtete Barbara Kohout über ihre „Erfahrungen mit Manipulationspraktiken totalitärer Bewegungen“

Dabei ging sie vor allem auf drei Punkte ein:

Warum kommen Menschen unter einen scheinbar unauflöslichen Einfluss totalitärer Führer und Kulte? Hierzu seien verschiedene Methoden der Manipulation notwendig, die Barbara Kohout in ihren Ausführungen detailliert erläuterte:

Bernd Galeski und Sven Köther berichteten über ihre Erfahrungen „Vom Lösungsprozess aus totalitären Bewegungen“ und beschrieben „Wege, Schwierigkeiten und deren Folgen“. 

Galeski beschrieb zunächst aus seiner Sicht, den Weg, der für ihn prägend war – den der Erziehung –, da er in die Gruppe hineingeboren worden war. Weiterhin zeigte er die Hindernisse auf, aus einer Gruppe wieder auszusteigen und stellte hier aus Sicht ehemaliger Zeugen Jehovas das Problem „mangelnder Bildung“ detailliert dar. 

Sven Köther benannte in seinem Vortrag weitere Hindernisse, die den Ausstieg so schwierig gestalten. Dabei ging er auf zwei Aspekte ein:

  • Aufhören heißt nicht aussteigen: „Denn obwohl ich nicht mehr wie ein Zeuge lebte, hörte ich doch nicht auf, wie einer zu denken und zu fühlen.“ Friedrich-Wilhelm Haack hatte dies bereits in seinen Publikationen als Floating beschrieben.

  • Aussteigen ohne aufzuhören: „Es sind vor allem solche, die in der Sekte groß geworden sind und Verwandte und Freunde haben, die nach wie vor überzeugte Zeugen Jehovas sind. (…) Die Angst vor beschriebener familiärer Zersplitterung bringt viele Aussteiger dazu, den Schein zu wahren. Immer in der Hoffnung, auch die anderen Familienmitglieder mögen zur gleichen Erkenntnis kommen, wie er selbst.“ 


In einem zweiten Beitrag erläuterte Barbara Kohout „Die Auswirkungen für Kinder in totalitären Bewegungen“ und daraus resultierend: „Als nächste Sorge die zweite Generation“

Kinder wollten wenigstens in der Gruppe anerkannt sein, denn von der übrigen Welt müssten sie sich ja getrennt halten. So bliebe ihnen nichts anderes übrig, als die Gruppenanforderungen zu erfüllen.

„Auch diese Anerkennung gibt es nur vorausgesetzt, ... das Kind hält sich an die Forderung nach Gehorsam und Anpassung an die Gruppennorm.“ Für die Gruppe zähle niemals das Bedürfnis eines Einzelnen. Die Erziehung zu einem brauchbaren Gruppenmitglied sei die oberste Maxime. „Ein Kind wird erzogen und so gestaltet, dass es gruppenkonform wird.“

Dies erfordert in der Beratungsarbeit deshalb auch spezielle Ansätze, die Dieter Rohmann in seinem Referat darstellte und „Schwerpunkte und Unterschiede in der praktischen Arbeit mit Kultmitgliedern und -aussteigern am Beispiel von „hineingeborenen Mitgliedern" aufzeigte.

Menschen, die sich aufgrund eigener Erfahrungen und Lebensereignisse einem Kult anschlössen, wären gegenüber Hineingeborenen deutlich im Vorteil. Sie könnten bei einem eventuellen Ausstieg auf viele Jahre gelebtes Leben vor dem Beitritt zurückgreifen. Sie hätten damit Vergleichsmöglichkeiten und Erfahrungen, die hilfreich sein könnten. Einem Hineingeborenen fehlte diese Möglichkeit in hohem Maße, da seine Sozialisation ausschließlich im Kontext des Kultes erfolgt sei. Hineingeborene Aussteiger müssten deshalb vieles – was für Außenstehende selbstverständlich ist – von Grund auf neu lernen. Hinzu komme oftmals mangelndes Selbstwertgefühl. Dies liege daran, dass Erfolge stets extern auf die Gruppe/Therapie/Gruppenführer, Misserfolge hingegen dem einzelnen Mitglied in die Schuhe geschoben würden. Damit sei eine gesunde und stabile Entwicklung von Selbstwert kaum möglich.

Sind zweifelhafte Psychomethoden nur abwegig oder sogar schädlich? Die Psychologin und Journalistin Heike Dierbach schilderte gleich zu Beginn einige dramatische Fälle, in denen sich Menschen in die Hände von zweifelhaften Therapeuten, Geistheilern oder Familiensteller begeben hatten und dort „Behandlungen“ mit fatalen Folgen ausgesetzt waren. Sie warnte deshalb: „Vorsicht, Seelenpfuscher! – Risiken und Nebenwirkungen alternativer Psychotechniken“. 

„Würden Sie Ihren Körper bei jemandem unters Messer legen, der nicht Medizin studiert hat? Sondern aus Wochenendseminaren oder spiritueller Eingebung zu wissen glaubt, wo er schneiden muss? Tausende Menschen tun dies mit ihrer Seele“, resümierte sie. Grund seien oftmals Enttäuschungen über herkömmliche Psychotherapien Deshalb seien Menschen bereit, sich auf „unkonventionelle“ Methoden einzulassen – zumal, wenn diese sich mit Beschreibungen wie „ganzheitlich“ oder „sanft“ schmücken würden. „Schaden kann’s ja nicht? Das ist leider ein Irrtum: Die Seele ist eines der verletzlichsten Teile des Menschen. Pfusch daran kann gravierende Folgen haben. Manchmal tödliche“, machte sie deutlich und beschrieb typische Eigenschaften und Mängel von Pseudo-Therapien. Sie zeigte Parameter auf, um alternative Psychotechnik beurteilen zu können. Schließlich hatte sie Empfehlungen, was getan werden kann, wenn es Probleme gebe. Wichtig sei: „Gehen sie mit sich selbst und Ihrer Seele fürsorglich um und schützen sie sich vor möglichen Gefahren.“

Nicole Scheffler schilderte „Die Auswirkungen für Kinder und Jugendliche in totalitären Gruppen, dargestellt insbesondere an Beispielen aus der Scientology-Organisation“. Sie betreibt einen Blog und eine Facebook-Seite unter dem Namen „Kindsein in Scientology", auf denen sie über die schlimmen Methoden der Organisation im Umgang mit Kindern aufklärt. 

Kindern werde bei Scientology nach den Lehren Hubbards das Kindsein abgesprochen: „Kinder sind kleine Erwachsene."[124] 

Es gelte laut Scientology auch, die Bildung sogenannter Engramme (falsche Prägungen und Verfestigungen „ungünstiger" Verhaltensmuster) zu verhindern. Hierzu habe Scientology spezielle Kinderkurse entwickelt, die sich kaum von den Erwachsenenkursen unterschieden. Das Kind durchlaufe fast die gleichen Trainingsroutinen wie die Erwachsenen (z.B. stundenlang jemanden in die Augen zu starren, angeschrien und beschimpft zu werden und dabei nicht reagieren zu dürfen). Es sei nur anders verpackt, auch das Auditing sei gleich. 

Sie erklärte eingehend die Erziehungsmethoden in einzelnen Lebensphasen der Kinder von der Geburt bis hin zum Erwachsenenalter und die Folgen dieser scientologischen „Erziehung“ für die Kinder und ihr Seelenleben.

Gerade im Hinblick auf Kinder, deren Eltern hauptamtlich für Scientology arbeiteten, stelle Scientology die Familie in den Hintergrund. „Die Kinder werden von außenstehenden Personen ohne Liebe und Zuneigung erzogen. Die Kinder lernen, kritiklos Befehle zu befolgen. Ihre eigene Meinung zählt in Scientology nicht. Sie lernen Macht anzustreben und andere Menschen zu beherrschen. Sie lernen in Scientology nicht, liebevoll mit anderen Menschen umzugehen. Auch die Familie ist für „Scientology-Kinder“ nicht wichtig, da sie nie ein „normales“ Familienleben kennenlernen durften.“ Ziel des Systems Scientology sei es, aus den Kindern neue „Herrschaftsmenschen“ heranzuzüchten, „die die Welt beherrschen sollen, eine Welt in der es z.B. keine kranken, behinderten, schwachen Menschen geben darf.“

Welche Wirkungsmechanismen entfalten sich in Scientology? „Warum und wie wirken die Methoden der Scientology?“ lautete das Thema von Wilfried Handl.

In einen Kult wie Scientology trete man nicht deshalb ein, weil die Mitglieder so erfolgreich manipulieren und man „geheimnisvollen” Techniken ausgesetzt wäre, mit denen sie neuen Anhänger ködern. „Das Leben läuft so nicht”, so Handl. Denn wäre es so, müssten die Scientologen wesentlich mehr Mitglieder rekrutieren können, tatsächlich aber gebe es in Deutschland vergleichsweise wenig Scientologen (rund 4000).

Menschen hätten ihre ganz persönliche Entwicklung, ihre individuelle Herkunft und seien eigenständige Charaktere. Jeder entwickle sich auf seine eigene Weise, habe individuelle Bedürfnisse, gehe nach seiner Art an das Leben heran und meistere dessen Herausforderungen. Und genauso verhalte es sich mit Interessen für bestimmte Gruppen. Diese seien ebenso von Mensch zu Mensch verschieden. Dem einen seien die Ideen von Hubbard viel zu abgehoben, “spinnert”, den anderen sprächen sie an, weil er in einer ganz bestimmten Phase seines Lebens sei, die ihn für solche Botschaften empfänglich mache. Handls Beschreibung entspricht dem bereits früher beschriebenen Passungsmodell. Er beschrieb den Prozess der Mitgliedschaft wie die Einladung in eine fremde Wohnung, in der man zuerst den „Eingangsbereich“ und dann den „Innenbereich“ betrete, um gegebenenfalls am Ende über den „Ausgangsbereich“ die Gruppe wieder zu verlassen. Weitere Aspekte seien Neugier, Sympathie, Suche nach „Spiritualität“ und das “1 zu 99 Verhältnis” Letzteres bedeute, dass sich mit vielem Irrationalen (99) in der Lehre auch ein geringer Anteil an Wahrem (1) darin finde. Und wenn dies auf die Situation des Besuchers passe, könne ein erster Anknüpfungspunkt da sein. Treffe man nun auf ein Ideensystem, das die eigenen Ansichten bestätigt, werde man umso eher solchen Ideen folgen, die daran anschließen und sie fortentwickeln. Das Gewicht verschiebe sich. 

Im theologischen Bereich beschrieb Eduard Trenkel schließlich „Von der Sekte zur Freikirche (?) – Entwicklungen und Hintergründe an konkreten Beispielen“. Er setzte sich konkret mit der Neuapostolischen Kirche und deren Ten-denzen auseinander. Noch vor wenigen Jahren lehnten es religiöse Sondergemeinschaften und Gruppen ab, auch nur in die Nähe der beiden großen Kirchen gerückt zu werden. Ökumene oder auch jegliche Zusammenarbeit mit ihnen lehnten sie strikt ab; es gehörte zu den Grundpfeilern ihrer Ideologie, die Kirchen als falsche Religion abzulehnen, mit der man als „wahre Kirche Christi" oder als „wahre Christen" nichts gemein hatte. Man wollte alles, nur nicht Kirche sein. So habe bei der NAK zwar vor ungefähr zehn Jahren ein Wandel eingesetzt. Es gebe ein neues Glaubensbekenntnis, eine neue Taufformel sowie einen neuen Katechismus. Dies geschah durch die Führung, ohne die einfachen Gläubigen auf diesem Weg mitzunehmen. Dennoch würden die traditionellen Alleinstellungsmerkmale beibehalten. „Heil gibt es nur dort, wo der Apostel sein Amt versieht (nämlich bei uns). Nur da gibt es Christi Präsenz beim Abendmahl."

Zwar werde formale Gemeinsamkeit signalisiert und für die Besonderheit nicht geworben, dennoch bleibe man im Kern eine Sondergemeinschaft. Sonderlehren würden nach wie vor vertreten. Es gelte, diese Gruppen und ihre Entwicklung sorgfältig zu untersuchen. 

 

Wie kann wirksam geholfen werden?

Beratungs-, Informations- und Aufklärungsarbeit haben sich gewandelt. Internet, Soziale Medien, Blogs oder YouTube sind nur einige der Schlagworte. Auf diese neuen Herausforderungen wollten wir mit unserer gemeinsamen Tagung 2014 „Totalitäre Kulte und Selbsthilfe 2.0“ – Herausforderungen und Beratungsansätze für Betroffene im Internetzeitalter“[125] (23. bis 25. Mai 2014) eingehen.

Schon seit Gründung der EI waren internationale Kontakte sehr wichtig. Aus diesem Grund wirkte die Elterninitiative in Person ihres damaligen Vorsitzenden und Mitbegründers Friedrich-Wilhelm Haack bei der Schaffung internationaler Strukturen auf europäischer Ebene mit. Diese Zusammenarbeit hat sich heute in der FECRIS (Fédération Européenne des Centres de Recherche et d’Information sur le Sectarisme – Europäische Föderation der Zentren für Forschung und Information über das Sektenwesen) etabliert. Über die „Aktuelle Entwicklungen und die Perspektiven internationaler Zusammenarbeit“ berichtete Dipl.-Ing Friedrich Griess, der Vorstandsmitglied von FECRIS ist, in der 53 Vereinigungen aus 26 europäischen Ländern zusammenarbeiten.

Wie wirksame „Hilfe zur Selbsthilfe – Von Betroffenen, für Betroffene, mit Betroffenen“ aussehen kann, zeigte Annet Hartung vom Netzwerk Sektenausstieg an konkreten Beispielen aus der Arbeit ihrer Organisation auf. Wichtig sei die Möglichkeit des persönlichen Austauschs. Hierzu dienten regelmäßige Treffen und Infolink-Seminare, die jedes Jahr stattfänden. 

Hinzu kommt ein umfangreiches Informationsangebot im Internet. Darüber hinaus bietet ein Forum im Netz die Möglichkeit sich zu verschiedensten Themen auszutauschen.

„Seit die neuen elektronischen Medien und Computertechnologien in die Lebenswelt eindringen, verändert sich unser Wirklichkeitsbegriff“ zitierte Dr. Christian Ruch in seinem Grundsatzvortrag „Virtuelle Welten – Mehr Schein als Sein?“ den Medienästhetiker Norbert Bolz. Umfragen und Studien zeigten jedoch, dass es bei jungen Menschen entgegen landläufiger Meinung „ (...) für diese Generation Wichtigeres als das Netz, aber auch kein Leben ohne Netz“ gibt, wie eine Forsa Umfrage unter 18- bis 35jährigen gezeigt hat. Die Folgen der technologischen Revolution durch Internet und Virtualität seien dramatisch und „dürften in ihrer Dimension nur mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar sein“, so Ruch weiter.

„Esoterik hat was von ‚Modern Talking’, jeder findet sie dämlich, doch das Geschäft boomt trotzdem“, so die launige Einleitung von Mag. Johannes Fischler zu seinem Vortrag „Esoterik 2.0. – Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt. Die Kulte der ‚Neuen Zeit’, ihre Methoden und die Gefahren“.  Es handele sich um einen Milliardenmarkt,  der stetig wachse. Dass Sinnsuche als „neue Wirtschaftsgröße“ fungiert, macht nach Fischlers Worten der Blick auf ein paar Zahlen deutlich:

„Spricht der ‚Spiegel’ noch im Jahr 1994 von einem Marktvolumen von circa 18 Milliarden DM jährlich (Der Spiegel, 1994), so schätzt Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut Kelkheim die Umsätze in diesem Segment 2010 bereits auf 18 bis 20 Milliarden Euro (Rhein-Zeitung, 2010). Und das in einem Jahr, wo uns allen noch die Finanzkrise im Nacken saß. Ein Abflauen des Hypes ist nach Wenzel nicht in Sicht. Bis 2020 soll der Umsatz mit spirituell-esoterischen Angeboten auf ganze 35 Milliarden Euro ansteigen (Die Zeit, 2010). Nur zum Vergleich: Die deutsche Brauwirtschaft setzt aktuell gerade einmal knappe acht Milliarden Euro um.“

Dies mache deutlich, dass die Esoterikbranche in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Sie bediene sich professioneller Geschäftsmodelle und moderner Marketingstrategien, um potenzielle Kunden anzusprechen. Seien es Engelsfestivals, Energiekristalle oder esoterische Selbstfindungsseminare, die Palette esoterischer Angebote sei breiter denn je. Johannes Fischler hinterfragte Marketingmodelle und Methoden kritisch und zeigte die Werbungs- und Wirkungsmechanismen nachvollziehbar auf.  An konkreten Beispielen machte er deutlich, dass es sich dabei in vielen Fällen um mehr als nur harmlose Spielereien handle, sondern Abhängigkeiten mit fatalen Folgen für die Gesundheit und die wirtschaftliche Situation der Anhänger zur Folge haben könne. 

Auf „Aktuelle Themen und Herausforderungen für eine wirkungsvolle Beratungsarbeit“ ging Susanne Schaaf von der Beratungsfachstelle „infoSekta“ aus Zürich ein. Die Beratungsarbeit der vergangenen Jahre habe eine zunehmende Fragmentierung dieses Marktes deutlich gemacht.  Rund 80 Prozent der Anfragen bezögen sich auf unzählige bekannte und unbekannte Kleingruppen und Einzelanbieter mit unterschiedlichsten religiösen, weltanschaulichen Hintergründen bzw. Psychotechniken. Anhand der unterschiedlichen Zielgruppen, die das Angebot von infoSekta nutzten, legte sie Informationsanfragen und Beratungsansätze dar. Sie beschrieb die Herausforderungen für die Beratungsarbeit, die weit über reines spezifisches Wissen über einzelne Gruppen hinausgehe, sondern auch psychologische Kenntnisse und die Fähigkeit zur „Übersetzungshilfe“ erfordere. Letzteres bedeute die Notwendigkeit, unverständliche Texte und abenteuerliche Konzepte für die Angehörigen in ein allgemeinverständliches Bild zu übertragen. Zudem würden Zusammenhänge zwischen der Gruppenlehre und dem Verhalten des Mitglieds aufgezeigt.

Das „Web 2.0“ sei einerseits für die Beratungsarbeit eine große Hilfe, stelle jedoch auf der anderen Seite auch eine Herausforderung dar, da es den Gruppen gleichermaßen eine Plattform für einen professionellen Auftritt im Internet und den sozialen Medien biete, den sie für Werbung und Einbindung nutzten.

Auf den ersten Blick provokativ schien der Titel des Vortrages von Dr. Viktor Lau „Spinner in Nadelstreifen oder zur Soziologie der Managementesoterik“. Ein Themenbereich, der auch die Elterninitiative immer wieder bei Beratungsanfragen begleitet. „Hat der Kurs XY etwas mit Scientology zu tun?“ Pointiert zeigte Viktor Lau auf, dass „die Personalentwicklung zum Haupteinfallstor bedenklicher Strömungen in Wirtschaftsunternehmen und Behörden geworden“ sei. Seien es „pseudotherapeutisch-mystische Beratungstechniken, typologische Eignungsdiagnostik, zen-buddhistischen Meditationszirkel, oder zoologisch angereicherte Führungskräfteentwicklung“.  Es gibt nichts, was es nicht gibt. Managementesoteriker seien darüber hinaus „multiple Esoteriker“.  Spirituelle Erleuchtung komme nur durch „esoterische Mehrfachbelichtung“ zustande: „Nie wird man im weiten Feld der Personal- und Organisationsentwicklung – intern oder extern – einem NLP-Anhänger begegnen, der sich nicht auch für die Aroma-Therapie, Reinkarnationsbehauptungen oder Bücher von Thorwald Dethlefsen begeistern kann.“ 

Managementesoterik bringe jedoch erhebliche Risiken für die Organisation, das Personalmanagement, Führungskräfte und Mitarbeiter mit sich. Das Risikopotential sieht Lau dabei in folgenden Bereichen:

  • Pathologisierung (und Verunsicherung) von Führungskräften und Mitarbeitern
  • Entprofessionalisierung der Personalentwicklung; Verlust des (rationalen) Unterscheidungsvermögens
  • Einführung destruktiver Konzepte von Hierarchie, Elite und Leistung; 
    Ideologisierung der Unternehmens- und Mitarbeiterführung
  • Entsolidarisierung; Verlust der gemeinschaftlichen Orientierung
  • Verschwendung betrieblicher Mittel und Ressourcen
  • Mögliche Rechtsverstöße
  • Nutze klare Botschaften
  • Konzentriere dich auf wenige Argumente
  • Vertraue auf Deine eigenen Argumente und benenne diese statt des „Mythos“, den Du entkräften willst
  • Erzähle Geschichten, um das Gesagte besser zu veranschaulichen
  • Fülle die Lücke, biete alternative Erläuterungen
  • Verlange genaue Erklärungen


Derartige Methoden hätten nichts in Betrieben verloren und seien kein Instrument seriöser Personalarbeit. 


Wie kann man in Diskussionen überzeugend argumentieren? Viele Menschen ließen sich von Beweisen kaum überzeugen. Argumentationsmechanismen zeigte Sebastian Herrmann, Wissenschaftsredakteur bei der „Süddeutschen Zeitung“ in seinen Beitrag „Starrköpfe überzeugen: Methoden für den Umgang mit Esoterikern, Verschwörungstheoretikern, Fundamentalisten u.a.“ auf. Es komme darauf an, wie Fakten „verpackt“ würden. Es gelte, die emotionale Ebene anzusprechen und korrekte Sachinformationen so zu vermitteln, dass sie auch das Gefühl erzeugen, sie seien wahr. 

Hierzu benannte er diese Punkte:

 

Um Aufklärungsarbeit mit Hilfe der neuen Kommunikationsmedien ging es bei Misha Anouk, ehemaliger Zeuge Jehovas, freier Autor und Blogger, in seinem Vortrag „Jeder Zweifel ist ein Anfang – Blogs, YouTube + Social Media als Aufklärungsmedien“.  Anhand seiner Arbeit zeigte er, dass es wichtig sei, in der heutigen Zeit alle Möglichkeiten zu nutzen. „...denn: Man erreicht nicht alle mit einem Kanal, aber man kann viele mit verschiedenen Kanälen erreichen.“ Er benannte die Möglichkeiten und Vorteile der einzelnen Kanäle, aber auch die Schwierigkeiten, die Aufklärungsarbeit einem „Kampf gegen Windmühlen“ gleich mache. Parameter für eine erfolgreiche Aufklärung seien:

  • überhaupt vorhandener Informationsbedarf des Nutzers.
  • Aufgeschlossenheit der Information gegenüber
  • Notwendigkeit eines Erkenntnisgewinns durch die Information

 „Die bloße Existenz einer Information, unabhängig davon, wie wertvoll sie ist, garantiert nicht, dass sie wahrgenommen wird.“

Aufklärung im Allgemeinen und in den sozialen Medien im Speziellen sei keine Massenabfertigung, sondern Detailarbeit. Ein Aufklärer sei kein Menschenfischer, sondern ein Lotse.

„Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man trotz großer Reichweite allen helfen kann. Doch das ist weniger ein Streuverlust als ein Streugewinn. Denn: Jede einzelne Person, der man helfen kann, ist ein Erfolg.“

Dr. Roman Schweidlenka, Sektenexperte aus Graz und Leiter von „logo.at berichtete über die „Beratung und Aufklärungsarbeit im Bereich neuer religiöser und politischer Bewegungen / Erfahrungen und Einschätzung der Entwicklung in den letzten zehn bis 15 Jahren“. Neben einem Wandel bei traditionellen Gruppierungen, in ihrem Auftreten und der öffentlichen Wahrnehmung, nähmen Esoterik und „freie Spiritualität“ im Patchwork-Sinn kontinuierlich zu und beeinflussten auch zunehmend Mitglieder etablierter Kirchen. Neben eher lockeren Zusammenschlüssen sei auf der anderen Seite auch in dieser Szene zu beobachten, „dass sich gerade im esoterischen Bereich zunehmend autoritäre Gruppen bilden, die sich um einen Führer, oft um eine Führerin, scharen, der/die die Menschen an sich bindet, mit diffusen Eso-Ideologien vollstopft und so kleine ‚Sekten‘ ins Leben ruft, die vergleichbar den traditionellen ‚Sekten‘ immer wieder Leid für Freunde und Angehörige, aber auch persönliche psychische Gefährdungen produzieren.“

Der Bereich rechtsextremer Esoterik dürfe nicht unterschätzt werden. Eine bedeutende Rolle spiele entsprechende Literatur (Stichwort Jan van Helsing und andere), darüber hinaus sei die „Neue Germanische Medizin“ weiterhin auf den Vormarsch, die rechtsextremes Gedankengut mit pseudomedizinischen Inhalten verbinde und dabei eine stramm antisemitische Ideologie verbreite. Ein anderer Bereich sei hier die sogenannte „Identitäre Bewegung“, die sich insbesondere in Sozialen Netzwerken, aber auch bei Veranstaltungen artikuliere. 

Der Frage „Was heißt heute noch Religion?“ spürte Dr. Christian Ruch nach. Als Ergebnis seiner Überlegungen stellte er fünf Thesen zur Diskussion: 

  • „Die vielbeschworene ‚Renaissance der Religion’ findet nicht statt, zumindest gibt es keine religionssoziologischen Belege oder Anhaltspunkte dafür.
  • Andererseits gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Religion, so wie die Religionssoziologie dies einst glaubte, irgendwann in absehbarer Zeit verschwinden wird.
  • Religion wird sich allerdings weiter individualisieren, privatisieren und de-institutionalisieren, d.h. die ‚Entkirchlichung’ wird weiter voranschreiten.
  • Es wird auch in Zukunft einen stabilen oder sogar leicht wachsenden Bevölkerungsanteil geben, der sich von Religion ab- bzw. ihm gar nicht erst zuwenden wird.
  • Der Fundamentalismus wird, weil auch er von Individualisierungs- und Modernisierungstendenzen ergriffen sein wird, quantitativ stagnieren, trotzdem oder gerade deshalb sich aber radikalisieren.“ 

Bei den turnusgemäßen Vorstandswahlen wurde Willi Röder in seinem Amt bestätigt. Neue zweite Vorsitzende wurde Ursula Höft aus Kumhausen.

40 Jahre Elterninitiative, Rückblick und Ausblick

Im Jahr 2015 konnten wir auf das 40-jährige Bestehen der Elterninitiative zurückblicken. Kein Grund zu feiern, sondern Anlass, unter dem Motto „Gemeinsam gegen Abhängigkeit und Extremismus - Standortbestimmung und Perspektiven“ (12. bis 14. Juni 2015) Bilanz zu ziehen und nach vorne zu blicken.[126]

Auf „Aktuelle Herausforderungen für die Apologetik“ ging Kirchenrat Dr. Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelisch-luth. Kirche in Bayern in seinem Referat ein. So hätten sich die Rahmenbedingungen heutiger Apologetik grundlegend gewandelt. Das hänge mit tiefgreifenden Veränderungen in unserer Religionskultur zusammen. Diese ließen sich mit den drei Begriffen Säkularisierung, Pluralisierung und Individualisierung kennzeichnen.

Inzwischen habe es sich im Kontext neuer Religiosität eingebürgert, anstelle von Religion oder Religiosität von „Spiritualität“ zu sprechen. Doch damit zeigten sich neue Schwierigkeiten, was mit Spiritualität als Ausdruck religiösen Lebens gemeint ist und gemeint sein kann. „Genau genommen haben wir es heutzutage mit ganz unterschiedlichen „Spiritualitäten“ zu tun“, machte er deutlich. 

Aufschlussreich war auch seine „Kleine Typologie des Esoterik-Konsumenten“, die unterschiedliche Umgangsformen mit esoterischen Angeboten benannte:

  • … als Lesevergnügen

  • … als persönliche Empfehlung, als ‚Nachbarschaftshilfe‘ und ‚Freundschaftstipp‘.
  • … als Weg zur sanften Heilung
  • … als alternative Lebensberatung
  • … als Weg zur Selbstermächtigung
  • … als Heilsweg
  • Kein Ignorieren und Verdrängen menschlicher Grenzen!
  • Rechtfertigung des Sünders vs. Selbstoptimierung für das Göttliche
  • Religiöse Aufklärung als Dienst am Menschen und an der Gesellschaft
  • Nicht nur Abwehr, sondern auch kritische Selbstprüfung
  • Begegnung und Auseinandersetzung als Lernprozess

Angesichts der vielfältigen spirituellen Sehnsüchte der Seele seien die Kirchen zum Dialog und zur Auseinandersetzung herausgefordert. Dabei solle sich die biblisch geforderte Unterscheidung der Geister vor allem auf folgende Punkte konzentrieren:

Die Unterscheidung von vorläufigem und endgültigem Heil


„Der Satan schläft nie" Über die Denkweisen und Lebenspraktiken in einer totalitären Bewegung erzählte Robert Pleyer, ein Betroffener. Er berichtete in erschütternder Weise über seine Zeit bei den 12 Stämmen. Wie schon in seinem Buch „Der Satan schläft nie“ beeindruckte die Teilnehmer vor allem seine Offenheit und ungeschminkte Darstellung seiner eignen Rolle. Die Gruppe machte bundesweit Schlagzeilen durch ihre brachialen und gewalttätigen Methoden Kindern gegenüber. Es ging darum „den Willen von Kindern zu brechen, ihnen Freude zu nehmen, sie zu züchtigen“.

So gäben die „Zwölf Stämme“ eine klare Regel vor, wie und wann gezüchtigt werde. Dies solle zwar „aggressionsfrei“ passieren, aber viele hätten sich da nicht im Griff gehabt. Schläge als Form der Strafe seien die Basis des Erziehungskonzepts gewesen. Kinder unterlägen totaler Kontrolle, ihr individueller Wille werde schon ab dem Säuglingsalter konsequent gebrochen. "Im Alter von acht, neun Monaten fängt es an, dass Kinder lernen, ihren Willen dem des Vaters unterzuordnen", berichtete er.[127]

 

Dass der Fall der 12 Stämme aufgedeckt und ein behördliches Einschreiten ermöglich wurde, war nicht zuletzt Sabine Riede, Geschäftsführerin der Informations- und Beratungsstelle des Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. zu verdanken. Sie ging in ihrem Vortrag „Kinder in totalitären Bewegungen“ nicht nur nochmals detailliert auf diesen Fall ein, sondern befasste sich mit den grundsätzlichen Problemen und Fragestellungen in diesen Bereich. So gebe es erhebliche Forschungsdefizite und kaum wissenschaftliche Literatur in diesem Bereich. Zu berücksichtigen seien auch die Auswirkungen der Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG. Demnach existiere eine religiös-weltanschauliche Neutralitätspflicht des Staates. „Diese verbietet religiöse und weltanschauliche Lehren als ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zu bewerten! Aber: Die Glaubensfreiheit der Eltern hindert nicht daran, die konkreten Auswirkungen des Glaubens auf das Kindeswohl zu überprüfen! Allein die Zugehörigkeit zu einer sog. ‚Sekte‘ schließt die Erziehungseignung nicht aus. Erforderlich ist eine konkrete Einzelfallprüfung, ob die Grundsätze der jeweiligen Gemeinschaft so nachdrücklich angewendet werden, dass sie das Kindeswohl beeinträchtigen!“

Schlüsselbegriff sei das Kindeswohl. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff umfasse das „körperliche, geistige und seelische Wohl (§ 1666 BGB) und biete dem Kind die Möglichkeit zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person heranzuwachsen (BVerfG NJW 1968, S. 2233)“


In diesem Zusammenhang gelte es bei der Beurteilung einer möglichen Kindeswohlgefährdung im Hinblick auf problematische Gruppierungen folgende Aspekte zu beleuchten und auf ihr Vorliegen zu prüfen:

 

  • Vernachlässigung

  • Beeinträchtigung der körperlichen Integrität

  • Beeinträchtigung der psychischen Entwicklung

  • Verweigerung der medizinischen Versorgung

  • Loyalitätskonflikte 

  • Übermäßige religiöse Beeinflussung, Außenseiterrolle

Die Ursachen für eine zurückhaltende Rechtsprechungspraxis lägen darin, dass die Religionsfreiheit der Eltern (Art. 4 GG) einen hohen Stellenwert genieße. Fener träten bei möglichen Beeinträchtigungen im geistig-seelischen Bereich oftmals Diagnose- und Bewertungsprobleme auf. Wichtig sei eine ausreichende Sensibilisierung der am Kindeswohl beteiligten Professionen (Richter, Jugendämter). Sabine Riede zog abschließend folgendes Fazit:

„Ob die dargestellten Gefährdungspotentiale tatsächlich eintreten, hängt vor allem von zwei Faktoren ab:

  • Welche Erziehungsziele und -methoden werden vorgegeben (Wie autoritär und radikal ist die Gemeinschaft?).

  • Wie rigoros werden die Erziehungsleitbilder der Gruppen im Alltag umgesetzt?“

Mit den „Psychologischen Aspekte esoterischer Religiosität“ setzte sich 
Dr. Claudia Barth auseinander. Sie forscht im Bereich Sozialpsychologie/neue religiöse Bewegungen und ist im Bereich Jugend- und Erwachsenenbildung tätig. 

„Was fasziniert an Esoterik; weshalb wenden sie sich in unserer Gesellschaft seit den 1990er Jahren derart viele Menschen dem Phänomen Esoterik zu?

Schätzungen, wie viele Deutsche sich mit Esoterik als Sinnsuche und Lebensweltorientierung befassen, gingen in die Millionen. Verlässliche empirische Studien, die über die Verbreitung der neuen Religiosität Auskunft geben, seien aber Mangelware. Insgesamt verzeichne die „Branche“ esoterischer Anbieter 25 Milliarden Euro Umsatz jährlich, Tendenz steigend. Damit läge die „Esoterik-Branche“ gleichauf mit dem Geschäftsumsatz, den die deutschen Reiseveranstalter jährlich ausweisen würden.

Claudia Barth zeichnete ein „Psychogramm esoterischer Seelenrettung: Das ‚Höhere Selbst‘...“ 
Esoterik sei „eine Glaubensrichtung bürgerlicher Kreise (…), mit dem der eigene Besitzstand und Lebensstil verteidigt werden kann angesichts einer von Abstiegsängsten und Prekarität geprägten Zeit. Dies lediglich als Wohlstandsphänomen abzutun würde darüber hinwegtäuschen, dass der psychische Leidensdruck der Menschen, die Esoterik als Trost- und Hoffnungsspender nutzen, subjektiv enorm ist. Anhand von Biographieforschung lässt sich erkennen, dass Erfahrungen bzw. Befürchtungen des sozialen Abstiegs und Ausschlusses, kurz des drohenden gesellschaftlichen Statusverlustes, der entscheidende Grund bei der Hinwendung zu esoterischen Hilfskonstruktionen sind.“  

Bevor es zur Hinwendung zur Esoterik komme, die landläufig „Heilung“ verspricht, sei demnach etwas im Menschen krank geworden. Esoterische Protagonisten sprächen vom ungeheuren Druck, den sie innerlich empfunden hätten, um sich den Anforderungen der Umwelt, der Arbeitswelt geflissentlich anzupassen, um zu bestehen. Erst am Punkt des Scheiterns wendeten sich Menschen der Esoterik zu. 

Der Esoterikmarkt warte mit mannigfachen Publikationen und Seminaren auf, „die im Kern einzig und allein Variationen darstellen, das vermeintlich Höheres Selbst zu entdecken und zu kultivieren. In der esoterischen Praxis ist dies ein zentraler Kernpunkt der Aktivitäten; die oben genannten Glaubenstheoreme (spirituelle Evolutionsgeschichte, Mikro=Makrokosmos etc.) werden im Zuge dieser psychologischen Nabelschau zumeist beiläufig mitgegeben.“ Das florierende Treiben um die innerpsychische Verfassung, die es zu modifizieren gelte, um im Alltag erfolgreich zu sein, sei das Kerngeschäft der Branche, welches sie unter dem Motto „Selbsthilfe“ vermarkte.



Wer hinter den Kulissen die Fäden zieht: Verschwörungsmythen im Internetzeitalter

„Warum verunglückte Prinzessin Diana? Weshalb gibt es AIDS? Wieso hat niemand die Ereignisse des 11. September 2001 verhindert? Wer bringt Kriege, Konflikte, Katastrophen und Wirtschaftskrisen in die Welt? Ganz einfach: ‚SIE‘! Und wer sind ‚SIE‘? Die Illuminaten. Die Freimaurer. Das Pharmakartell. Die Juden. ‚Männerbünde‘. Geheimgesellschaften. Zusammengefasst: Verschwörer, die alle Machtzentren wie etwa Politik und Medien infiltriert haben, ‚hinter den Kulissen‘ die Fäden ziehen und das Weltgeschehen nach ihren eigenen Interessen manipulieren.“ Bernd Harder, Redakteur, Pressesprecher der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften) befasste sich in seinem sehr anschaulichen Vortrag „Verschwörungstheorien im Internetzeitalter: Kennzeichen, Inhalte, Verbreitung, wirksame Information- und Aufklärung“.

Gemeinsam sei all diesen Behauptungen, „dass sie ‚keine Denkfigur eines rational gesicherten Diskurses‘ (Das Sonntagsblatt, 1996) sind. Mit anderen Worten: Sie werden gerne geglaubt, stellen aber wenig mehr als eine rein subjektive Gewissheit dar, die keinerlei Rechtfertigung bedarf. Verschwörungstheorien sind selbstimmunisierend, d.h.: Sie sind weder zu beweisen noch zu widerlegen, und jeder Kritiker kann problemlos verdächtigt werden, selbst Teil der Verschwörung zu sein.“ 


Nachfolgende Merkmale treten bei Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretikern auf:

  • Abtun von widersprechenden Beweisen als Indiz für eine Verschwörung

  • Obskurität

  • Abneigung, Wissen preiszugeben

  • Stützen auf Fälschungen

  • Widersprüchlichkeiten

  • Unmengen von gelehrter Scheinfaktizität und pedantischen Verweisen

  • Aufeinandertürmen von Verschwörungstheorien

  • Unkritische Akzeptanz jedweden Arguments, das auf eine Verschwörung hindeutet

  • Leichtfertiger Umgang mit Fakten

  • Macht als Ziel

  • Vorteilgewinn verrät Kontrolle

  • Keine Zufälle

  • Der äußere Anschein trügt

 

Wohin medizinische Scharlatanerie kombiniert mit antisemitischen Verschwörungstheorien führen kann, machte der erschütternde Bericht von Jacqueline Klaus deutlich. „Mein Vater ein Opfer der ‚Germanischen Neuen Medizin‘ “

Ihr Vater verstarb am 20.03.2015 im Alter von nur 68 Jahren nach einer Krebserkrankung und ausschließlicher Behandlung auf Basis der „Germanischen Neuen Medizin“ von Ryke Geerd Hamer. 

Beraten und begleitet wurde er bis zum letzten Tag von einem GNM-Dozenten, der über keinerlei medizinische Ausbildung verfügte und zum damaligen Zeitpunkt in Weißwasser eine „Akademie für natürliche Selbstheilung“ unterhalten hat.  Der Krebs wurde frühzeitig erkannt, operiert und hätte mittels der evidenzbasierten Medizin geheilt werden können. Doch es kam leider anders. Es gab einen direkten Kontakt zu Hamer. Dieser habe „meinem Vater eine Diagnose gestellt und über seinen weiteren Heilungsprozess gemäß der GNM beraten.“ Der GNM-Vertreter wiederum „forderte meinen Vater ständig auf ‚bleib auf dem richtigen Weg‘ und gab auch immer an, dass der Heilungsprozess lt. GNM - trotz zusehender akuter Verschlechterung des Allgemeinzustandes - normal verläuft.“ Statt Besserung und Heilung kam es zu einem qualvollen Sterben. Aus Sicht von Jaqueline Klaus ist dies „Betrug im Bereich Heilung mit anschließender Todesfolge, sowie eine Behinderung der schulmedizinischen Behandlung und unerlaubte Ausübung der Heilkunde.“ Eine eigentlich rechtzeitig erkannte und heilbare Krebserkrankung wurde so zur tödlichen Krankheit mit qualvollem Leiden, weil ihr Vater in die Fänge eines dubiosen Quacksalbers und von Ryke Geerd Hamer geriet. Aus einem lebensfrohen. kräftigen und gesunden Mann wurde ein abgemagerter Krebspatient, der unter schrecklichen Schmerzen sterben musste. Jaqueline Klaus ging gerichtlich gegen den GNM-Vertreter vor und leistet seitdem engagierte Aufklärungsarbeit. Das Thema wurde dankbarerweise auch immer wieder von seriösen Medien aufgegriffen. Nach wie vor treibt die GNM jedoch ihr Unwesen.[128] Die ideologischen Hintergründe hatten wir auf einer unserer vorhergehenden Jahresfachtagungen dargestellt.[129] 

„Vieles wissen wir über die Zeugen Jehovas, aber sehr vieles wissen wir nicht.“ So leitete Esther Fieber Ihren erschütternden Erlebnisbericht über „Meine Jugend bei den Zeugen Jehovas – eine Aussteigerin berichtet“ ein. 

Sie musste erleben, wie sie Stück für Stück einer grausigen Wahrheit ans Tageslicht beförderte. Dinge, die Esther Fieber „vor 20 Jahren nie, aber wirklich nie vermutet oder gar geglaubt hätte“. Sie habe im Zuge ihrer Recherchen, im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Eltern „in Abgründe geblickt, welche mich beinahe aus der Bahn geworfen hätten“. Es sei eine von den Geschichten, „welche nur Opfer hinterlassen und unbeantwortete Fragen, weil es auf solche Fragen keine Antworten gibt“.

„Gemeinsam gegen Abhängigkeit und Extremismus“. Einen Rückblick auf die Gründung und Entwicklung der Elterninitiative stellte Manfred Ach, Studiendirektor a.D., Leiter der ARW-Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen und ehemaliger Vorsitzender der Elterninitiative an. 

Wenn damals in den Gremien der Elterninitiative (EI) von „Religionsfreiheit“ die Rede war, so wurde damit nicht den „Supermarkt der Wahrheiten“, also den „freien Markt“ des überreichen religiösen und weltanschaulichen Angebots begrüßt, sondern es ging vielmehr darum, „dass diejenigen, die sich dort bedienten, ‚freie‘ Menschen blieben TROTZ der Zugehörigkeit zu der von ihnen gewählten Gemeinschaft, und dass ihre sonstigen Grundrechte (und die ihrer Mitmenschen) dadurch nicht verletzt wurden.“ Denn damals und heute waren und sind im Angebot, zum Teil hübsch verpackt und werbewirksam angepriesen, bedenkliche Heilskonzepte, die in jene Abhängigkeit und Radikalisierung führten, denen die EI ihren Namen („…zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus“) verdanke.

Vorrangige Aufgabe sei es gewesen, den Betroffenen zu helfen. An zweiter Stelle standen die Information und die Aufklärung der Öffentlichkeit. „Aber wie sollte ein kleiner Verein gegen multinationale Konzerne punkten? Erreichte man denn überhaupt die potentiellen Opfer? Und war es für Prävention nicht schon zu spät?“ 

Religion habe viele Gesichter. In saturierten Gesellschaften seien „ihre ‚Opiate‘ Wellness und Fun. Und vor allem, nach der „Zweiten Haut“, der eigenen Wohnung, die ‚Dritte Haut‘: der technologisch hohe Standard. Breitband-Ethik und Mainstream-Religiosität definieren psychosoziales Wohlbefinden als höchstes Ziel. ‚Gesundheit‘ ist heute das Gütesiegel geglückter Verdrängung. Und ‚Heilung‘ (statt Heiligung und Heil) das höchste Ziel der Wellness-Religionen.“

Es habe sich von selbst verstanden, dass sich die EI schon immer nicht nur als „Eltern-“ sondern auch als „Betroffenen-„Initiative“ begriff. Es sei von Anfang an nicht nur um gefährdete Kinder und Jugendliche gegangen, sondern auch um Ehepartner, Freunde und Bekannte – „letztlich um alle, die in Abhängigkeit von extremen Positionen zu geraten drohten.“ So gesehen, wurden auch jene Gruppen und Kulte, die in erster Linie Erwachsene ansprachen, zu „Sorgenkindern“ der Elterninitiati­ve, zumal die Mitglieder dieser Organisationen ja nicht alle grundsätzlich kinderlos blie­ben. Aktuell wird dies immer mehr deutlich, da immer mehr Betroffene zu Wort kommen, die als zweite Generation in die Gruppen hineingeboren wurden und keine eigene Entscheidung treffen konnten, ob sie dort eintreten und aufwachsen wollten.[130]

Leider verstarb im September des gleichen Jahres mit Markus Sackmann der Vorsitzende unseres Kooperationspartners „Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK)“, Staatssekretär Markus Sackmann. Er hat nicht nur unsere Arbeit über Jahrzehnte unterstützt, sondern sich auch persönlich sehr frühzeitig mit dem Thema befasst und immer wieder politische Initiativen auf den Weg gebracht. Zunächst als Leiter des jugendpolitischen Arbeitskreises, später als für das Thema verantwortlicher Sprecher der CSU-Landtagsfraktion und als JU-Landesvorsitzender, als zuständiger Staatssekretär im Sozialministerium und nicht zuletzt als langjähriger 1. Vorsitzender der ADK. Markus Sackmann war stets ein zuverlässiger Partner, auf den man zählen konnte. Seinem Einsatz war es wesentlich mitzuverdanken, dass unsere Initiative in vielfältiger Weise aktiv werden konnte. Mit seinem Tode verlieren wir einen geschätzten Freund, dessen Wirken und Einsatz uns stets in guter Erinnerung bleiben wird.

 

Totalitäre Ideologien erkennen 

Mit dem Thema „Radikalisierung, Machtmissbrauch, totalitäre Ideologien und dubiose Therapiemethoden“ befasste sich die Tagung 2016 (3. bis 5. Juni 2016).[131] 

Wie können Rechtsverstöße konkret geahndet werden? „Konkrete Fälle aus der Polizeipraxis“ stellte Kriminalhauptkommissar Hardy Bräuer aus München dar. Mit dem K 105 verfügt das Münchner Polizeipräsidium über einen eigenen Sachbereich zum Thema „sog. Sekten, Psychogruppen, Okkultismus, Satanismus“. Er stellte mögliche rechtliche Grundlagen dar und wies aber auch darauf hin, dass es keine separate Erfassungsmöglichkeit in der polizeilichen Kriminalstatistik bezüglich des Segmentes gäbe. Nicht alles sei darüber hinaus auch strafrechtlich relevant. Mögliche Beispiele, die ein polizeiliches Einschreiten möglich machten, seien in beispielsweise in den Bereichen sexuelle Übergriffe in neohinduistischen Gruppen und durch „Schamanen“, Verstöße gegen des Betäubungsmittelgesetz in der „Kirschblütengemeinschaft“, Trickbetrügereien mit „okkultem Bezug“ und die Problematik „okkult-ritueller Straftaten“.

Bernd Harder von der GWUP beleuchtete „Dubiose Zukunftsdeutungssysteme“ Dabei griff er das Beispiel Nostradamus und die kruden Auslegungen seiner „Prophezeiungen“ in der heutigen Zeit durch sog. Volksseher auf. Längst seien „die Schriften des Renaissance-Gelehrten ‚zum Zauberwerk der Weltgeschichte‘ mutiert. (…) Die zehn ‚Centurien‘ mit ihren 942 Versen enthalten alles, was die verunsicherten Menschen darin finden wollen. Es ist ein kollektiver Rohrschach-Test, in dem die Buchstaben die Rolle der Tintenkleckse einnehmen, in die jeder das projizieren kann, was ihm seine erregte Seelenlage diktiert.“, zitiert er den Psychologen Dr. Elmar R. Gruber in seinem Standardwerk „Nostradamus. Sein Leben, sein Werk und die wahre Bedeutung seiner Prophezeiungen[132]. Bernd Harder analysierte einzelne der gängigsten Prophezeiungen und nahm die Interpretation anhand bestehender Fakten auch aus der Geschichte auseinander. 

In früheren Jahren kaum beachtet, eher als randständige „Spinnerei“ abgetan geriet das Thema Reichsbürger erst langsam in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Über die Szene der „Reichsbürger - Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“berichtete Jan Ratje von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Bereits im Jahr 2012 wurde auf unserer Fachtagung mit dem Titel „Rassismus im neuen Gewand“ darauf hingewiesen, dass rechtsextremes Gedankengut in bisher eher unvermuteten Kreisen gesellschaftsfähig wird. Während rechtsextreme Parteien wie NPD, DVU und Republikaner regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten auftauchen, wird der Bereich des esoterischen Rechtsextremismus und Rassismus kaum beachtet, obwohl er eine breitere Bevölkerungsschicht anspricht als die traditionellen Nazis. Erst nach der Ermordung eines Polizisten im fränkischen Georgensgmünd wurde das Reichsbürger-Milieu in den Verfassungsschutzbericht des Bundes aufgenommen. 

Jan Ratje stellte die sehr heterogene Szene dar, zeigte Möglichkeiten auf, diese zu begreifen und stellte zivilgesellschaftliche Handlungsoptionen dar, die bei der Auseinandersetzung mit Anhängerinnen und Anhängern dieser Ideologie nützlich sein können. Dabei benannte er vier Gruppen von Reichsbürgern (Traditionell nationalistische ‚Reichsbürger‘, ‚Selbstverwalter‘, Monarchen und Stifter von Reichen und Fürstentümern, Milieumanager) und zeigte die ideologische Klammer, die Gedankengebilde (Ideologeme), die personelle Aufstellung und Beispiele aus dieser Szene aber auch im Vergleich zu „klassischen“ Rechtsextremisten auf. 

Es gelte einige allgemeine Handlungsoptionen zu beachten. „So sollte selbst kein widerspruchsfreies dualistisches Weltbild vertreten werden, in welchem lediglich die Rollen von Gut/Böse vertauscht werden. Eine Abwertung von Anhängerinnen und Anhängern als ‚Verrückte‘ oder Randgestalten überdeckt die gesellschaftlichen Ursprünge von Verschwörungsideologien und konstruiert eine vermeintlich ‚normale‘ Mitte der Gesellschaft. Auch nicht-verschwörungsideologische Weltbilder der ‚Normalen‘ haben ideologische Inhalte, Bereiche des Nichtwissens und der Fehlschlüsse. Deshalb sollte nicht einfach für die eine ‚normale‘ Position eingetreten werden, sondern die potentielle Fehlerhaftigkeit der eigenen Informationsquellen anerkannt werden, ohne gleichzeitig Verschwörungsideologien zuzustimmen.“ Es sollten die „menschenfeindlichen Elemente die Verschwörungsideologien zugrunde liegen“, dargelegt werden. Dabei handele es sich „um Antisemitismus, antidemokratische Gesellschaftsentwürfe, Antipluralismus, Nationalismus und personali-sierenden Antikapitalismus.“ 


„Wie und warum werden esoterische Verfahren bei Eltern immer attraktiver?“ Dieser Frage spürte Dr. Norbert Aust, Mitglied des Wissenschaftsrats der GWUP in seinem Vortrag „Nur das Beste wollen“ nach. Dass Eltern für ihre Kinder das Beste wollen, dürfte als Normalfall anzusehen sein. Das gelte beispielsweise in Erziehungsfragen, bei der Schulbildung, bei der Ernährung, der medizinischen Versorgung, kurz in allem, wofür Eltern gerade in den ersten Lebensjahren verantwortlich sorgen müssten. Ein wesentlicher Aspekt dabei sei jedoch das Erkennen, „was denn das Beste ist“. Inwieweit Eltern für ihre Kinder tatsächlich das Beste erreichen können, sei in hohem Maße auch davon abhängig, was sie im Hinblick auf ihre Ziele als das Beste ansehen würden. Dies setze jedoch voraus, dass ihnen auch entsprechende Informationen zu den Fragestellungen zur Verfügung ständen, die es zu entscheiden gälte. Diese Informationen müssten logischerweise zutreffend und umfassend sein, um eine fundierte Bewertung vornehmen zu können und auf dieser Basis eine Entscheidung treffen zu können. Informationen wärenheute im Zeitalter von Internet und Google praktisch überall und jederzeit in früher ungeahnter Vielfalt verfügbar - allerdings in höchst unterschiedlicher Qualität und zugebilligter Glaubwürdigkeit.“ Heutzutage sei das Hauptproblem bei der Informationsbeschaffung heute nicht mehr, wie man sich Information verschaffe, sondern ob die vorgefundene Information auch zuverlässig seien und damit als Entscheidungsgrundlage dienen könnten. Hinzu käme die Schwierigkeit, bei der Bewertung von Informationen mögliche Fehlschlüsse zu vermeiden.

Am Beispiel der Homöopathie verdeutlichte Norbert Aust das ganze heutige Informationsdilemma. Er beschrieb, wie man angebliche Erfolgsberichte kritisch hinterfragen könne und inwieweit tatsächliche Wirksamkeitsnachweise von „anekdotischer Evidenz“ zu unterscheiden seien. „Goldstandard“ bei der Beurteilung der Wirksamkeit evidenzbasierter Medizin sei „die doppelt verblindete, randomisierte, placebokontrollierte Vergleichsstudie“, deren Funktionsweise Norbert Aust detailliert erläuterte. Beim kritischen Hinterfragen von Informationen und eigenen Überzeugungen bestehe ein wesentlicher Aspekt darin, „sich einzugestehen, dass man sich auch irren kann - und zwar ziemlich grundlegend.“ Dies anzuerkennen, sei die Grundlage einer sinnvollen Auseinandersetzung mit schwierigen Themen und eine Grundvoraussetzung für kritisches Denken. Ein anderer Aspekt seien mehr oder weniger professionell aufbereitete Informationen, die z.B. von den Vorteilen einer Therapie, einer Geldanlage oder sonstigem Handeln überzeugen wollen. Dabei könnten insbesondere vier Gesichtspunkte als Scheinargumente kritisch hinterfragt werden müssten:

  • Argument der großen Zahlen

  • Unvollständige Werbeaussagen

  • Beispiel durch Prominente

  • Statistische „Artefakte“/ Scheinkorrelationen

Der Journalist Michael Ibach stellte am Beispiel der Kryon-Schule die Mechanismen kommerzieller esoterisch-spiritueller Angebote dar. Diese "Shima und Kryonschule – im Seelenlicht der 36 hohen Räte" bietet ein System von „Ausbildungsgängen“ mit  angeblichen „Qualifikationen“[133]. Hinzu kommen diverse Angebote für Seminarmittschnitte, Bücher, Schmuck, Kosmetik und andere Angebote. Problematisch wird es vor allem dann, wenn bei einigen Angeboten spezielle „Heiler“-Qualifikationen vermittelt werden sollen. Hier stellt sich die Frage ob und inwieweit es sich nicht sogar um unerlaubte Ausübung der Heilkunde handeln könnte.[134] 

Über „Machtmissbrauch und Radikalisierung in christlichen Gruppierungen“ berichtete Nathanael Stead. Nathanael Stead war selbst Mitglied (etwa neun Jahre) in einer radikal charismatischen/missionarischen Bewegung, die er vor über 15 Jahren verlassen hatte. Seitdem hat er ein Kinderheim in Rumänien gegründet, in der Bank Karriere gemacht und vor etwa fünf Jahren eine vollstationäre Kinder– und Jugendhilfe Einrichtung in Deutschland eröffnet.[135] Er ging in seinem Beitrag vor allem auf folgende Fragen ein:

  • Wie kommt man in eine Gemeinschaft/ Gruppe rein? Vom Gast zum Mitglied

  • Warum macht man das mit?

  • Der Blick von innen.

  • Der Blick von außen.

  • Wie komme ich wieder heraus? Was können Eltern/ Angehörige tun?

  • Was ist wichtig beim Lösungsprozess bzw. wenn der Betroffene die Gemeinschaft verlassen hat?

Es bestehe ein großes Bedürfnis der Ehemaligen zu erzählen, um das Erlebte zu verarbeiten. Hier sei es wichtig zuzuhören und keine „Moralpredigten“ zu halten – etwa im Sinne von: „Wie blöd warst du eigentlich?“ „Das habe ich dir die ganze Zeit über schon gesagt!“ Betroffene hätten gerade mit ihrem Ausstieg oft alles Materielle und vor allem auch die sozialen Kontakte verloren. Sie bräuchten viel Zeit, wieder an Stabilität zu gewinnen. Sie seien entgegen landläufiger Meinung auch nicht alle psychisch kranke, labile und gestörte Persönlichkeiten. Als solche sollte man ihnen auch nicht begegnen. Dies gelte auch dann, wenn der Grund, der zur Entscheidung der Gruppenzugehörigkeit geführt hat, von außen oft auf dem ersten Blick nicht verstanden zu sehen sei oder verstanden werden könne.

 

Aspekte wirksamer Hilfe

Der Frage „Richtig helfen - aber wie?“ versuchte die Tagung 2017 (19. bis 21. Mai 2017) nachzugehen.[136]

Den Auftakt bildeten Erfahrungsberichte Betroffener aus den Bereichen OCG-Ivo Sasek und esoterischer Lebenshilfeangebote.

Der freie Journalist Silvio Duwe zeigte anhand aktueller Medienberichte auf, wie OCG und AZK – eine Plattform für rechte Verschwörungstheorien bieten.

Oliver Koch ging auf das Thema „Kinder, Jugendliche und Neue Religiöse Bewegungen-Angebote, Beispiele, Einordnungen“ ein. Zum einen stellte er verschiedene Protagonisten in diesem Bereich und deren Auftreten, sowie mögliche Probleme vor. Diese Angebote spiegelten dabei u.a. folgende Bedürfnisse wider: 

  • „Sehnsucht nach einfachen Antworten in einer komplizierten Welt
  • Bedürfnis nach Unterstützung in der Erziehung durch eine ‚höhere Macht‘
  • Scheinbar einfache und wertschätzende Antworten auf tiefgreifende und zeitaufwändige Probleme“

In der Beratung träten vor allem folgende Probleme immer wieder auf:

  • An erster Stelle stünden Sorgerechtsstreitigkeiten bei Scheidungen und Trennungen Anfragen von Anwälten, Gerichten etc. 

  • An zweiter Stelle Anfragen von pädagogischen Fachkräften und Schulen: Fragen der Integration im Unterricht – sowohl inhaltlich (Kreationismus, Schwimmunterricht, Klassenfahrten) als auch sozial (Außenseiterintegration, Parallelwelten, Elternprobleme). 

  • Immer wieder familiäre Anfragen – von besorgten Freunden / dem Umfeld. Dahinter stehe oft die schwierige Entscheidung von Elternrecht und Kindeswohl.

 

Interessant war die Diskussion zu zwei Leitfragen: 

  • „Angesichts des Religionspluralismus – welche Art von weltanschaulicher Aufklärungsarbeit brauchen Kinder und Jugendliche heute?[137]

  • An welche hilfreichen Strategien im Umgang mit Schwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen aus Neuen Religiösen Bewegungen können Sie sich aus Ihrer Erfahrung erinnern?“

 

„Rechtliche Aspekte hinsichtlich zweifelhafter Heilungs- und Therapieangebote“, damit setzte sich Anja Gollan, Rechtsanwältin und Juristin beim Sekteninfo NRW auseinander. Es gab nie zuvor ein derart reiches Angebot an „Heilern“ – mit „alternativen“ und „ganzheit­lichen“ Behandlungsweisen. Die Bereitschaft Hilfe bei medizinischen „Laien­behandlern“ zu suchen, sei enorm gewachsen. Die Ursachen dafür wären vielschichtig. Oft stellten derartige Behandlungsmethoden eine „letzte Hoffnung nach erfolglosen schulmedizi­nischen Therapien“ dar. „Die als ‚sanft‘ und ohne Nebenwirkungen angepriesenen Methoden erscheinen reizvoll.“ Dieses zunehmende Vertrauen in nicht evidenzbasierte medizinische Heilmethoden spiegele sich auch in der Beratungsarbeit wieder. Vielfach würde nach den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz vor unseriösen Heilmethoden gefragt. Anja Gollan setzte sich mit der juristischen Bewertung des sog. Geistigen Heilens auseinander, zu dem es zwar eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebe, das jedoch keinen Freibrief darstelle. Vielmehr müssten auch hier bestimmte recht­liche Grenzen bei diesem umstrittenen Tätigkeitsfeld eingehalten werden. Weder „Geistheiler“, noch sonstige medizinisch nicht ausgebildete „Therapeuten“ und Anbieter „therapeutischer“ Produkte befänden sich im rechtsfreien Raum. Sobald die angebotenen „Hei­lungsverfahren“ medizinische Fachkenntnisse erfordern oder suggerieren würden, handele es sich um eine Heilbehandlung, die dem Heilpraktikergesetz unterliege. Hier werde der Nachweis ent­spre­chender medizinischer Kenntnisse erforderlich. Auch entsprechende Regelungen des Wettbewerbsrechts könnten zur Anwendung kommen, wenn es beispielsweise um unlautere Werbeaussagen gehe. Darüber hinaus könnten auch strafrechtlich relevante Tatbestände zum Tragen kommen. Neben dem Verstoß gegen § 5 Heilpraktikergesetz (verbotene Heilbe­handlung) käme hier vor allem Körperverletzung gem. § 223 StGB in Betracht.

„Kognitive Täuschungen und Fehlschlüsse“ analysierte Dr. Norbert Aust in seinem Vortrag. Er benannte als Beispiele Homöopathie und diverse Verschwörungstheorien. Dabei zeigte er mögliche Argumentationsstrategien auf. Argumente und Informationen müssten entsprechend gestaltet werden damit insbesondere unbeteiligte Zuhörer die vorgebrachten Argumente wirklich auf ihre Aussagekraft und Stichhaltigkeit überprüfen könnten oder vor allem wollten. Dabei gelte es vor allem:

  • „Falsche Aussagen nicht wiederholen, damit sie nicht im Bewusstsein an Präsenz gewinnen, Stichwort ist die Verfügbarkeitsheuristik. Wenn wir Aussagen wiederholen, bleibt am Ende nach einiger Zeit in der Erinnerung noch übrig, selbst wir Kritiker hätten diesen Standpunkt vertreten.
  • Wir sollten unsere Aussagen in das Bewusstsein des Mitlesers bringen, sie also so oft wie irgend möglich wiederholen, damit man sich daran besser erinnert als an die gegenteiligen Aussagen.
  • Statistiken wirken unpersönlich. 200.000 Tote bei dem großen Tsunami 2004 oder 220.000 machen in der Bedeutung kaum einen Unterschied, 100 oder 150 Todesopfer bei einem Erdbeben sind allenfalls ein Anlass für eine Art Leichenwettlauf in den Medien, wobei es offenbar darum geht, wer die höchsten Opferzahlen zuerst meldet. Die Geschichte der vermissten Maddie aber, die Namen und Gesicht hat, sowie verzweifelte Eltern, die rührt an - obwohl dies bei den vorgenannten Katastrophen sicher in weitaus größerer Anzahl aber eben anonym genauso geschehen ist. Natürlich stoßen wir mit persönlichen Geschichten auch an Grenzen, letztendlich wird man dies als Einzelfälle oder Verfehlungen von schwarzen Schafen sehen, die es schließlich überall gibt.
  • Weniger Argumente sind mehr. Offenbar sind zwei starke Argumente alleine wirksamer, als wenn noch zwei schwache, leicht zu entkräftende hinzukommen. Der Leser bildet eine Art Durchschnitt über alles und beurteilt diesen.
  • Bilder, Bilder, Bilder (sofern möglich)“

Die Anastasia-Bewegung als Beispiel für esoterischen Weltanschauungs-extremismus stellte Kirchenrat Dr. Matthias Pöhlmann in seinem Vortrag „Familienlandsitze, Zedernnüsse und Verschwörungen“

Die Buchreihe „Anastasia“ mit dem Untertitel „Die klingenden Zedern Russlands“ fände auch in Deutschland, besonders in der Esoterik-Szene, immer mehr begeisterte Leser und Anhänger. So würden die mittlerweile zehn Bände der Reihe in Esoterik-Magazinen und auf Esoterikmessen beworben. Einzelne Anhänger wären dazu übergegangen, die in den Büchern entfalteten Ideen in die Praxis umzusetzen. Das Zauberwort laute: „Familienlandsitz“„ein 1 ha großer ökologischer Mini-Kosmos mit Selbstversorgung“. Daneben gäbe es eine Vermarktungskette mit Anastasia-Produkten wie Zedernöl oder Zedernnüsse. Weit weniger bekannt sei, dass die Anastasia-Bücher Megres auch antisemitisches und geschichtsrevisionistisches, antidemokratisches und antipluralistisches Gedankengut enthalten würden. Bei genaueren Recherchen falle auf, wie anschlussfähig dieses mit „Ökologieromantik verklärte antimodernistische Gedankengut“ in verschiedenen alternativen Milieus sei: „Rezipiert wird der „Anastasianismus“ in der Esoterik, im Bereich der Perma-Kultur, im Umfeld von Reichsbürgern und Selbstverwaltern sowie bei neopaganen Gruppen. Er zeigte die ideologischen Grundlagen in den Büchern, Einflüsse und personellen Vernetzungen des Anastasianismus auf. Der „Übergang vom Leser- zum Klientenkult“ sei vollzogen.

In deutschsprachigen Raum zeige sich die Rezeption des Anastasia-Gedankenguts bei thematischen wie personellen Vernetzungen im Bereich esoterischer Friedensaktivitäten, der Ökologie bzw. Perma-Kultur und einer neuen Pädagogik.

Die Anastasia-Bewegung bzw. der Anastasianismus sei hierzulande eine weit verzweigte Bewegung. Sie vertrete esoterisches und parawissenschaftliches, aber auch antidemokratisches und antisemitisches Gedankengut. Sie füge sich hier gut in bereits vorhandene alternativ-ökologische und spirituelle Bewegungen ein. Damit ergäben sich vielfältige Schnittmengen und personelle Vernetzungen. Diese seien für den Außenstehenden nicht leicht erkennbar. „Die Anastasia-Bücher fördern antidemokratische Ressentiments. Sie bedienen eine in der Neuen Rechten feststellbaren Russland-Begeisterung und feiern Wladimir Putin als starken Herrscher. Die Kultur und Demokratien des Westens werden als dekadent und korrupt abgestempelt. Dies fällt im esoterischen wie politischen Bereich auf fruchtbaren Boden.“ Damit ergäben sich für den Anastasianismus zahlreiche Berührungspunkte und personelle Vernetzungen mit der Neuen Rechten wie auch mit der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene. Es sei sicherlich kein Zufall, dass sich Verschwörungsesoteriker, neurechte Akteure mit dezidiert antidemokratischer Gesinnung von der aus Sicht Pöhlmanns durchaus als totalitär zu bezeichnenden „Heilslehre“ Anastasia-Reihe angezogen fühlten, die von antimodernistischem Denken geprägt sei. Hier ergäben sich erstaunliche Schnittflächen an Themen und Überzeugungen zur Neuen Rechten.[138] Die im Anastasianismus verbreiteten Verschwörungstheorien, antisemitischen Stereotypen, das esoterische Überwissen und nicht zuletzt das sozialutopische Gedankengut wirkten für entsprechend empfängliche Außenstehende anziehend.

 

Die Herausforderungen wandeln sich

Wie kann in einer immer mehr fragmentierten Szene auf „Neue Herausforderungen für alte Probleme“ reagiert werden? Diese Frage war Thema unserer Jahrestagung 2018, die vom 8. bis 10. Juni 2018 stattfand.[139] 

Ein Betroffenenbericht befasste sich mit dem ELPHISMUS. ELPH sei ein esoterisch-pseudomedizinisches Überzeugungs- und Therapiesystem. Wie so viele Angebote dieses Genres habe es im Eigenverständnis die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Gestaltung der individuellen Lebensbedingungen zum Inhalt. „Der sogenannte ELPHismus soll aus der Mhaádeii-Lebensschule von Brigitte Elfriede De Angelis - (Brigitte Elfriede Scories) alias ‚Mhaadeii AmaMia‘ stammen. Die Bezeichnung ELPH ist von Schories Vornamen Elphriede abgeleitet, wird von ihr aber auch als Abkürzung für ‚easy life program for harmony‘ erklärt.“[140] Es werden Therapien, Coaching, Esoterik-Produkte und Kurse angeboten.

Über seine Erlebnisse und dem Ausstieg aus einem sogenannten Gesundheitshaus berichtete ein weiterer Betroffener.[141] Neben massiven finanziellen Aufwendungen berichtet er auch von massiven persönlichen Demütigungen und psychischer Beeinflussung. „Bei Aufstellungs-Seminaren erlebt er körperlich und verbal aggressives Ver­halten. Patienten werden von mehreren Personen festgehalten, nieder­gebrüllt und mit Worten gedemütigt. Dasselbe droht jederzeit auch den „Team“-Mitgliedern, die in regelmäßigen Supervisionen (‚Geisterneue­rung‘) von der Leiterin angeschrien und mit ihren angeblichen Unzu­länglichkeiten und Fehlverhaltensweisen ‚konfrontiert‘ werden. Stets agiert sie dabei mit „Victim blaming“, der Opferbeschuldigung – einer perfiden Masche, um dem ‚Team‘ Schuldgefühle zu suggerieren und Einzelne davon abzuhalten, ihre Despotie in Frage zu stellen.“[142]  Er schildert eindrücklich, wie es ihm schließlich mit Hilfe einer Beratungsstelle in Berlin und professioneller psychologischer Hilfe der Ausstieg gelingt. 

Befindet sich die „Aufklärungsarbeit in der Sackgasse?!“. Damit setzte sich der Journalist Hugo Stamm auseinander, der seit über 45 Jahren die Szene beobachtet und sich mit totalitären Angeboten auseinandersetzt. Massiv erschwert hat die Aufklärungsarbeit eine „Pulverisierung der religi­ösen Landschaft“. So habe er zu Beginn seiner Recherchen in den 1970er Jahren - ohne Freikirchen - etwa 50 Gruppen im Archiv, aktuell seien es „wohl rund 1000 problematische Zirkel und Gruppen. Heute hat niemand mehr den Überblick über den bunten Flickenteppich“. Es sei kaum mehr möglich, den Überblick zu behalten. Hauptverantwortlich für die Pulverisierung der Sektenlandschaft sei die Esoterik mit kaum mehr überblickbarer Angebotsfülle. Viel zur Fragmentierung habe auch das Internet beigetragen, das die Missions­möglichkeiten der vielen Gruppen erheblich erleichtert habe. „Werbung vom Bürotisch aus ist billig und wirksam geworden (…) So werden das Anbieten von Kursen und die Bewerbung von Veranstaltungen leicht gemacht. Das Internet hat außerdem dazu geführt, dass viele Esoteriker auf den spirituellen Markt drängten. Mit ein paar Mausklicks können sie sich als übersinnli­che Meister präsentieren und auf Kundenfang gehen.“

Sein düsterer Ausblick in die Zukunft sollte sich leider in der Corona-Pandemie bestätigen. „Sektenhafte Züge nimmt auch die rasant wachsende, weltumspannende und heterogene Szene der Verschwörungstheoretiker an. Die Verweige­rung, Fakten zu prüfen, ist ein gefährliches Gesellschaftsspiel geworden. Das daraus resultierende Misstrauen gegenüber den staatlichen und wissenschaftlichen Autoritäten führt zu einer verhängnisvollen Ent­fremdung.“ Die Zwillingsschwester der Verschwörungstheorien sei eine zerstöreri­sche Fake-News-Kultur. Beide würden gemeinsam unsere politische und geistige Kultur von innen heraus zerfressen. Um so wichtiger sei eine intensive Aufklärungs- und Beratungsarbeit. Es gelte gemeinsam mit den seriösen Medien „als verlässliche Seismographen die religiösen Verwerfungen re­gistrieren und dokumentieren.“ Allerdings erschwerten die Krisen der Qualitätsmedien, primär der Printmedien, die Aufklärungs­arbeit zusätzlich. Die Medienlandschaft sei radikal im Umbruch, entsprechende Plattformen würden immer mehr wegbrechen.

Mit den Schwierigkeiten aus den Gruppen oder Angeboten auszusteigen, beschäftigte sich der Vortrag von Herbert Busch unter dem Thema „Wenn bleiben einfacher ist als Gehen“. Es sei hilf­reich, sich zunächst die psychologischen Gründe anzusehen. „Im Alltag fällt auf, dass der, der verlässt, aktiv werden muss, er muss die Komfort­zone der Gewohnheit verlassen und sich auf neues Terrain wagen. Er geht Risiken ein. Als Handelnder fällt ihm von außen betrachtet auch leichter die „Schuld“ zu, zumal er derjenige ist, der verlässt und zugleich hinter sich lässt.“ Niemand gehe in derartige Gruppen oder nehme Angebote wahr, um sein Leben zu ruinie­ren, sondern weil er hoffe, in der Gruppe die Antworten auf seine Fragen und die Lösung seiner Probleme zu finden. Diese notwendige Suche nach Beziehung, Halt und Orientierung führe die Menschen auf den Markt der weltanschaulichen Möglichkeiten, auf dem die beiden großen Kirchen inzwischen nur ein Anbieter unter vielen seien. „Eindimensionale Erklärungsmuster für den Eintritt, Verbleib oder Aus­tritt aus einer weltanschaulichen Gruppe greifen nicht.“ Gängige Verallgemeinerungen wie, das Mitglied sei schon vor Eintritt psychisch instabil gewesen oder die Eltern seien an allem schuld oder die weltanschauliche Gruppe trägt die alleinige Schuld, führten in die Irre. Das Bild der „Sektenkarriere“ als nicht stoffgebundene (Sehn-)sucht treffe es schon eher.Das Angebot muss zu den elementaren Bedürfnis­sen des Suchenden passen, um ihn anzuziehen.“ Gelinge die „Kult-Bedürfnis-Passung“ nicht, entwickle sich die Aus­stiegsproblematik. Denn, sich einen solchen Irrtum mit all seinen Fol­gen einzugestehen, verlange emotionale Kraft und innere Stär­ke. So würden auch manche aus Kraft- und Mutlosigkeit in der problematischen Gruppe bleiben. Problematisch sei, dass die Ideologie der Gruppe aber auch ihre Beheimatungs- und Bezie­hungsangebote dann wie ein Kokon wirke, der das Mitglied um den Preis der Übernahme von Haltung und Verhalten der Gemeinschaft schütze – „auch vor seiner Vergangenheit, auch vor seinen eigenen Zwei­feln.“ Werde dieser „Kontrakt“ brüchig, stehe der Ausstiegswillige vor großen Schwierigkeiten. Er sei dann wieder allein und er ist erneut beschämt. Die vormals „rettende Insel der Seligen“ zu verlassen bedeute für den, der gehen will, in ein Meer von widersprüchlichen Gefühlen einzutau­chen, „in das Meer der Ungewissheit in das Meer der Schuldgefühle, in das Meer der Selbstzweifel und in das Meer der Ängste“. Geschehe eine akti­ve Abgrenzung seitens der Gruppe, sei auch die Rückkehr auf die 'ret­tende Insel' für den „Abtrünnigen“ versperrt. Je intensiver eine weltan­schauliche Gruppe ihr Mitglied vor der Außenwelt abschirme, umso mehr Mut brauche es zum Ausstieg, besonders, wenn man ihn allein schaffen wolle oder müsse. Gelänge es dem Aussteiger, seine Gruppenerlebnisse zu verarbeiten und sich nun erfahrener seinen Fragen und Bedürfnissen zu stellen, könne dies zu einem wichtigen Entwicklungsschritt für ihn wer­den. Dies sei die Aufgabe der weltanschaulichen Beratung so wie er sie verstehe.

Über seine „Innenansichten aus der Reichsbürgerbewegung“ berichtete der Autor Tobias Ginsburg. Er war acht Monate lang inkognito in die Szene der „Reichsbürger“ und rechten Verschwörungstheoretiker eingetaucht. Seiner Auffassung nach habe Deutschland „kein Problem mit Reichsbürgern. Es ist viel schlimmer. Wir haben ein Problem mit rechtsradikalen Verschwörungstheorien. Wir haben Probleme mit Menschen, die sich und das deutsche Volk als Opfer dunkler Machenschaften wahrnehmen. Wir haben ein Problem mit Angst, Hass und Wahn.“  In der Szene fänden sich „eisenharte Neonazis und Rechtsradi­kale genauso wie pseudolinke ‚Systemkritiker‘, fundamentalistische Sektierer und lichtumspülte Esoteriker genauso wie Menschen aus dem wohlsituierten Bürgertum.“ Was sie alle vereine und eine so heterogene und weitreichende Szene entstehen ließ, sei eine einzige, aber dafür sehr effektive Verschwörungstheorie: „Das deutsche Volk sei Opfer einer Weltverschwörung und die Bundesre­publik ein Teil dieses Komplotts und daher kein legitimer, souveräner oder echter Staat.“ Sie würden sich als die wahren Deutschen begreifen, als das eigentliche Volk, als die Aufgewachten. Mit entsprechender Verachtung blickten sie auf den Rest der Gesellschaft. „Sie sehen in uns anderen Komplizen des Systems oder manipulierte ‚Schlafschafe‘, Diener und Knechte von Regime und Verschwörern.“ Reichsideologie sei Selbstermächtigung und „Opfergetue“ zugleich. 

Über einen Protagonisten, der gute Kontakte in die Szene der Verschwörungstheoretiker pflegt und selbst derartige Ideologien immer wieder selbst befördert, berichtete Hugo Stamm. „Ivo Sasek - Ein Prediger mutiert zum rechten Politagitator“ lautete sein Thema. Der damals 61-jährige Schweizer sei eine schillernde Figur „mit einem stattlichen Ego. Was er glaubt, hält er für absolut wahr, und was er denkt, ist für ihn das Produkt einer göttlichen Inspiration.“  Zweifel oder gar Selbstzweifel gebe es im Kosmos von Ivo Sasek nicht. Er fühle sich von Gott auserlesen, von ihm gelenkt und geführt. Und von ihm auserkoren, die christliche Heilsgeschichte zu vollenden. Das sei für ihn die höchste Form der Legitimation für seine Mission, er siehe sich im Status der Un­fehlbarkeit. „Das ist das Holz, aus dem Narzissten geschnitzt sind.“ Bei einer religiösen Verblendung sei eine solche Selbstwahrnehmung noch einigermaßen nachvollziehbar. Doch Ivo Sasek habe eine radikale Metamorphose durchlebt. Er sei vom Pastor „zum Polit-Guru mutiert. Wenn er nicht so viel Einfluss auf so viele Menschen hätte, würde ich sagen: zum Polit-Clown.“ Doch bei näherem Hinsehen müssten es differenzierter betrachtet werden. Sasek habe sich multipliziert. Er habe neben dem Hut des Prophe­ten einen zweiten aufgesetzt: den des Politführers.  „Ivo Sasek realisierte offenbar, dass er mit religiösen Aktionen allein kei­ne Chance hat, den Anti-Christ, also die geheimen Mächte, die dabei waren, die Menschheit zu versklaven, zu besiegen. Dazu braucht es politische Aktionen.“ Diese organisiere er mit seiner Anti-Zensur-Koalition (AZK), mit Klagemauer-TV (kla.tv), seiner Publikation „Stimme und Gegenstimme“ und anderen politi­schen Projekten „mit Vorliebe im Chor mit Verschwörungstheoretikern, Populisten, Rechtsradikalen, Fake-News-Verbreitern und Holocaust­leugnern.“ Er glaube, die „Wahrheit“ werde von den Mächtigen gezielt unterdrückt, um die Massen manipulieren zu können. Indem er die vermeintlichen Verschwörungen aufdecke, wolle er das manipulierte Volk aufrütteln und zum Widerstand motivieren. Seine Polit-Agitation sei gefährlicher als seine religiösen Aktionen und Werke. Denn sein Erfolg ist auf der rechten Politbühne erheblich.

Die Zeugen Jehovas (ZJ) gehören zu den missionarisch eifrigsten wie auch umstrittensten christlichen Sondergemeinschaften. Über die neuen Werbestrategie und Medienpräsenz der Zeugen Jehovas informierte Kirchenrat Dr. Matthias Pöhlmann in seinem Vortrag „Predigtdienst auf allen Kanälen“.

In Fußgänger­zonen und an größeren Bahnhöfen seien sie besonders oft zu sehen. „Doch es ist nicht mehr das gewohnte Bild. Verstärkt werben nunmehr meist jüngere Menschen mit Trolleys und Tablets für Jehova.“ Die ZJ hätten ihr Erscheinungsbild deutlich verändert. Unübersehbar sei auch das neue Logo mit der neuen Internetpräsenz www.jw.org. Die Wachtturm-Gesellschaft beschreite seit einigen Jahren neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit. Matthias Pöhlmann stellte die neuen publizisti­schen und multimedialen Aktivitäten der ZJ vor. Dabei hinterfragte er, welches Selbstverständnis der Wachtturmgesellschaft sich darin widerspiegele und ob diese äußeren Veränderungsprozesse Aus­wirkungen auf das Verhältnis der Zeugen Jehovas zur Welt und im um­gekehrten Fall auch auf die Organisation haben könnten.

Das neue äußere Erscheinungsbild der ZJ mit Trolleys und Tablets in den Fußgängerzonen gehöre inzwischen zum gewohnten Bild. „Nicht je­der vermutet dahinter gleich die bekannte Organisation. „Vom Äußeren könne man den Eindruck gewinnen, dass die Wachtturm-Gesellschaft sich gewandelt und stärker den Erfordernissen der modernen und digi­tal geprägten Welt angepasst habe.“ 
Gleichwohl könne die neue Image- und Corporate-Identity-Kampagne nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den neuen Kanälen die altbe­kannten ideologischen Inhalte der sich als theokratische Organisation verstehenden Gruppe zu finden seien.

Wie man Verschwörungstheorien und „gefühltes Wissen“ entlarvt, erläuterte Bernd Harder in seinem Vortrag mit dem Thema „Aufklärung in der Postfaktokalypse“.

Er stellte Faustregeln zur Einzelfallanalyse und charakteristische Merkmale vor, um eingebildete Ver­schwörungstheorien von solchen, denen tatsächlich eine Verschwörung zugrunde liegen könnte, zu unterscheiden.

  • „Die Obskurität“: Verschwörungstheoretiker lehnten das gewöhnliche Wissen ab und suchten stattdessen exotische und wenig be­kannte Varianten.

  • „Die Abneigung, das vorgebliche Wissen preiszugeben.“

  • „Das Stützen auf Fälschungen“: Das bekannteste Beispiel seien hier die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘.

  • „Die Widersprüchlichkeiten“: Verschwörungstheoretiker brächten mit leichten Abwandlungen und aufschlussreichen Wi­dersprüchen immer die gleichen Kernthesen in Umlauf.

  • „Unmengen von gelehrter Scheinfaktizität und pedanti­schen Verweisen.“

  • „Das Aufeinandertürmen von Verschwörungstheorien“: Die Lücke in einer Verschwörungstheorie werde wiederum durch eine weitere Verschwörungstheorie erklärt.

  • „Die unkritische Akzeptanz jedweden Arguments, das auf eine Verschwörung hindeutet.“

  • „Vorteilgewinn verrät Kontrolle“: Wer aus einem Ereignis Gewinn ziehe, müsse es auch verursacht haben.

  • „Leichtfertiger Umgang mit Fakten.“

  • „Es gibt keine Zufälle und Torheiten“: Der Zufall spiele kei­nerlei Rolle. Was immer in der Gesellschaft geschieht, sei für den Verschwörungstheoretiker das Resultat direkten Planens von einigen wenigen, mächtigen Einzelpersonen oder Gruppen.

  • „Der äußere Anschein trügt“: Für einen vernünftigen Men­schen bedeutet ein Mangel ein Beweisen, dass es eben keine Verschwörung gebe. Für einen Verschwörungstheoretiker hinge­gen bestehe der beste Beweis darin, dass es gar keinen Beweis gibt.

 

Esoterik und soziale Gesellschaftsutopien als Herausforderung

„Neue Erscheinungsformen von Gesellschaftsutopien, Psycho-Methoden und totalitären Ideologien“ lautete das Thema unserer Jahrestagung 2019 (17. bis 19. Mai 2019).[143]

Unter dem Titel „Esoterik und soziale Gesellschaftsutopien“ unternahm es der Vorsitzende unserer Initiative, Willi Röder, Lebensgemeinschaften darzustellen, die sich heute als alternativ spirituell präsentieren und in zahlreichen Netzwerken miteinander verbunden sind.  Aus der Beratungsarbeit heraus könne man eine Reihe von Problemfelder erkennen, die im Zusammenhang mit solchen Gruppen stehen würden:

  • „Soziale Kontrolle

  • Grenze des „selbstgestalteten“ Lebensraumes wird zur Wahrheitsgrenze

  • Isolation der Gruppe

  • Polarisierung des Menschen-, Gottes- und Weltbildes 

  • Gesundheitsrisiken

  • Totalisierende Theoriebildungen

  • Konflikte mit der jeweiligen Gesetzgebung“

Willi Röder stellte diverse Gruppen vor, die einen eindeutig esoterischen Charakter aufwiesen und deren Visionen und Konzepte sich auf mythologisch-esoterischen Weltbildern gründeten, auch wenn sich diese hinter „psychotherapeutischen“ Kursen verbergen würden. Besonderes Augenmerk richtete er auch auf die Familienlandsitze aus dem Umfeld der Anastasia-Bewegung und völkische Siedler.

Winfried Müller, Internetpionier in der Aufklärungsarbeit und Begründer von religio.de berichtete unter dem Thema „Auseinandersetzung mit “neuen” religiösen und ideologischen Gemeinschaften“ über den Stand der Aufklärungsarbeit und Ausblicke auf die künftige Präventionsarbeit im Zeitalter von Internet, social bots, Wikipedia und sozialer Netzwerke. 

Bei „Shinchonji“ kommen durchaus Erinnerungen an die Mun-Bewegung hoch, die vor allem in den 70er und 80er Jahren bei uns große Aufmerksamkeit erregte und Kontroversen auslöste. Pfr. Oliver Koch zeigte im Rahmen seines Referats „Hintergründe, Beratungsinhalte und Erfahrungen mit den Methoden einer koreanischen Neureligion in Deutschland“ auf.

Jugend, Frieden, Bibelkurs: Diese drei Schlagworte beschrieben einen großen Teil der Anknüpfungspunkte, mit denen Shinchonji-Untergruppen wahrgenommen werden könnten. Die Theologie von Shinchonji sei untrennbar mit der Person Man-Hee-Lees verknüpft. Er fungiere als „der verheißene Gesandte Gottes“. Es werde ein endzeitliches und heilsgeschichtliches Selbstverständnis vermittelt. Die Anhänger von Shinchonji seien davon überzeugt, Anhänger eines neuen Himmels und einer neuen Erde zu sein. Shinchonji entwickelte sich in Südkorea durch rege Missionsarbeit rasant. Mittlerweile sei die Gruppe weltweit tätig und präsent. Seit ca. 2006 sei die Gruppe vor allem durch „Untergruppierungen und Fassadengemeinden“ auch in Deutschland aktiv. Es gebe Gruppen in Essen, Stuttgart, Berlin und Frankfurt am Main, wobei die letzten beiden die größten sind. Durch die rege Missionstätigkeit wüchsen die Gruppen stetig. Es seien Ausweitungen auf andere Städte geplant. 

Die Einladung zu kostenlosen Bibelkursen sei die Eintrittskarte in Shinchonji. Dabei werde nicht transparent gemacht, zu welchem Ziel sie eigentlich führen.

Es gebe grundsätzlich zwei Arten von Gottesdiensten: 

  • Gottesdienste für die Besucher der Bibelkurse, die noch nicht wissen, dass es sich um Shinchonji handelt. Von Man-Hee Lee ist hier noch nicht die Rede. 

  • Gottesdienste für die eingeweihten Mitglieder: Hier gebe es Zugangskontrollen der Art, dass die Farben des jeweiligen Stammes getragen werden müssten. 

Es sei eine klar strukturierte Missionierungsstrategie zu beobachten, bei dem eine zu missionierende Person von einem zehn bis 15-köpfigen Missionsteam in den Blick genommen und mit dieser Strategie bearbeitet werde. Diese lasse sich in acht Phasen einteilen:

Informationen sammeln: Ohne dass die zu missionierende Person es weiß, würden persönliche Informationen über sie gesammelt und im Folgenden auf Vordrucken notiert und gespeichert. Es würde bis zu 150 Punkte pro Person abgefragt.

Spionieren mit dem Sammeln weiterer Informationen.

Kategorisieren: Nach vorgegebenen Shinchonji-Maßstäben werde die Person eingeordnet. 

Gewinnen: In dieser Phase falle die Entscheidung im Missionsteam, ob auf Basis der Kategorisierung die Person missioniert werde oder nicht. 

Angepasste Mission:Das Theater beginnt“. In der Regel würden „Zufälle“ herbeigeführt, die exakt auf die persönlichen Bedürfnisse der zu missionierenden Person zugeschnitten würden, um sie anzusprechen. Ziel sei es persönliches Vertrauen zu gewinnen.

Erfahrene Mitglieder würden nun langsam das Vertrauen der Person gewinnen. Hier könnten auch persönliche Freundschaften oder gar Partnerschaften vorgespielt werden.

Maßgeschneiderte Strategie: Die Informationen über die Person wachse dadurch immer weiter und das Vertrauen bei ihr selbst werde immer größer. Gemeinsam werde im Team weiter an der maßgeschneiderten Strategie gearbeitet.

Beginn der Ausbildung: Nun könne die Person in eine als harmloses Biblecenter getarnte Shinchonji-Ausbildungsstätte gebracht werden. Dort begänne dann der Bibelkurs, der nahezu täglich stattfinde. Er führe dann sehr schnell dazu, dass die Person die Lehre von Shinchonji annehme und nach Grund-, Mittel- und Oberstufe selbst aktives und missionierendes Mitglied werde. Während der ganzen Phase würden tägliche Berichte angefertigt. Diese würden immer von drei Personen geschrieben werden: Dem Missionierenden, einem Ausbildenden und einem Überwachenden.

Während der Corona-Pandemie erlangte die Gruppe traurige Berühmtheit.[144] Es kam zu einem Super-Spreader Event.[145]

Erstmals befassten wir uns mit einem sehr sensiblen Thema unter der Überschrift „Neomythos rituelle Gewalt und Mind-Control“.  Die Psychologin Bianca Liebrand vom Sekten-Info- NRW erläuterte psychologische Erklärungsansätze. Ein Erfahrungsbericht einer Betroffenen machte die Problematik nochmals sehr eindrücklich deutlich. In der Beratungsstelle meldeten sich Betroffene, die innerhalb einer auf der Ideologie der ‚rituelle Gewalt und Mind-Control‘, basierenden Therapie „darin bestärkt wurden, ihre Persönlichkeit habe sich in mehrere Anteile aufgespalten und sie seien sexuell („rituell“) missbraucht worden, obwohl sie zunächst keine Erinnerung an einen Missbrauch gehabt haben.“ Schon im Jahr 2006 wurde in der Beratungsstelle ausführlich über die Theorie des rituellen Missbrauchs im Satanismus berichtet.[146]

Selbstverständlich zweifle niemand an der Existenz sexuellen („rituellen“) Missbrauchs, organisierter Kriminalität sowie schwer traumatisierter Menschen mit einer Dissoziativen Identitätsstörung[147]. Aber die „Annahme, dass die Betroffenen Opfer einer systematischen und absichtsvollen Abspaltung ihrer Persönlichkeiten sind und diese von geheimen Netzwerken für deren Nutzen „programmiert“ werden, fußt allerdings auf keiner wissenschaftlich fundierten Basis. Dennoch werden PatientInnen in kassenärztlich finanzierten Psychotherapien nach Methoden behandelt, die auf dieser Ideologie basieren.“ 

Eine Betroffene berichtete über ihre Therapieerfahrungen und das „Einreden“ eines Missbrauchs. Sie war aus anderen Gründen zu einer Therapeutin gegangen. Diese Krise sowie die Selbstunsicherheit machten mich sehr vulnerabel für alles, was danach kam. (…) Meine Therapeutin sah in meinen Symptomen Anzeichen für sexuellen Missbrauch. Ich wurde danach gefragt und verneinte ganz klar, da ich keinerlei Erinnerungen an einen sexuellen Missbrauch hatte. Die Therapeutin erklärte mir, dass man Missbrauch verdrängt und je schlimmer ein Missbrauch sei, desto tiefer würde man ihn verdrängen. Das wäre ein Schutzmechanismus der Seele. In der Therapie sollte aufgedeckt werden, ob und was genau geschehen ist. Ich habe zwar kategorisch abgelehnt, habe mich aber verunsichern lassen, denn schließlich könne ich es auf Grund verdrängter Erinnerungen nicht wissen. (…) Auf Anraten meiner Therapeutin ging ich freiwillig auf eine Psycho-somatische Station. (…) Einige Mitpatienten wussten vorher nichts von ihrem Missbrauch und haben es durch die Therapie erst erfahren. Ich stellte meine eigene Wahrnehmung in Frage, denn es ist ganz normal, sich nicht zu erinnern. Mir wurde gesagt, man muss sich ganz vorsichtig den verdrängten, verschütteten Erinnerungen nähern. Ich war damals sehr unsicher und völlig hin und hergerissen, ließ mich aber darauf ein. Ich war nur Patient, die Therapeuten hatten studiert und waren die Experten. Explizite Aufdeckungsarbeit ließ ich in der ersten Therapie nicht zu, aber das Thema „sexueller Missbrauch“ stand die ganze Zeit im Raum und das war sehr verunsichernd. Während all meiner Therapien wurde ich behandelt wie jemand, der sexuell (später rituell) missbraucht wurde. Wenn ich äußerte, dass es ein Irrtum sein muss, reagierte ich nach Meinung der Therapeutin auf die Art und Weise darauf, die typisch ist für Menschen, die etwas so Schreckliches erlebt haben. Dadurch wurde ich immer unsicherer und begann, mich nach und nach zu fühlen wie eine sexuell (rituell) missbrauchte Frau, auch wenn ich gar keine Erinnerungen hatte.“

Für den Umgang mit Verschwörungstheorien gab Bernd Harder in seinem Referat „Schattenstaat und Puppenspieler“ den Teilnehmern konkrete Werkzeuge an die Hand. Verschwörungsglaube sei „Pseudoskepsis“. Verschwörungstheoretiker hielten sich selbst für eine „Wissenselite, Teil einer großen Aufklärungsbewegung, die hinter die Kulissen schaut, den Schleier lüftet und exklusive Erkenntnisse besitzt, durch die sie sich der Masse der „Schlafschafe“ und „Medienzombies“ überlegen fühlen kann.“ Je deutlicher man den Gegensatz zu „den Manipulierten“ betone, desto vehementer könne man sich einkapseln und die selbst behauptete Marginalisierung als eine Art Adelsprädikat des „freien Denkens“ ausgeben. Es würden vereinfachte Welterklärungen angeboten. Ein Verschwörungstheoretiker verhielte sich zum professionellen Historiker, Politologen, Enthüllungsjournalisten wie der „Schatzsucher zum Archäologen“. Statt eines analytischen Blickes werde ein bereits feststehender Erklärungsansatz auf alles angewendet und, wenn nötig, passend zurechtgebogen. Verschwörungsgläubige seien auch nicht krank. Sondern in aller Regel geistig völlig gesund, ihr psychologisches Profil weise keine Besonderheiten auf. Psychiatrisierungsversuche im Umgang mit Verschwörungstheoretikern sollte man unterlassen. Es hätten sich folgende Eckpfeiler für eine Online-/Offline-Diskussion mit Verschwörungstheoretikern bewährt:

  • Freundlich und sachlich bleiben

  • Resolutes Auftreten (Profil zeigen, die eigene Weltsicht klarmachen, Interessenehrlichkeit schaffen, Wahrheitskriterien benennen)

  • Falschaussagen widerlegen („debunken“), an Fakten festhalten, eingängige persönliche Gegenerzählungen – auch emotionaler, „anekdotischer“ Art – liefern und die Lücke füllen, die eine korrigierte Fehlinformation bei Ihrem Diskussionspartner im Geist hinterlässt

  • Klare Botschaften mit kurzen, verständlichen Sätzen

  • Schwerpunkt auf wenigen Kernargumenten, Überkomplexität vermeiden

  • Verschwörungstheoretische Falschaussagen möglichst nicht wiederholen, und wenn, dann nur mit der expliziten Warnung, dass das, was jetzt kommt, falsch ist

  • Valide Quellenbelege und genaue Erklärungen einfordern

  • Nachfragen, Diskussionspartner in logische Widersprüche verwickeln

  • Fakten von Meinungen trennen und erklären, was Meinungsfreiheit wirklich bedeutet

  • Überlegen, was hinter der Überzeugung des Diskussionspartners stecken könnte

  • Unbelehrbaren Diskussionspartnern Grenzen setzen („rote Linie“)

  • Klarmachen, dass das Abrücken von einer falschen Annahme nicht bedeutet, die persönliche Weltanschauung aufgeben zu müssen.

Ihre Erfahrung stellte eine Betroffene dar und beleuchtete manipulative Praktiken in Ivo Saseks OCG (Organische Christus-Generation) und der Anti-Zensur-Koalition während ihrer Mitgliedschaft. 

Hauptpunkte aus ihrer Sicht sind:

„Das Selbstbild zerstören“: Mitglieder würden auf ihre Schwächen reduziert und zur Aufgabe ihrer Identität zugunsten der Gruppenzugehörigkeit gedrängt.

„Totalkapitulation“: Die Gemeinschaft („Organismus“) würden als einzige Quelle der Identität und Stärke dargestellt.

„Konformitäterzwingen“: Mitglieder stünden unter Druck, Leistung zu erbringen, Gruppendenken zu folgen und Kritik zu vermeiden.

„Ausweglosigkeitschaffen“: Kritik, Überforderung und systematischer Druck zermürbten Betroffene und erschwerten einen Ausstieg.

Ziel sei nach ihrer Wahrnehmung eine maximale Kontrolle durch psychologische Zermürbung und totale Anpassung an die Gruppenstruktur („So gebrochen wie möglich. So leistungsstark wie irgend möglich. Ein Ausbruch schier unmöglich.“)

Ein weiterer Betroffener berichtete über seine Zeit bei den Zeugen Jehovas. Die Zeugen Jehovas übten durch soziale Kontrolle, interne Regeln und ideologischen Druck einen massiven Einfluss auf Mitglieder aus. Die Kombination aus Ausschlussdrohungen, Isolation und rigiden Vorschriften führe zu psychischen Belastungen und schränke die persönliche Freiheit erheblich ein. Besonders gravierend seien die Missstände gerade beim Umgang mit Kindesmissbrauch und die Folgen des sogenannten Blutverbots. Eine aus seiner Sicht systematische Vertuschung und mangelnde Transparenz förderten eine toxische Dynamik, die sowohl Mitglieder als auch Aussteiger nachhaltig belaste. 

 

Corona nicht ohne Folgen - Verschwörungstheorien feiern fröhliche Urständ 

Die Corona-Pandemie ging auch an uns nicht spurlos vorüber. So konnten keine Jahresfachtagungen stattfinden. Die Informations- und Aufklärungsarbeit musste „online“ stattfinden. Entwicklungen, vor denen wir bereits Jahre zuvor immer wieder gewarnt hatten, brachen sich massiv Bahn. Die Corona-Pandemie diente dabei als Katalysator für die Verbreitung und Radikalisierung von Verschwörungs-theorien, die sich mit esoterischen und rechtsextremen Ideologien vermischten. Die Querdenker-Bewegung wurde zunehmend von diesen radikaleren Strömungen geprägt, was zu einer breiten Akzeptanz von antisemitischen, rassistischen und anti-demokratischen Narrativen führte. Den sozialen Medien kam eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung dieser Ideen und der Bildung von Echokammern zu, die eine Radikalisierung weiter begünstigten. Sie spielten während der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle als „Brandbeschleuniger“ für die Verbreitung von Verschwörungstheorien, rechter Ideologie und brauner Esoterik. Sie förderten die schnelle und weite Verbreitung von Desinformation und halfen, radikale Ideen schnell und weitreichend zu verbreiten. Verschwörungstheorien konnten in kürzester Zeit Millionen von Menschen erreichen, oft ohne jede Form der Überprüfung oder Filterung. Hinzu kommt, dies im Verhältnis zu früheren Zeiten ohne größeren Aufwand betreiben zu müssen. Bei komplexen Themen wie der Pandemie boten die Plattformen einfache, scheinbar leicht zugängliche Narrative, die Zweifel und Ängste der Menschen aufgriffen. Gleichzeitig entstehen immer weitere Echokammern und Filterblasen. Plattformen wie vor allem Telegram, Facebook, und YouTube schufen geschlossene Räume, in denen Nutzer nur noch mit Inhalten in Kontakt kommen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigten. Diese sogenannten Echokammern verstärkten die Sichtweise der Menschen und isolierten sie von gegenteiligen Meinungen. Hier konnten sich Verschwörungstheorien und radikale Ideologien ungehindert ausbreiten, ohne dass eine kritische Auseinandersetzung stattfand. Einen traurigen Höhepunkt bildete die versuchte Erstürmung des Reichstagsgebäudes im Rahmen einer Querdenker-Demonstration. 

Auch die Scientology-Bewegung tauchte im Zusammenhang mit der Querdenker Bewegung auf.[148] So berichten Medien über eine vermutliche finanzielle Unterstützung. „Offenbar hat ein „Patron with honors“ der Scientology-Orga-nisation “Querdenken“ mit Organisationstalent und Einsatz aus den Startlöchern geholfen, berichten SWR und T-Online“, so der Blog der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchungen der Parawissenschaften).[149] 

Von daher gab es 2020 und 2021 keine Jahresfachtagungen und die Aufklärungsarbeit fand überwiegend online über unsere Homepage und in den sozialen Medien statt. 

 

Trauer um Waltraud Westhoven und Wolfgang Behnk

Unsere langjährige zweite Vorsitzende Waltraud Westhoven war am 2. Februar 2021 verstorben.  Als betroffene Mutter brachte sie engagiert die Anliegen der Angehörigen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Gleichzeitig stand sie aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus aber auch anderen mit Rat und Tat zur Seite. Doch über dieses Thema hinaus war sie vielfältig ehrenamtlich, z.B. im Kolpingwerk, engagiert. 2001 erhielt sie die Bayerische Sozialmedaille und im Dezember 2020 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Wir werden uns ihrer Persönlichkeit und ihres unermüdlichen Einsatzes für unsere Arbeit immer mit großer Dankbarkeit und Wertschätzung erinnern.

Am 6. Februar 2022 verstarb auch Dr. Wolfgang Behnk in München. Als Nachfolger von Friedrich-Wilhelm Haack hat er im Jahr 1991 von der Evangelischen Landeskirche in Bayern die Beauftragung zum Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten übernommen. Seit Anbeginn dieser Aufgabe war Wolfgang Behnk auch dem Anliegen der Elterninitiative stark verbunden und bereicherte die Arbeit im Vorstand mit seinen Beiträgen. Seine zahlreichen Veröffentlichungen offenbarten einen scharfen Sachverstand und klaren Standpunkt. Auch nach seinem offiziellen Ruhestand im Jahr 2014 war Wolfgang Behnk bei unseren Tagungen und in der Vorstandsarbeit aktiv dabei und unterstrich damit, wie wichtig ihm diese Mitarbeit war.

In Wolfgang Behnk verlieren wir einen Menschen, der in kluger Weise und mit einer schnellen Auffassungsgabe in den vielen Diskussionen zu überzeugen wusste. Wir werden Wolfgang Behnk in guter Erinnerung behalten.

Endlich wieder in Präsenz tagen – 2022 an neuem Ort

Wie können wir „Extremistische Weltanschauungen erkennen und beurteilen“[150] lautete die Fragestellung unserer Jahrestagung 2022 vom 29. bis 31. Juli 2022 in Kloster Kostenz. Der Wechsel des Tagungsortes war leider notwendig geworden, nachdem unser bisheriges Domizil aufgrund der Auswirkungen der Pandemie leider dauerhaft geschlossen wurde. Bei der Tagung haben wir vielfältige Aspekte des Themenbereiches „Extremistische Weltanschauungen“ beleuchtet. 

Unter dem Thema „Mein Aufwachsen in einer religiösen Randgruppierung und mein Weiterleben danach“ schilderte Esther Gebhard, ihre Erfahrungen bei den Zeugen Jehovas. Sie beschreibt ihren Weg von der Kindheit in dieser Gemeinschaft bis zu ihrem späteren Ausstieg und die nachhaltigen psychischen Folgen. 

Als Kritikpunkte führte sie insbesondere an:

Menschenverachtende Praktiken: Die systematische Ächtung von Ausgeschlossenen, die Isolation von Mitgliedern und die psychische Kontrolle durch Angstmacherei und Drohungen.

Kindeswohlgefährdung: Kinder würden von klein auf mit Bildern von Gewalt und Tod konfrontiert und psychisch unter Druck gesetzt.

Demokratiefeindlichkeit: Die Organisation verbiete politische Teilhabe, wie das Wählen, und fördert damit eine antidemokratische Haltung.

Vertuschung von Missbrauch: Sie verweist auf internationale Skandale, bei denen Kindesmissbrauch vertuscht wurde, unter anderem durch die problematische sogenannte „Zwei-Zeugen-Regel“.

Sie hob hervor, dass es trotz des Ausschlusses Jahre dauerte, bis sie die Indoktrination hinter sich lassen konnte. Ferner, dass die psychischen Narben bis heute blieben. Dennoch betonte sie, wie wichtig es ist, Aussteigern eine Stimme zu geben und die Öffentlichkeit über die Praktiken dieser Organisation aufzuklären.

Der Frage wie wir „Extremistische Entwicklungen erkennen“ können, spürte Herbert Busch in seinem Beitrag nach. Dabei benennt Herbert Bush sieben Anhaltspunkte.

Um Extremismus und den damit verbundenen Radikalisierungsprozess frühzeitig zu erkennen, listet Busch folgende Anhaltspunkte auf:

  • Verunsicherung und Herausforderung: Extremisten fühlten sich oft als Verlierer der modernen Gesellschaft und suchten nach Ventilen für ihre Wut.

  • Es gibt konkrete Ursachen für extremes Verhalten: Extremismus habe Ursachen, die identifiziert werden müssten, um Interventionen zu ermöglichen.

  • Notwendigkeit der Einzelfallanalyse: Eine sorgfältige Analyse individueller Lebensumstände sei entscheidend, um Radikalisierung zu erkennen.

  • Kontextualisierung: Es sei wichtig zu verstehen, in welchem sozialen und politischen Kontext Radikalisierung stattfinde. In diesen Annäherungsschritt sei zu fragen, wo und wie diese vermeintlichen oder tatsächlichen Kränkungen entstehen und wer sich ihrer annimmt, beziehungsweise wie sie sich konkret auswirken würden.

  • Gemeinsame Perspektive: In der Beratung sollte eruiert werden, wo der Betroffene möglicherweise recht haben könnte, um auf diesem Wege eine gemeinsame Gesprächsbasis zu finden.

  • Psychosoziale Vorteile: Extremistische Gruppen bieten ihren Mitgliedern „emotionale Vorteile“, wie ein Gefühl der Zugehörigkeit und klare Feindbilder. „Schwarz-Weißdenken, klare Schuldzuweisungen, Vereinfachungen, eindeutige Feindbilder, eine Erhöhung des Selbstwertgefühls, die ständigen Bestätigungen aus der eigenen Gruppe und das Gefühl zu den Auserwählten zu gehören, die als einzige verstanden haben, „was hier wirklich läuft“ gehören dazu.“ 

  • Einfluss des psychosozialen Klimas: Die sozialen und kulturellen Bedingungen, in denen eine Person lebt, hätten einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Radikalisierung. Dabei sei „zwischen Persönlichkeitsentwicklung, sozialen Bedingungen, kulturellen Kontexten, Bildungszugängen und politischen Klima zu unterscheiden.“


Unter „Fakt und Vorurteil“ untersuchte Ulrike Schiesser, Leiterin der Bundesstelle für Sektenfragen in Wien, wie man effektiv mit Menschen kommunizieren kann, die an Esoterik, Fanatismus oder Verschwörungstheorien glauben, und bietet verschiedene Strategien und Überlegungen zur Deeskalation und zum konstruktiven Dialog.

  • Emotionale statt logischer Ansprache: Menschen seien emotionale Wesen, und Appelle an den Verstand oder Fakten wären oft ineffektiv, um tief verwurzelte Überzeugungen zu ändern.

  • Wahrnehmung und Erinnerung: Die Wahrnehmung und Erinnerung von Menschen erwiesen sich als fehleranfällig und stark vom Kontext beeinflusst, was dazu führe, dass sie oft an festgefahrenen Meinungen festhalten würden.

  • Faktoren für Meinungsänderung: Weltbilder änderten sich durch persönliche Erfahrungen, einen neuen Lebensfokus, Wechsel der Bezugsgruppe, positive Vorbilder und schrittweise Prozesse.

  • Scham als Hindernis: Scham erschwere das Umdenken, da es schwierig sei, zuzugeben, dass man sich geirrt habe. Dies besonders dann, wenn viel Zeit und Energie in eine Überzeugung investiert wurde.

  • Kontext und Beziehung: Der Kontext und die Beziehung zur betroffenen Person spielten eine große Rolle in Gesprächen und erfordern aus diesem Aspekt heraus unterschiedliche Ansätze.


Ulrike Schiesser benannte „grundsätzlich sinnvolle Gesprächshaltungen:

  • In Ich-Botschaften sprechen

  • Aktives Zuhören - Missverständnisse vermeiden

  • Die Lebensumstände, Geschichte und Motive Ihres Gegenübers verstehen

  • Wertschätzung für die Person an sich bewahren, auch wenn Sie deren Handlungen und Einstellungen ablehnen

  • Humor, wenn er nicht zynisch wirkt

  • Besser Fragen stellen, statt Predigen zu halten

  • Die Auswirkungen im Alltag ansprechen: Wie gut funktioniert der Transfer der Ideologie in Handlungen? Woran sind positive Auswirkungen messbar? Gibt es auch negative?

  • Erwünschtes Verhalten positiv verstärken: nicht nur nörgeln, auch loben

  • Auf die Rahmenbedingungen fokussieren: (finanzielle) Sicherheit, Zeitaufwand, gesetzliche Bestimmungen, Anerkennung von Kursabschlüssen

  • Stellung beziehen, Grenzen setzen, wenn das Verhalten einer Person problematisch ist, aggressiv, unsozial, grenzüberschreitend

  • Geduldig bleiben

  • Nicht beschämen

  • Eigene Anteile reflektieren: Bereitschaft auch die eigene Position, das eigene Verhalten einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.“ 

Coaching – Seminare auf der Basis menschenverachtender Ideologien 

Extremismus findet sich aber nicht nur im typisch weltanschaulichen und religiösen Umfeld, sondern auch im Bereich von Coachings, Erfolgstrainings und bei einschlägigen Seminaranbietern. Das bekannteste Beispiel ist die Scientology-Organisation. Doch nicht nur dort bilden menschenverachtende Ideologie und Ausbeutung eine unheilige Allianz. Dies machten die beiden Vorträge von Dr. Georg Steinmeyer über „Spuren des Sozialdarwinismus in Erfolgs- und Selbstmanagementstrategien“ und die „Gewaltverharmlosungen in NLP, Positiver Psychologie und The Work" deutlich.

In einer Zeit, in der die Demokratie sowohl von innen (Radikalisierungstendenzen, Rechtspopulismus, Verschwörungstheorien) als auch von außen (labile weltpolitische Entwicklungen) unter Druck stehe, komme es darauf an, demokratisches Denken und soziale Werte auf allen Ebenen zu stärken und zu verteidigen. Dies bedeute auch und gerade in der Weiterbildung und Personalentwicklung. Deshalb müsse auf den politischen Aspekt von Coachings in Zukunft verstärkt ein Augenmerk gerichtet werden. Coaching habe eine politische Dimension. Nur wenige Coachingangebote und Selbstmanagement-Trainings wären wissenschaftlich und seriös. Dies hätten bereits mehrere Analysen beispielsweise von Christoph Bördlein, Uwe Peter Kanning, Hansjörg Hemminger dargelegt. Steinmeyer sensibilisierte jedoch auch noch für die politische und ideologische Dimension:

  • „weil das Instrument Coaching so inflationär expandiert und zugleich so wenig wissenschaftlich fundiert ist, fungiert es vielfach als Transfermedium, über das esoterische und in Teilen demokratie- und menschenfeindliche Ideen und Deutungsmuster in systemrelevante Bereiche wie Bildungseinrichtungen, Unternehmen und staatliche Institutionen vordringen können

  • besonders NLP-gestützte Angebote transportieren oft sozialdarwinistische Narrative

  • namentlich die Positive Psychologie relativiert mit ihrer Behauptung, dass äußere Bedingungen für das Glück von Menschen zu neunzig Prozent irrelevant seien, die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechten und sozialer Teilhabe“

Georg Steinmeyer benannte die mindestens vier Folgen der Verbreitung sozialdarwinistischer Narrative durch Coachings:

  1. „Ein hoher und steigender sozialer Druck auf Schwächere: Wer keinen Erfolg hat, sei es beruflich oder privat, wird zur Lachnummer ("zu blöd, das eigene Potential zu nutzen")

  2. ein gesellschaftliches Klima für Sozialabbau ("wozu braucht es einen Sozialstaat, wenn doch jeder alle Ressourcen in sich trägt, sich selbst zu helfen?")

  3. ein Verlust an Empathie für Unglückliche, Kranke oder Traumatisierte ("die könnten sich doch jederzeit für positive Gefühle entscheiden, statt rumzujammern")

  4. schließlich das sogenannte Opfer Bashing ("Du Opfer" als Schimpfwort - längst nicht mehr nur auf Schulhöfen, Stigmatisierung Erfolgloser oder Hilfebedürftiger als "Blutsauger" und "Energievampire", die zu "neutralisieren" oder „auszuschalten“ seien)“

Regina Spiess ging in Ihrem Vortrag „Ächtung und Wahrheit – Menschenverachtende Praktiken in totalitären Bewegungen“ auf die gesellschaftliche Toleranz schwerer Formen von Gewalt gegen Kinder in weltanschaulich/religiösem Kontext ein.

Sie ging der Frage nach, weshalb es eine so hohe Toleranz gegenüber schweren Formen von Gewalt gegen Kinder in sektenhaften oder vereinnahmenden Gruppen gebe. Dazu stellte sie drei Thesen auf und formulierte vier Forderungen. 

  • Gewaltformen bei den Zeugen Jehovas: Kinder bei den Zeugen Jehovas seien verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt, einschließlich psychischer Gewalt durch religiöse Lehren, systematischer Verängstigung, rigider Erziehungsvorgaben, sozialem Ausschluss, dem Bluttransfusionsverbot und sexueller Gewalt.
  • Ächtung und ihre Folgen: Die Praxis der Ächtung führe dazu, dass Mitglieder, die gegen Vorschriften verstoßen oder den Glauben verlassen, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und sozial isoliert würden, was auch Kinder betrifft.
  • Kritische Bedürfnisse von Kindern: Kinderärzte betonen, dass beständige liebevolle Beziehungen und Sicherheit für eine gesunde kindliche Entwicklung entscheidend sind, doch Zeugen-Jehovas-Kinder erlebten oft das Gegenteil.
  • Besondere Toleranz gegenüber psychischer Gewalt: Es bestehe eine hohe gesellschaftliche Toleranz gegenüber psychischer Gewalt im religiösen Kontext, da diese schwerer zu fassen sei und oft als Teil der religiösen Disziplinierung angesehen werde.
  • Diskriminierung innerhalb der Gemeinschaft: Während religiöse Diskriminierung von außen nicht toleriert werde, würden schwerste Formen der Diskriminierung innerhalb der religiösen Gemeinschaften seitens staatlicher Stellen oftmals geduldet.
  • Falsche Annahme der freien Religionswahl: Die Annahme, dass Menschen ihre Religion frei wählen könnten, sei oft falsch, besonders in vereinnahmenden Gemeinschaften, wo Mitglieder durch Ächtung in einer Nötigungssituation gehalten würden. Hinzu komme, das hineingeborene Mitglieder und Kinder diese Wahl erst recht nicht hätten.
  • Forderungen an den Staat: Regina Spiess fordert, dass der Staat die gleichen Schutzstandards für Kinder in religiösen Gemeinschaften wie in nichtreligiösen Kontexten durchsetzen und religiöse Privilegien, die Grundrechte unterlaufen, abschaffen müsste. 


„Was wir in der Coronakrise über Verschwörungstheorien gelernt haben“,  erläuterte Bernd Harder detailliert in seinem Vortrag. Es gebe „keine Verschwörungspersönlichkeit“. Untersuchungen hätten darauf hingedeutet, dass 

  • „Männer grundsätzlich empfänglicher sind als Frauen,

  • mit formal höherem Bildungsgrad tendenziell die Neigung zu Verschwörungstheorien sinkt,

  • das Alter kaum eine Rolle spielt,

  • der Glaube an Verschwörungstheorien an den beiden äußeren Rändern des politischen Spektrums besonders stark ausgeprägt ist,

  • Menschen mit einem stark ausgeprägten Verschwörungsglauben auch zu einer stärkeren Religiosität neigen,

  • Zusammenhänge zwischen wahrgenommener sozialer Ungleichheit, Machtlosigkeit, eigener ökonomischer Marginalisierung, Arbeitslosigkeit und verstärktem Verschwörungsglauben existieren,

  • Menschen mit narzisstischen, impulsiven, distanzierten, ängstlichen oder depressiven Persönlichkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit an Verschwörungstheorien glauben.

     

Er zeigte auch auf, was der Unterschied zwischen berechtigter Kritik und einer Verschwörungstheorie ist und benannte dafür drei Beispiele:

„Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jedweden Freiheitseingriff, sagte der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier im Mai dem Spiegel. Ein Verschwörungstheoretiker? 

Nicht alles dürfe dem Schutz von Leben untergeordnet werden, mahnte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Ein Verschwörungstheoretiker? 

Der Hygiene-Arzt Prof. Klaus-Dieter Zastrow kritisierte in einem Welt-Interview die Virologen und das Robert Koch-Institut: „Man hätte auf viele Maßnahmen verzichten können.“ Ein Verschwörungstheoretiker? 

Natürlich nicht.“

 


Bernd Harder benannte sieben Merkmale des konspirativen Denkens:

C = Contradictory = Widersprüchlichkeit: Verschwörungsgläubige können an Ideen glauben, die sich gegenseitig widersprechen. Laut einer Umfrage der Universität Erfurt glauben zehn Prozent der Befragten sowohl, dass das Corona-Virus nicht existiert als auch, dass es eine Biowaffe aus dem Labor ist[151].

O = Overriding Suspicion = Generalverdacht: Der Verschwörungsglaube geht über gesunde Skepsis hinaus. So entsteht durch extremes Misstrauen eine prinzipielle Ablehnung gegenüber offiziellen Erklärungen.

N = Nefarious intent = Üble Absichten: Anhänger von Verschwörungstheorien gehen immer davon aus, dass der Gesellschaft geschadet werden soll. Es gibt keine Verschwörungserzählung, die positive Beweggründe unterstellt.

S = Something must be wrong = Etwas stimmt nicht: Verschwörungstheoretiker sind sich sicher, dass die gängige Erklärung auf jeden Fall falsch ist – selbst wenn sie Einzelheiten ihrer eigenen Erzählung mal fallen lassen, ändern oder neu bewerten, bleiben sie dabei, dass „die da oben“ etwas im Schilde führen.

P = Persecuted Victim = Opferrolle: Verschwörungsgläubige nehmen sich gleichzeitig als Opfer der Gesellschaft und als mutige Helden im Kampf gegen den Mainstream wahr.

I = Immune to Evidence = Immun gegen Beweise: Gegenbeweise oder Widerlegungen prallen in der Regel an Verschwörungserzählungen ab. Kritik kann sogar dazu führen, dass Anhänger noch stärker an ihre Theorie glauben.

R = Re-interpreting Randomness = Zufälligkeiten uminterpretieren: Zufällige, eigentlich unwichtige und nebensächliche Ereignisse (etwa, wie oft ein bestimmter Buchstabe in einem Text vorkommt) werden stets so interpretiert, dass sie zur Verschwörungserzählung und einem vermeintlich zusammenhängenden Muster passen.“

Im Gegensatz zu Verschwörungstheorien verfolgten echte Verschwörungen ein klares, zeitlich und räumlich begrenztes Ziel. Sie kämen mit einer überschaubaren Anzahl von Mitwissern aus. In vielen Fällen hätten sie unbeabsichtigte Folgen – sie führten zu Resultaten, die von den Verschwörern nicht vorhergesehen wurden. Als Beispiel nannte der Referent die Verschwörung zur Ermordung Cäsars und deren Folge. Statt Stärkung der Republik Bürgerkrieg und Errichtung eines Kaisertums über hunderte von Jahren.

Verschwörungstheorien vertieften gesellschaftliche Gräben und Spannungen, unterhöhlten gesellschaftliches und soziales Engagement, zerstörten Beziehungen und würden das Vertrauen in wissenschaftliche und staatliche Institutionen untergraben. Sie wirkten als Radikalisierungsbeschleuniger.

Wenn Therapeuten zum Problem werden

„Gedächtnis, Erinnerung und ihre Tücken“ lautete das Thema unserer Jahrestagung 2023 vom 16. bis 18. Juni 2023.[152]

Mit Problemen im Zusammenhang mit „Sozialutopischen Lebens-gemeinschaften“ setzte sich Dr. Jürgen Lohmayer auseinander. Am Beispiel der Gemeinschaft „go & change“ in Lülsfeld stellte er mögliche Konfliktherde dar:

  • „Schuldzuweisungen an die Herkunftsfamilie

  • Beendete Kooperationen (ZEGG, Rolf Lutterbeck, Terra Nova)

  • Drogen, Sexualisierte Gewalt, Schlafentzug, Impfgegnerschaft, Weltuntergangsszenario, Verschwörungsdenken

  • Kindeswohl, Sorgerechtsstreitigkeiten“


Zu kritisieren sei autoritäres Führungsverhalten und ein zunehmender Gruppendruck. Leitungsstruktur, soziale Hierarchie und Abstimmungs-Prozeduren, polyamorische Partnerschaft, Intimsphäre und Sexualität, Sozialkontrolle und finanzielles Engagement eröffneten ein weites Feld an Konflikten. Bei dem Versuch, Heilungsprozesse, insbesondere lebensgeschichtlicher Probleme, herbeizuführen, seien die verwendeten Methoden sowie die therapeutische Qualifikation kritisch zu hinterfragen. Mangelnde Qualifikation könne hier sogar eine Verschlimmerung bewirken. Es kam sogar zu einem Strafverfahren und einer - noch nicht rechtskräftigen - Verurteilung.[153] 

Die „Verschwörungsideologie vom ‚satanistisch-rituellen Missbrauch‘ “ be-leuchteten Bernd Harder und Lydia Bennecke. Sie analysierten die Entstehung, Verbreitung und Auswirkungen der Verschwörungsideologie des sogenannten „Satanistisch-Rituellen Missbrauchs“ (SRM). Diese Theorie behauptet, es existiere ein globales, geheimes Netzwerk aus Satanisten, das Kinder entführt, foltert und für rituelle Zwecke missbraucht. Dabei gehe es um eine klare Abgrenzung von realem sexualisiertem Missbrauch. Die Theorie behaupte, dass geheime Eliten systematisch Kinder und Erwachsene traumatisierten, um durch psychologische Manipulation (Mind Control) multiple Persönlichkeiten zu erzeugen. Besonders problematisch sei, dass diese Verschwörungsideologie innerhalb therapeutischer Kontexte auftritt. Überzeugte Therapeuten förderten durch suggestive Methoden falsche Erinnerungen bei Patientinnen, die sich daraufhin als Opfer solcher Netzwerke wahrnehmen würden. Dies führe nicht nur zu schweren psychischen Schäden, sondern auch zu sozialen Zerstörungen, etwa durch falsche Anschuldigungen gegen Familienmitglieder.

Die „Forschung“ der Rituelle-Gewalt-Mind-Control (RG-MC)-Anhänger basiere auf Umfragen unter bereits überzeugten Betroffenen und Therapeuten, anstatt auf objektiven Untersuchungen. Eine wissenschaftlich fundierte Analyse müsse hingegen Therapiemethoden und deren Auswirkungen unabhängig prüfen. Fälle wie der berühmte „Sybil“-Skandal in den USA oder aktuelle Geschehnisse in der Schweiz zeigten, dass oft eher die Therapeuten von der Theorie überzeugt sind als ihre Patientinnen. Die Problematik machte auch eine Betroffene sehr deutlich, die bei unserer Jahrestagung 2019 über Ihre Erfahrungen berichtete.[154] 

Sie machten deutlich wie die Dissoziative Identitätsstörung (DIS) mit der Verschwörungsideologie des „Satanistisch-Rituellen Missbrauchs“ (SRM) ver-knüpft wurde und welche problematischen Folgen dies habe. 

Die Vorstellung, dass ritueller Missbrauch gezielt eingesetzt werde, um durch extreme Traumatisierung multiple Persönlichkeiten zu erzeugen, entstand in den 1980er- und 1990er-Jahren und wurde durch fragwürdige therapeutische Methoden verstärkt. Falsche Erinnerungen wurden durch Hypnose und Suggestion „rekonstruiert“, was dazu führte, dass unschuldige Menschen fälschlicherweise beschuldigt wurden. 

Zudem wird die DIS-Diagnose von Verschwörungsideologen instrumentalisiert, um die Existenz geheimer satanischer Netzwerke zu „belegen“. Dadurch gerieten echte Missbrauchsopfer aus dem Fokus, und die wissenschaftliche Debatte über psychische Erkrankungen wird durch Spekulationen überschattet.

Die Referenten plädierten für eine kritische Auseinandersetzung mit der Thematik, um die Verbreitung von Fehlinformationen zu verhindern und den Schaden für Betroffene zu minimieren.[155] 


Sehr grundsätzlich auf die Problematik von „Gedächtnis, Erinnerung und ihre Tücken“ gingen Bianca Liebrand vom Sekteninfo NRW und Anna Birzele vom Fachbereich Weltanschauungsfragen im Erzbistum München und Freising ein. 

Sie setzten sich mit der Zuverlässigkeit menschlicher Erinnerungen auseinander und zeigten, wie leicht diese manipulierbar sind. Die Referentinnen erklärten, dass das Gedächtnis keine perfekte Aufzeichnung der Realität sei, sondern Erinnerungen ständig rekonstruiert und verändert werden könnten.

Besonders problematisch sei dies im Zusammenhang mit suggestiven Befragungsmethoden oder therapeutischen Techniken, die „verdrängte“ Erinnerungen an traumatische Erlebnisse zutage fördern sollen. Studien belegten, dass solche Methoden oft Scheinerinnerungen erzeugen würden – also Erinnerungen an Ereignisse, die nie stattgefunden haben. Dies habe weitreichende Folgen, insbesondere in der Psychotherapie oder in juristischen Verfahren, bei denen falsche Erinnerungen zu Fehlurteilen oder unbegründeten Anschuldigungen führen könnten.

Die Referentinnen plädierten für eine kritische Auseinandersetzung mit Erinnerungsprozessen, insbesondere bei der Arbeit mit Trauma-Patienten, und fordern eine wissenschaftlich fundierte Herangehensweise, um die Risiken der Erinnerungsmanipulation zu minimieren.

In Arbeitsgruppen wurde die Thematik anhand konkreter Beispiele noch weiter vertieft und diskutiert.

Ruth Tuschewski ging auf das Thema „Manipulation durch Sprache in totalitären Kulten“ ein. Sie beschrieb zum einen ihre persönliche Situation, in einer totalitären Gruppe aufgewachsen zu sein. Sie habe ihre Kindheit in einem hoch kontrollierten System verbracht, aus dem sie sich mit 16 befreien konnte. Für das System konnte sie sich dabei nicht selbst entscheiden, da ihre Eltern der Organischen Christus Generation (OCG) beigetreten waren, als sie um die 5 Jahre alt gewesen ist. 

Sprache und Ideologisches Denken seien eng miteinander verwoben. Das liege daran, dass Sprache für all unser Denken und Handeln eine große Rolle spiele. Dies machten folgende Aspekte deutlich:

  1. „Sprache ist kein neutrales Medium.

  2. Sprache schafft Realität.

  3. Sprache stiftet Identität. 

  4. Sprache kann Handlungen ausführen.“

 

Sie benannte Merkmale von Sprache in totalitären Kulten und zeigte auf, was wir unter totalitär überhaupt verstehen. Eine Herrschaftsform, die Mitglieder, bzw. Bürger vollkommen unterwerfen will, handele totalitär. Ein solches System versuche, alle Bereiche des Lebens wie Beruf, Familie, Erziehung, Freizeit usw. zu kontrollieren, also die totale Macht über die Menschen auszuüben. Totalitäre Systeme seien Ideologie-geleitete Systeme. Problematische religiöse und weltanschauliche Gruppen machten sich die Eigenschaften der Sprache und wie sie mit Ideologie zusammenhängt zu Nutze, um die Bedürfnisse der Leiterschaft oder eines sogenannten  Gurus zu befriedigen. Als sehr präsentes Beispiel für eine gruppeninterne Sprache benannte sie das Wörterbuch der Scientologen. 

Es gebe drei Hauptfunktionen:

  • Die besondere Sprache in den Kulten bewirke zum einen, dass es Mitgliedern ein elitäres Bewusstsein gebe, also das Gefühl zu den Eingeweihten zu gehören, was stärkend nach innen wirke.
  • Zum anderen nütze eine interne Terminologie zur Gedankenkontrolle mittels Zensur oder gar Selbstzensur, wenn die Mitglieder sich, um zur Gruppe zu gehören in ihrem Sprechen und Denken auf die vereinbarte Terminologie beschränken würden.
  • Eine dritte und sehr verheerende Funktion aber sei die Isolation der Mitglieder gegenüber Außenstehenden. Da die Mitglieder die Handlungen nur in ihrer internen Terminologie beschreiben könnten, seien sie gar nicht oder nur begrenzt in der Lage, mit anderen darüber zu kommunizieren, was ihnen in der Gruppe passiert.

Außer den neuen Begriffen, könnten in solchen Gruppen aber auch Worte mit neuer Bedeutung aufgeladen werden.  Diese würden auch nur die Mitglieder verstehen würden. Man bezeichne dieses Vorgehen auch als „loaded language". 

Ein weiteres Instrument zur Kontrolle und Bindung der Mitglieder, die auch mittels Sprache erfolge, sei die Rhetorik der Angst. Innerhalb der Gruppe gebe es ein starkes Schwarz-Weiß-Denken, dass die eigene Gruppe als die Guten darstelle gegenüber allen anderen Bösen. 

Für die Arbeit mit Betroffenen sei besonders wichtig, sich in der Beratung bewusst zu machen, dass durch die Sprache unter Umständen jahrelang eine eigene Parallel-Realität in den Gedanken erschaffen wurde. Diese gelte es „aufzubrechen“ und die Sprache gewissermaßen wieder zu „entladen“.

„Verschwörungsglaube und rechte Esoterik in der Freilerner-Szene“ beschrieb Dr. habil. Mattias Pöhlmann in seinem Referat.  Besonders auffällig sei die Resonanz rechter Esoterik in der sogenannten Freilerner-Szene, wo das Misstrauen gegenüber staatlicher Bildungspolitik stark ausgeprägt ist. Er beschrieb die Vernetzungen und Strategien dieser Strömungen und arbeitete heraus, wie sich Verschwörungsglaube und Esoterik miteinander verbinden. 

Bei der Freilerner-Szene handele es sich um eine heterogene Szene. Auffällig sei, dass seit der Pandemie zahlreiche rechtsesoterische Initiativen versuchten, diese Szene zu infiltrieren und für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Anknüpfungspunkte wären häufig eine generelle Unzufriedenheit am herkömmlichen Schulsystem und die Sehnsucht nach alternativen Bildungskonzepten. Rechtsesoterische Akteure bedienten gängige Klischees gegenüber dem staatlichen Unterricht: So kämen bei Schülern die rechte und linke Gehirnhälfte beim klassischen Lernen nicht zusammen, die vermittelten Inhalte hätten mit dem späteren Berufsleben nichts zu tun. „So wird meist ein Zerrbild vom staatlichen Schulsystem gezeichnet, um das alternative Lernen in besonders leuchten Farben vorzuführen.“ Sicherlich gebe es an der Bildungspolitik und am schulischen Unterricht berechtigte Kritik, aber die Vorteile, insbesondere die „sozialintegrative Kraft“ staatlicher Schulen, würden bewusst übergangen. 

Die Motive von Eltern, sich vom staatlichen Schulsystem abzuwenden und sich fragwürdigen Konzepten anzuschließen, seien unterschiedlich. So spielten eigene biografische Enttäuschungen und Negativerfahrungen mit dem Bildungssystem eine wichtige Rolle. Dies verstärke die Sehnsucht nach alternativen, mitunter rechtsesoterischen Lernformen. Im Vordergrund stehe bei vielen die Erwartung einer individuellen Förderung der als hochbegabt oder übersensibel empfundenen eigenen Kinder. 

Viele der rechtsesoterischen alternativen Freilerner-Angebote seien durchdrungen von einem starken Misstrauen gegenüber der staatlichen Bildungspolitik. Es ergehe sich in Verschwörungstheorien mit Feindbildern. „Charakteristisch sind ein Schwarz-Weiß-Denken und eine esoterische Uminterpretation bzw. Negierung von Krankheitsbildern (Indigo-Kinder).“ Die Akteure vermischten alternatives Lernen mit rechtsesoterischen Inhalten. Mit dem Postulat einer angeblich kindgerechten „Natürlichkeit“ werde „eine hohe Anschlussfähigkeit an antidemokratisches, antiplurales, antiliberales, antisemitisches sowie rechtesoterisches Gedankengut geschaffen, was sich nicht zuletzt in der Berufung auf grundlegende Ideen und Mythen des völkisch-religiösen, neopaganen Anastasianismus widerspiegelt.“ Das Gefährdungspotenzial für Kinder, die solchen höchst fragwürdigen und problematischen Lerninhalten ausgesetzt sind, sollte nicht unterschätzt werden.

 

Ein immer aktuelles Thema: Geistiger und seelischer Missbrauch und seine Facetten

Mit dem Thema Seelischer, emotionaler, geistlicher und geistiger Missbrauch - Erscheinungsformen, Herausforderungen und Hilfeperspek-tiven setzten wir uns bei unserer Jahrestagung 2024 (19. - 21. Juli 2024) auseinander.[156]

Birgit Schreiber berichtete unter dem Titel „Ausstieg, und dann?“  über ihre Erfahrungen im Kontext von Reiki, Esoterik und fundamentalistische Bewegungen. Sie berichtete, dass der Ausstieg aus solchen Gruppen nicht einfach ist und oft langanhaltende Ängste und depressive Verstimmungen hinterlassen könne. Sie hob hervor, dass viele Menschen nach ihrem Ausstieg weiterhin auf der Suche nach Linderung der Folgen einer Sektenzugehörigkeit und oft auf neutrale, nicht manipulative Berater angewiesen seien. Sie teilte ihre Erfahrungen mit verschiedenen esoterischen und spirituellen Angeboten und betonte die Gefahren, die von solchen Gruppen ausgehen können. 

Besonders ging sie auf die psychischen Belastungen ein, die durch die Mitgliedschaft in einer Reiki-Gruppe entstanden sind. Birgit Schreiber beschrieb, wie sie sich von der Reiki-Meisterin abhängig fühlte und wie die Gruppe eine emotionale Abhängigkeit förderte. Dabei ging sie auch auf die negativen Auswirkungen in Bezug auf das soziale Umfeld und die psychische Gesundheit ein. 

Klar warnte sie vor den Gefahren sogenannter alternativer Heilmethoden und Lebensberatung, insbesondere für traumatisierte Menschen. Sie betonte die Notwendigkeit neutraler Beratung und warnte vor allem auch vor unseriösen Angeboten im Internet.


Über ihre Erfahrungen mit „Rechtsextremismus und Verschwörungsmythen in der Anastasia-Bewegung“ berichtete Swetlana Nowoshenowa. Neben den ideologischen Grundlagen der Gruppe[157] beschrieb sie auch ihre individuelle Einstiegsmotivation. Sie berichtete über „offen menschenfeindliche Aussagen von Gruppenmitgliedern. Ich konnte nicht einschätzen, ob es zustimmendes Schweigen oder eine passive Gruppendynamik war. Ich suchte deshalb das Gespräch und widersprach.“ Die Reaktionen seien jedoch massiv ablehnend gewesen, was sich in Ablenken, Kleinreden, Gaslighting bis hin zur Eskalation äußerte. Die alles habe „in einem Gruppenkontext mit passiven Zuschauer*innen“ stattgefunden. „Mir wurde das Gefühl vermittelt, ich sei nicht friedlich / ausgeglichen genug, wenn ich wütend auf diskriminierende Aussagen reagierte.“ Später „lernte ich auf einem der Anastasia-Feste mehrere Nazis, Reichsbürger und ‘Königreich Deutschland‘-Anhänger kennen. Erst jetzt hatte ich tatsächlich die Gewissheit, dass ich es mit Nazis zu tun habe.“  

Es habe Monate gedauert, bis sie einzelne Puzzlestücke zu einem Bild zusammensetzen konnte. Die menschenfeindlichen Aussagen waren nicht zufällige Einzelmeinungen, sondern Teil der Anastasia-Ideologie. Egal, wie oft die Anhänger*innen das Gegenteil behaupteten. Sie spiegelten die generelle politische Ausrichtung wider – auch wenn sie sich stets als „unpolitisch“ bezeichneten. Ihre Versuche, konstruktive Kritik zu üben und über Diskriminierung aufzuklären, seien vollkommen unerwünscht gewesen. „Dass wir bei den Feiern Hand in Hand mit Nazis tanzten, war kein Zufall, sondern hatte System.“  Der Ausstieg an sich sei relativ unspektakulär verlaufen.

Als Gründe warum ein Ausstieg nicht früher erfolgt sei, benannte Swetlana Nowoshenowa:

  • „Individuelle Gründe: Wunsch nach Gemeinschaft, verführerische Illusion der Heilen Welt, psychische Unterstützung in einer schweren Sinn- und Lebenskrise
  • Gesellschaftliche Gründe: Keine ausreichende Aufklärung über Manipulation, psychische Gewalt und subtilere Diskriminierungsformen in Deutschland (z.B. versteckter Antisemitismus, kulturelle Aneignung, benevolenter / wohlwollender Sexismus)
  • Manipulation durch Anastasia-Anhänger*innen: Unwissenheit über tatsächliche politische Positionen, Diskriminierende, menschenfeindliche Positionen wurden stets bestritten und schöngeredet, narzisstischer Missbrauch, Täter-Opfer-Umkehr, Gaslighting“

 

Sie beschrieb auch, was ihr beim Ausstieg geholfen habe, wie sie mit ihren Erfahrungen Menschen beim Ausstieg unterstützen könne und wie wir als Gesellschaft Radikalisierung vorbeugen können.

 

Sarah Pohl von der Beratungsstelle ZEBRA BW erläuterte „Psychologische Aspekte der Zugehörigkeit zu einer geschlossenen weltanschaulichen oder religiösen Gruppierung“. Sie betonte, dass das menschliche Bedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein, tief in uns verankert sei. Gruppen böten Orientierung, Sicherheit und Sinn, indem sie definieren, was als erwünschtes oder unerwünschtes Verhalten gilt.

Ein wichtiger Aspekt sei das „In- und Outgroup-Gefühl“, bei dem die eigene Gruppe aufgewertet und andere abgewertet werden würden. Dies führe zu einem Elitebewusstsein und einer starken Identifikation mit der Gruppe. Gruppen durchlaufen dabei verschiedene Entwicklungsphasen und könnten sich entweder verhärten oder öffnen.

Ein weiterer Punkt sei der Gruppendruck, der dazu führe, dass Individuen ihre eigene Meinung zugunsten der Gruppenharmonie zurückstellten. Dies werde durch das Konformitätsexperiment von Salomon Asch verdeutlicht, bei dem Versuchsteilnehmer sich der falschen Meinung der Gruppe anschlössen, um nicht unangenehm aufzufallen.

Religiöse und weltanschauliche Gruppierungen erfüllten das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, indem sie verbindliche Strukturen, regelmäßige Treffen und soziale Kontakte zu Gleichgesinnten böten. Sie würden auch die Wahrnehmung der sozialen Realität und das Selbstkonzept ihrer Mitglieder beeinflussen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Rolle von Hierarchien innerhalb von Gruppen. Hierarchische Strukturen böten Schutz vor äußeren Feinden und erhöhten die Effizienz der Gruppe. Menschen würden dazu neigen, sich solchen Strukturen anzuschließen, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern.

Sündenböcke und Schuldige spielten in hierarchisch organisierten und autoritären Gruppen eine wichtige Rolle. Ein gemeinsamer Feind begünstige die Entwicklung eines besonders starken Wir-Gefühls. Feinde und Sündenböcke könnten dabei auch aus den eigenen Reihen gewählt oder außen gesucht werden. Einen Feind heraufzubeschwören, der außen lauert, stärke den inneren Zusammenhalt. Feinbilder könnten sehr rasch entstehen. Es genüge oft ein gegenseitiges Nichtverstehen, um jemanden als bedrohlich wahrzunehmen. Je glühender man einer Weltanschauung anhänge, desto empfindlicher sei die Reaktion auf Kritik von außen.

„Massenbewegungen können ohne den Glauben an einen Gott entstehen und wachsen – aber niemals ohne den Glauben an einen Teufel.“[158] Gruppen könnten auch die Tendenz haben, ins Extreme abzurutschen, da Mitglieder oft Meinungen äußerten, die extremer sind als die, die sie als Einzelpersonen vertreten würden. Dies werde durch den Wunsch nach Gruppenharmonie und die Abschottung nach außen verstärkt. 

Ein weiteres Experiment, das die Dynamik innerhalb von Gruppen verdeutlicht, sei das Milgram-Experiment, bei dem gezeigt wurde, dass Menschen bereit sind, Autoritätspersonen zu gehorchen und anderen Schmerzen zuzufügen.

Abschließend wies sie darauf hin, dass Aussteiger aus solchen Gruppierungen eine differenzierte Perspektive einnehmen sollten. Dies helfe, die Zeit in der Gemeinschaft nicht nur negativ zu bewerten. Es sei wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und Verantwortung für zukünftige Lebensentscheidungen zu übernehmen.

 

Die spezielle Situation von Kindern beleuchtete Sarah Pohls zweiter Vortrag „Zwischen den Welten: Filterblasenkinder verstehen und unterstützen“

Darunter versteht sie Kinder und Jugendliche, die in stark abgeschotteten, oft religiösen Gruppierungen heranwachsen. Diese Kinder befänden sich in einer Umgebung, die durch strenge Verhaltensvorschriften und wenig Kontakt zur Außenwelt geprägt sei. Diese Filterblasen seien weitgehend geschlossene Subsysteme mit spezifischen weltanschaulichen Prägungen, die früher auch als „Sondergruppen“ oder „Sekten“ bezeichnet wurden.

Sie machte dies am Beispiel eines Kindes deutlich, dessen Eltern sich während der Pandemie radikalisiert hätten und in ständiger Angst vor dem Weltuntergang leben würden. Solche Kinder hätten oft Schwierigkeiten, sich außerhalb ihrer Blase zu bewegen, insbesondere in der Schule, wo sie auf andere Wert- und Normsysteme träfen.

Die Auswirkungen des Aufwachsens in einer solchen Gruppierung wären vielfältig und würden von der Ideologie der Gruppe, den innerfamiliären Dynamiken und der charakterlichen Disposition des Kindes abhängen. Während einige Kinder Stabilität und Orientierung in der Gruppe fänden, hätten andere Schwierigkeiten, eigene Überzeugungen zu vertreten und würden unter dem Konformitätsdruck leiden.

Sie beschrieb auch die Herausforderungen, denen Lehrer und Pädagogen gegenüberstehen, wenn sie mit Kindern aus solchen Gruppierungen arbeiten. Und sie erörterte die rechtlichen, psychologischen und pädagogischen Fragen. Dabei betonte sie, dass es selten einfache Antworten gebe.


Sarah Pohl gab Empfehlungen für den pädagogischen Umgang, wie zum Beispiel die Förderung von Integration, Toleranzerziehung und Pluralitätsfähigkeit. Zudem betonte sie, wie wichtig es sei, frühzeitig Gespräche mit den Eltern zu führen, um Konflikte zu vermeiden.

Sie ging auf die besondere Situation ein, wenn Kinder sich entscheiden würden, die elterliche Filterblase zu verlassen. Dieser Prozess werde oft als extreme psychische Belastung wahrgenommen, da die Entscheidung gegen die Gruppe auch eine Entscheidung gegen die Familie sein könne.

Sie zeigte auch konkrete „Erste-Hilfe-Maßnahmen für Angehörige“ auf:

  • „Kontakt halten

  • Gezielt auch Gesprächsthemen wählen, die nichts mit der Gruppierung zu tun haben

  • Gezielt zu Aktivitäten einladen, die Verbindung schaffen

  • Die Gesprächszeit, welche der Gruppierung gewidmet wird, limitieren

  • Keine Vorwürfe und Konfrontation 

  • Statt Verurteilung den Versuch unternehmen, die Beweggründe zu verstehen, die den Betreffenden an der Gruppierung faszinieren

  • Auch positive Entwicklungen sehen und wertschätzen

  • Kritik nur dann formulieren, wenn entsprechend auch Lob und Wertschätzung geäußert werden

  • Keine ungefragte Hilfe aufdrängen

  • Ein vertrauensvolles Verhältnis anbieten und fördern

  • Keine finanzielle Unterstützung an die religiöse Gruppierung 

  • Das Selbstwertgefühl stärken

  • Stärken und nicht Schwächen des Betreffenden betonen

  • Alternativen aufzeigen

  • Die Religions- und Entscheidungsfreiheit des Einzelnen respektieren“

 

Elli Benner, Christina Reiner und Finn Schwartz von „fundamental frei“ berichteten über Ihre „Erfahrungen im Kontext freikirchlicher und fundamentalistischer Bewegungen“. „fundamental frei“ sieht sich als eine Anlaufstelle für Menschen im DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz),  „die negative persönliche Erfahrungen mit Fundamentalismus in evangelikalen Gemeinschaften oder Freikirchen gemacht haben.“ 

Dabei soll der Austausch unter Betroffenen, Vernetzung mit Beratungsstellen, Organisationen zur Extremismus-Prävention ermöglicht werden. Über Aufklärung sollen Öffentlichkeit geschaffen und auch Medienschaffende unterstützt werden. „fundamental frei“ positioniert sich gegen Übergriffigkeit, Diskriminierung, Missbrauch und Unfreiheit. 

Eindrücklich beschrieben sie anhand ihrer persönlichen Erfahrungen die Merkmale und Folgen von geistlichem Missbrauch. Charakteristika umfassen subtile Abwertung, Schwächung des Selbstwerts, elitäres Denken und unangemessene Einflussnahme auf das Privatleben. Theologische Merkmale beinhalten schädliche Gottesbilder, Schwarz-Weiß-Denken und Missbrauch der Bibel. Betroffene könnten unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und einem Verlust des Glaubenssystems leiden. Der Ausstieg sei oft ein schwieriger Prozess, da das Glaubensleben eng mit der Gemeinde verbunden sei. Folgen des Ausstiegs könnten existentielle Erschütterung des eigenen Glaubens, Verlust der inneren Heimat durch Verlust des Glaubenssystems, Verlusterfahrungen und Einsamkeit wegen des Verlusts der gesamten sozialen Umgebung sowie eine Entwurzelung sein. 

„Geistlicher Missbrauch als Thema von Kirchen und religiösen Organisationen. Phänomenbeschreibungen und Hilfsperspektiven aus Sicht der Weltanschauungsarbeit“ war das Thema von Marianne Brandl, Diplom Theologin, Psychologische Beraterin und Leiterin der Fachstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen im Bistum Regensburg. 

Religionsgemeinschaften und Wissenschaftler innerhalb dieser Gemeinschaften würden schädliche Dynamiken in ihren eigenen Organisationen erkennen und analysieren. Spiritueller Missbrauch werde als ernstzunehmende Dimension von Missbrauch betrachtet und als Grundlage für andere Missbrauchsformen gesehen. Es entstünden Hilfsangebote für Therapie, Beratung und Seelsorge. Die Vielfalt der Gruppen und rechtlichen Formen erschwere jedoch Interventionen. Trotzdem finde ein Bewusstwerdungsprozess statt, der Qualitätsstandards in Ausbildung und Prävention fördere. Sie zeigte diese Entwicklung anhand von konkreten Beispielen in Freikirchen, der katholischen Kirche oder der buddhistischen Union auf. Auch im islamischen, orthodoxen und jüdischen Glaubenskontext finde das Thema zunehmend Beachtung. 

Geistlicher Missbrauch bediene sich derselben psychologischen, d. h. emotionalen und kognitiven Dynamiken, „die Sekten- und Weltanschauungsarbeit bei konfliktträchtigen Gruppen oder Angeboten schon viele Jahre identifiziert.“  Die Differenz zu konfliktträchtigen Gruppen oder Angeboten mit frei flottierender Weltanschauung z. B. im Kontext von Neuoffenbarungsgruppen oder der Esoterik sieht Marianne Brandl darin, „dass ein vorgegebenes religiöses Gedankengut, das in theologischen oder philosophischen Begriffen und Konzepten festgehalten (christliche Glaube, buddhistische Philosophie, …), prinzipiell unverdächtig ist und bei vielen Menschen einen hohen Vertrauensvorschuss genießt, missbraucht wird, um Menschen für eigene oder institutionelle Interessen „passend“ zu machen. Menschen werden geschädigt durch ein vermeintlich sicheres religiöses Gedankengut (in einem vermeintlich sicheren System)[159].“

Brandl stellte zur Frage der Distanzierung von toxischen Gemeinschaften das Beratungsmodell von Stephanie Butenkemper vor. Für die psychologische Bearbeitung von Distanzierungsprozessen werden von Butenkemper sieben Phasen vorgeschlagen:

  1. „Stabilisierung“  bei der zunächst lebenspraktische Fragen im Vordergrund stehen, z. B. Wohnungssuche, Finden einer Arbeitsstelle, erster Zugang zu einem neuen Freundeskreis, das Zurechtfinden in einer normalen Alltagsstruktur
  2. „Distanzierung“ mit dem ersten kritischen Hinterfragen von Personen, Dynamiken und Strukturen und vor allem von Scham- und Schuldgefühlen des/der Betroffenen
  3. „Entschleierung“ mit der Analyse und Enttarnung der religiösen Gemeinschaft als Missbrauchssystem
  4. „Entgiftung“ Diese Phase könne eine starke Krise des Selbstverständnisses der Betroffenen auslösen, aber auch erste Blicke auf ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen. „Der Blick auf andere Opfer von geistlichem Missbrauch kann helfen deutlich zu machen, dass die Betroffenen mit ihrem Erleben, ihren starken Gefühlen und dem Ringen um neue sichere Sinnperspektiven nicht alleine sind.“ Gerade hier können Selbsthilfegruppen und Initiativen sehr hilfreich sein.
  5. In der „Phase des Kampfes“, trete häufig der Wunsch der Betroffenen nach einer Auseinandersetzung mit dem missbräuchlichen System auf. „Sei es, um Familie oder Freunde zu retten, sei es aus Ärger über das verursachte Leid.“ Aufgabe der Beratung sei es, neben der emotionale Stützung Betroffener auch „die möglichen Reaktionen und Konsequenzen einer Auseinandersetzung mit dem System zu verdeutlichen: Abwehr, persönliche Diffamierung, mögliche rechtliche Konsequenzen, aber auch persönliche Frustration“ zu verdeutlichen. Tatsächlich könnten Täterinnen und Täter aus den Gruppen derzeit noch kaum zur Rechenschaft gezogen werden.
  6. „Biografische Aufarbeitung“ Erst nachdem die Betroffenen die äußeren Faktoren (extrinsischen Aspekte) eines missbräuchlichen Systems erkannt und akzeptiert und verstanden hätten, dass sie für einen Großteil des Geschehens keine persönliche Schuld tragen würden, sei es an der Zeit, die inneren (intrinsischen) Motive zu untersuchen. Diese inneren Motive beziehen sich darauf, warum die Betroffenen sich einer Gemeinschaft angeschlossen haben und warum sie in dieser Gemeinschaft geblieben sind. Durch diese Untersuchung könnten die Betroffenen das Geschehen und ihre Erfahrungen langfristig in ihre eigene Biografie integrieren
  7. „Akzeptanz“ als letzte Phase. Butenkemper warnt davor, zu schnell auf Heilung und Vergebung zu drängen. Dies würde dem erlittenen Leid und der Uneinsichtigkeit der Täter/innen nicht gerecht werden. Stattdessen sollte in der Phase des Akzeptierens versucht werden, der Sinnlosigkeit des Missbrauchs und dem Leid neuen Sinn zu geben. Dies könne durch positive Erfahrungen aus der Zeit in der Gemeinschaft, wie Reiseerfahrungen, oder durch das innere Wachstum, das durch die Distanzierung, Entschleierung und biographische Aufarbeitung entsteht, geschehen. Empathie und Solidarität mit anderen Betroffenen spielten dabei eine wichtige Rolle.

Oliver Koch befasste sich unter dem Titel Access Consciousness – Schnell und einfach alles verändern?” mit einem Angebot, das auf den ersten Blick starke Analogien zur Scientology-Organisation aufzuweisen scheint. 

Access Consciousness (AC) ist ein System, das verspricht, durch die Berührung von 32 Punkten am Kopf, sogenannte „Access Bars“, das Leben zu verändern. Diese Methode soll Themen wie Kommunikation, Heilung, Geld, Hoffnung und Träume, Kontrolle, Wahrnehmung, Sexualität oder Altern positiv beeinflussen und wird als einfach, unproblematisch, günstig und effektiv beworben. Das Kurssystem von Access Consciousness ist in fünf aufeinander aufbauende Stufen unterteilt: Access Bars, Access Body Process, Access Facelift, Access Stepping into You und Access Symphony. Die Zertifizierung ist immer daran gebunden, sowohl einen jährlichen Beitrag zu leisten als auch vorgeschriebene Kurse persönlich zu besuchen, was hohe Kosten verursacht. In der Beratungsarbeit zeigten sich zahlreiche Probleme für Betroffene, die auch aus anderen Angeboten bekannt sind:

  • Probleme in Beziehungen und Familien
  • Problematiken durch Werbung im Beruf
  • Probleme aufgrund enormer Ausgaben

Es zeigten sich zahlreiche Analogien zwischen AC und Scientology:

  • „Versprechungen zur Erlangung eigener höherer Leistungsfähigkeit bis hin zu unmöglichen Wunderleistungen wie Wetterveränderungen auf eigenen Wunsch

  • Immunisierung gegen jegliche Kritik an der Lehre. Bewertungen sind grundsätzlich verpönt

  • Aufforderung zur kostenpflichtigen Entwicklung hin zum "Humanoid"-Status, der in etwa mit dem "clear"-Zustand von "Thetanen" bei Scientology vergleichbar ist. Ausdrücklich kommt der Begriff des "clearens" im AC-Jargon vor

  • Kursteilnehmer werden gedrängt, sich von Familie und "normalen humans" zu trennen und sich an AC und das dahinterstehende Geschäftsmodell zu binden

  • Herabwürdigung von Nicht-Humanoiden

  • hohe Kosten für eine große Zahl von Kursen und Seminaren

  • Geheimhaltung von Schulungsmaterial und Copyright auf dieses Material

  • eine eigene Gesundheitslehre, die mit Erkenntnissen der wissenschaftlichen Medizin nicht widerspruchsfrei vereinbar ist

Die radikale Ablehnung und die Bekämpfung der medizinischen Psychiatrie findet sich nicht offen bei AC.“

Aus Oliver Kochs Sicht fußten die Angebote von Access auf einem synkretistischen System verschiedener esoterischer Kontexte und spiritistischer Methoden, etwa Channeling und Jenseitskontakten des Gründers, gepaart mit Reinkarnationsvorstellungen. In der Praxis würde eine Mischung aus übertriebenen Heilungsansprüchen, Motivationstrainings, positivem Denken und Energieflüssen praktiziert.

Das aufeinander aufbauende Kurssystem sei von außen gesehen eher unübersichtlich gestaltet. Man habe keinen direkten Überblick über die Kostenstruktur und wisse nicht, wie teuer es wird, wenn man erstmal angefangen habe.

Wie viele weltanschauliche Systeme sei Access Consciousness auch dadurch geprägt, dass Worte in ganz eigenen Sinnzusammenhängen verwendet würden.

 

Dämonen-Austreibung im YouTube-Video 

Das Thema Exorzismus spielt auch heute noch eine Rolle. Bernd Harder gab einerseits einen Überblick über Exorzismus in Deutschland, zum anderen beschrieb er ein besonders krasses Beispiel. Ein selbsternannter Bibellehrer, der unter dem Pseudonym „Nature23“ im Internet auftritt, führt Exorzismen und "Befreiungsdienste" an traumatisierten und psychisch erkrankten Menschen durch. Experten warnen vor ihm, da es bei seinen Praktiken zu Retraumatisierungen und massiven Grenzverletzungen gekommen sein soll.  In Sozialen Netzwerken verspricht er vor allem jungen Frauen, sie von ihren „Dämonen“ zu befreien. Hunderte sollen sich schon auf seine gefährlichen Rituale eingelassen haben, Betroffene erheben schwere Vorwürfe gegen den Mann. Es sei zu gewalttätigen Exorzismuspraktiken gekommen. Nature23 fixiere Menschen während Exorzismen und setze sie Schmerzen durch Feuer aus, um Dämonen auszutreiben. Dabei spreche er gezielt Menschen mit psychischen Belastungen und Erkrankungen an, auch Minderjährige. Er behaupte, Erkrankungen durch diese Rituale heilen zu können. Diese Heilungsversprechen müssten „als zutiefst unseriös und insbesondere bei vulnerablen Personen als gefährlich bezeichnet werden.“ Wohl soll es auch zu „Behandlungen bei Minderjährigen ohne Zustimmung der Sorgeberechtigten“ gekommen sein. Videoausschnitte, die beispielsweise auch frei über die sozialen Medien zugänglich sind, illustrierten diese menschenverachtenden Praktiken.[160] Auch über Missbrauch Minderjähriger gibt es dort Berichte[161].

Mit „Exorzismus – Betrachtung aus einer psychologischen Perspektive“ befasste sich Jasmina Eifert und beleuchtete diesen Aspekt des Problems. Dabei zeigte sie verschiedene psychische Störungen auf und welche Rollen diese bei Besessenheit haben könnten und sie beschrieb die möglichen Folgen von Exorzismen.

Gründe für den Besuch von Exorzisten: Menschen suchen Exorzisten auf, weil sie an Besessenheit glauben, mangelndes Wissen über psychische Störungen haben, externe Ursachen für ihr Leid suchen und eine Simplifizierung der Problematik bevorzugen. Besonders in bestimmten Kulturkreisen, in denen Dämonen und Exorzisten als normale Erklärungsgrundlage genutzt werden, spiele die Psychologie eine untergeordnete Rolle. Auch in westlichen Kulturkreisen sei nicht davon auszugehen, dass alle Menschen über umfassendes Wissen zu psychischen Störungen verfügen. Die schlechte Versorgungslage von Erkrankten und die Stigmatisierung von psychischen Störungen trügen ebenfalls dazu bei, dass Menschen Exorzisten aufsuchten.

Einfluss von psychischen Störungen: Psychische Störungen wie Schizophrenie, dissoziative Störungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung und PTBS könnten dazu führen, dass Betroffene glaubten, besessen zu sein oder Symptome als Besessenheit interpretieren würden. Besonders die „bizarren Bewegungsmuster bei Schizophrenie, wie Flexibilitas cerea oder Stupor“, könnten als dämonische Besessenheit gedeutet werden. Dissoziative Störungen beinhalten starke Abspaltungen von Bewusstseinszuständen, die als Besessenheit fehlinterpretiert werden können. Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) zeichnet sich durch mehrere Persönlichkeitszustände in einer Person aus, die zu Veränderungen in Empfinden, Wahrnehmung, Affekt, Kognition und Verhalten führen würden. Die Besessenheits-Trance-Störung ist durch Trancezustände gekennzeichnet, in denen das gewohnte Gefühl der persönlichen Identität durch eine externe, „besitzergreifende“ Identität ersetzt wird. Auch die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) und die PTBS könnten zu vorübergehenden dissoziativen Zuständen führen, die als Besessenheit fehlinterpretiert werden.

Stigmatisierung und kulturelle Einflüsse: Stigmatisierung von psychischen Störungen und kulturelle Einflüsse spielten eine Rolle dabei, dass Betroffene Exorzisten aufsuchen würden. Besonders stark stigmatisierte Störungsbilder wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung und psychotische Störungen seien häufig betroffen. Geistlicher Missbrauch, bei dem Betroffenen eine angebliche Besessenheit eingeredet wird, könne ebenfalls eine Rolle spielen.

Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen: Die psychische Belastung und Beeinträchtigung der Betroffenen stelle die Frage nach ihrer Einwilligungsfähigkeit in Exorzismen. Menschen in stark bewusstseinsbeeinträchtigten Zuständen wie bei einer Substanzintoxikation oder während starker dissoziativer Zustände seien möglicherweise nicht in der Lage, die Folgen ihres Handelns oder der Handlungen anderer Personen richtig einzuschätzen. Fixierungen stellten einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar und wären prinzipiell im Sinne einer Freiheitsberaubung strafbar.

Folgen von Exorzismen: Exorzismen können retraumatisierend wirken und zu einer Verstärkung der Probleme führen, insbesondere wenn sie gegen den Willen der Betroffenen und unter Fixierungen durchgeführt werden. Eine Fallstudie zeige, dass Exorzismen bei einer Frau zu dissoziativen Zuständen und intensivierten Gefühlen von Kontrollverlust führten. Eine Untersuchung zeige, dass Betroffene, die keine Autonomie während des Exorzismus erlebten, diesen als Missbrauchserfahrung bewerteten.

Alternative Unterstützung: Psychotherapie und Psychiatrie seien die bevorzugten Behandlungsmethoden für psychische Störungen. Beratungsstellen und Seelsorge könnten eine wichtige Rolle spielen, wenn Betroffene keine psychotherapeutischen oder psychiatrischen Maßnahmen nutzen wollen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Psychotherapie, Psychiatrie und Seelsorge sei zu empfehlen, um Betroffenen umfassend und flexibel zu helfen und sie vor Schäden durch Falschbehandlungen zu bewahren.

 

Ein halbes Jahrhundert Elterninitiative. Wie geht es weiter? 

So können wir 2025 auf das 50-jährige Bestehen der Elterninitiative zurückblicken. Kein Grund zu feiern, sondern Anlass erneut Bilanz zu ziehen und nach vorne zu blicken.

Die Szenerie hat sich deutlich verändert:

  • Die in den 1970er und 1980er Jahren bekannten Gruppierungen sind größtenteils nach wie vor existent. Die Methoden des Auftretens in der Öffentlichkeit und der Einflussnahme auf den Einzelnen haben sich geändert. Es wurden neue Strategien entwickelt und taktische Konsequenzen gezogen. Gleichzeitig wurden neue Marktfelder erschlossen. Ziele und Inhalte haben sich aber größtenteils nicht geändert. Die Außenwirkung und Konfliktträchtigkeit werden jedoch als wesentlich geringer als damals wahrgenommen. Die Anfragen zu diesen Gruppen sind deutlich zurückgegangen

  • Es gibt eine Vielzahl neuer Gruppierungen mit kleiner Mitgliederzahl und flachen Hierarchien, aber nicht minder straffer Organisation. Es bestehen darüber hinaus eine Menge Angebote für Problemlösungen aller Art mittels verschiedenster Methoden und Therapien, ohne dass überhaupt eine Organisation gegründet wird. Ein persönliches Einbringen in eine Organisation ist nicht erforderlich und die Fluktuation von „Therapie zu Therapie“ erheblich. Die Auswirkungen auf den Einzelnen hinsichtlich seines persönlichen Wohlbefindens, Lebensplanung und Lebensgestaltung sind unterschiedlich. Gerade hier stellt sich aber heraus, dass die Folgen für den Einzelnen nicht minder gravierend sein können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem Tod von Bhagwan/Osho sich die Bewegung in eine breite Therapeuten-Szene aufgefächert hat, die heutige esoterische Therapieangebote stark beeinflusst.

  • Jenseits von religiösen oder weltanschaulichen Organisationen hat sich ein breites Angebot von „Lebenshilfe“-Anbietern, Psycho-Organisationen und Auswüchsen sogenannten „Multi-Level-Marketing-Systemen (Schneeballsysteme, Strukturvertriebe) gebildet, deren Tätigkeit für den Einzelnen schwerwiegende Schädigungen zur Folge haben können. Sie dringen immer stärker in Teilbereiche unserer Gesellschaft vor, so z.B. im Bereich Persönlichkeitstrainings oder Finanzdienstleistungen. Ihre Auswirkungen sind denen einer Mitgliedschaft bei totalitären religiösen oder weltanschaulichen Extremgruppen vergleichbar oder übertreffen sie gar noch.
    Unter dem Begriff des Coachings drängen Anbieter auf den Markt, die teilweise sozialdarwinistische Ideologie mit zweifelhaften und schädlichen Methoden verbinden. Hinzu kommen teilweise utopische finanzielle Versprechen von Reichtum und Erfolg. Die Scientology-Organisation bleibt in diesem Zusammenhang zwar ein großes Problem, wobei allerdings viele Anfragen einen möglichen scientologischen Hintergrund vermuten, auch wenn dieser meist verneint werden kann. Die Checkliste auf der EI-Homepage hilft Menschen, Angebote selbst zu bewerten.[162]

  • Die markanteste Entwicklung ist jedoch, dass eine rechte esoterische Szene und dubiose Verschwörungstheorien ein breites Betätigungsfeld gefunden haben. Mit Sorge nehmen wir wahr, dass entsprechend der „Mitte Studie 2023“[163] die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen gegenüber den Pandemiejahren wieder zugenommen hat und auf einem ähnlich hohen Niveau liegt wie 2018/2019. Nicht wenige Verschwörungsmythen sind, wie wir alle wissen, bedauerlicherweise antisemitisch strukturiert oder unverhohlen antisemitisch in ihrer Beschreibung von vermeintlichen Drahtziehern hinter gesellschaftlichen Herausforderungen und Problemen. Bei rechter Esoterik begegnen sich alternatives Denken und Extremismus und vermischen sich in gefährlicher Weise. Früher mussten Personen, die mit geringen finanziellen Mitteln wahnwitzige Thesen, ideologische Spinnereien und Hetze verbreiten wollten, diese mühsam mit der Schreibmaschine zu Papier bringen, im Copy-Shop kopieren und dann versuchen, sie als Flugblätter, Broschüren oder „Eigendruck im Selbstverlag“ unter die Leute zu bringen. Die Wirkung blieb überschaubar. Heute bieten das Internet, soziale Netzwerke und YouTube-Kanäle rasend schnelle Verbreitungsmöglichkeiten und einen reichen Resonanzboden, auch wenn man nicht über große finanzielle Mittel verfügt, dafür aber ein gewisses Talent im Hinblick auf Grafik, Design und Gestaltung hat. Kommt eine entsprechende Finanzkraft dazu, sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Die wahren Absichten, Hintergründe und Verflechtungen bleiben dabei oft im Verborgenen. 
    Problematisch ist auch, dass bei vielen Nutzern im Netz leider nicht der Grundsatz „erst denken - dann klicken“ gilt, wenn es darum geht, Nachrichten weiterzuverbreiten, sondern der umgekehrte Weg beschritten wird.
    Genau aus diesem Grunde haben wir uns bei unseren Tagungen schon frühzeitig und oft intensiv mit dem Auftreten von Verschwörungserzählungen und ihren gesellschaftlichen und psycho-sozialen Bedingungen auseinandergesetzt. Bewusst nehmen wir unsere Tagung zum 50-jährigen Bestehen 2025 zum Anlass zu überlegen "Was die Gesellschaft wieder zusammen bringen könnte ...". Wir wollen dabei nach Impulsen suchen, wie wir mit unserer Arbeit zur notwendigen Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen können.

 

Unser Auftrag bleibt unverändert:

Das Ziel der Elterninitiative ist seit der Gründung Hilfe zur Selbsthilfe gewesen. Dies bedeutet für uns, Betroffenen einen Raum zu schaffen. Zum einen als Möglichkeit, im individuellen Gespräch über Probleme zu reden. Zum anderen aber auch, um Gelegenheit zu bieten, wenn gewünscht, im Austausch mit anderen Betroffenen die eigenen Erfahrungen mit derartigen Gruppen zu verarbeiten, bzw. als Angehöriger zu merken, dass man mit dieser Situation nicht allein ist. Darüber hinaus hat die Elterninitiative durch ihre Aufklärungsarbeit frühzeitig die Öffentlichkeit sensibilisiert: Mitglieder der EI standen und stehen als Referenten in Schulen, für Verbände und Vereine, Journalisten und politische Entscheidungsträger zur Verfügung, um Ihre gewonnenen Erkenntnisse weiterzugeben oder authentisch über ihre persönlichen Erfahrungen als Ehemalige oder Angehörige zu berichten. Die EI hatte zudem durch ihr Entstehen Anstoß gegeben, dass Bistümer und Landeskirchen dem Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern folgten und die Notwendigkeit erkannten, Fachstellen für Sekten- und Weltanschauungsfragen einzurichten, um die religiös - weltanschauliche Szene entsprechend zu beobachten.

Unser Engagement richtete sich dabei niemals gegen eine Gruppe um der Gruppe willen, sondern wir setzten uns dann kritisch mit einer Organisation auseinander, wenn ihre Methoden zu seelischer Abhängigkeit führen oder sie ihre Lehren/Ideologien religiös/weltanschaulich extremistisch sind. Der Name „ ... zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus ...“ ist und bleibt Programm unserer Arbeit. Dabei sind wir zwar überkonfessionell, haben aber einen klaren eigenen Standpunkt, von dem aus wir Methoden und Lehren beurteilen: Menschenwürde-Selbstbestimmung-Respekt-Demokratie. 

Zu Beginn waren die Jahrestagungen vor allem ein Forum, um sich gegenseitig auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und sich gegenseitig in schwierigen Situationen beizustehen. Diese Rolle erfüllen sie auch weiterhin. Doch hat sich deren Funktion schon seit langer Zeit deutlich erweitert. Über den Austausch hinaus verfolgen wir vor allem auch das Ziel, aktuelle Entwicklungen aufzugreifen und auf grundsätzliche Probleme einzugehen. Damit wollen wir konsequent auch unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und uns nicht auf die Bewältigung eigener Probleme zurückziehen, wie dies Friedrich-Wilhelm Haack bereits anlässlich unseres zehnjährigen Bestehens deutlich gemacht hatte. 

Erfreulich waren für uns in den letzten 50 Jahren immer wieder Nachrichten von Mitgliedern, die sich aus der Arbeit zurückgezogen haben, entweder, weil sich das Problem erledigt hatte, oder sie einen neuen Abschnitt in ihrem Leben beginnen wollen, bei dem das Thema Gurubewegungen, Psychokulte oder Sekten keine herausragende Rolle mehr spielte, weil man einen Weg gefunden hatte, sich mit der Situation zu arrangieren. Wenn unsere Arbeit dazu einen Beitrag leisten konnte, sind wir sehr froh darüber.

Die neuen Kommunikationswege sehen wir als Chance, Aufklärungsarbeit zu optimieren und unsere Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 

Hier ist auch Proaktivität gefordert, das heißt Beobachtung und Mitarbeit in Blogs und Ratgeberforen, die immer wieder Fragen und Beiträge zum Thema aufnehmen. Kommunikation 2.0 ist kein Selbstläufer, sondern ebenso das „stete Bohren dicker Bretter“, wie die Information vor Aufkommen des Internets und unserer Homepage www.sektenwatch.de.

Aufklärungsarbeit hat sich in den letzten 50 Jahren gewandelt. Während in den früheren Jahren oftmals eine langfristige individuelle Begleitung gewünscht war, erfolgen heute die meisten Anfragen und Kontakte über E-Mail und Internet. Es werden einzelne Informationen und Einschätzungen abgefragt, intensivere Beratung stellt eher die Ausnahme dar. Aber jeder, der zu uns kommt, um Hilfe zu suchen, ist wichtig. Hier geht es um individuelle Schicksale, denen wir gerecht werden wollen.

Deutlich macht das vielleicht eine Anfrage, die wir über unsere Homepage erhielten und die beispielhaft auch für andere Hilfeersuchen steht:

 

„Hallo ….., 

………….In den letzten Wochen und Monaten ist in unserer Familie so viel passiert, dass es mir schwer fällt darüber zu schreiben. 

Meine Frau ist im letzten Jahr von unserem Wohnort xxxxx in Richtung Bayern zu Wort +Geist abgetaucht. Man muss es leider genau so ausdrücken. Ich habe somit meine Frau nach x Jahren Beziehung (x Jahre davon als Ehepartner) mit zwei gemeinsamen Kindern (x u. x) verloren. Leider haben auch unsere Kinder ihre Mutter verloren, was meine Frau allerdings nicht so sieht. Sie kommt alle 6-8 Wochen zu Besuch und diese Besuche sind, für mich persönlich, die reinste Hölle. Leider erkenne ich meine Frau nicht wieder, ein normales Gespräch ist nicht mehr möglich. Sie hält keine Absprache zwischen uns ein, was die Kinder betrifft. 

Ich habe auch große Angst, weil sie die Kinder mit Aussagen wie "ich lebe nur noch im Geist" oder "ich bin ein Christus", behelligt. Ich habe nun große Sorge, dass meine Kinder vielleicht auch dort mit hineingezogen werden könnten und ich merke wie unsere Kinder, seit der Trennung, immer verschlossener werden. Außerdem möchte ich meine Kinder nicht bedrängen, aber ich habe schon versucht sie diesbezüglich aufzuklären und ihnen nahe zu bringen, dass es sich hierbei wohl um eine Sekte handelt.

………..

Ich mache mir auch große Sorgen um meine Frau, da ich noch sehr an ihr hänge. Wenn ich mittlerweile meiner Frau in die Augen schaue, sehe ich nur noch leere. Sie war früher eine herzliche und einfühlsame Frau, leider ist davon nichts mehr übrig. Die Ohnmacht nichts dagegen tun zu können und vor allem dieser Sekte nichts entgegen setzen zu können, macht mich traurig, wütend und hilflos. Mein Leben selbst wird nur noch von einer großen Leere beherrscht. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung wie es aktuell weiter gehen soll. Denn so langsam verlassen mich meine Kräfte. 

Vielleicht haben sie einige Ratschläge für mich wie ich mit der Situation umgehen kann und können mir Tipps geben wie ich gegen diese Sekte vorgehen kann, wobei das wohl ein Ding der Unmöglichkeit sein wird und man wie Don Quijote gegen Windmühlen kämpfen wird. 

Ich danke Ihnen außerordentlich für die Möglichkeit mich mitzuteilen und wäre über eine Rückmeldung sehr dankbar. 

Liebe Grüße, 

xxxxxxxx“

 

Anfragen wie diese zeigen uns, dass es wichtig ist, diese Arbeit auch die nächsten Jahre fortzuführen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


[1]   Münchner Merkur Nr. 222 vom 27./28.09.1975

[2]  Gründungsprotokoll vom 15.09.1975

[3]  a.a.O.

[4]  a.a.O.

[5] F.W. Haack-Die neuen Jugendreligionen, epv, München,21. Auflage, S. 12 

[6] 16.04.1973 SEKTEN Eden auf Erden http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42645463.html

[7]  Moon und „Mein Kampf“ - Eine Elterninitiative will aufklären, „Die Zeit“ Nr. 08 v. 18.2.1977, Seite 57, http://www.zeit.de/1977/08/moon-und-mein-kampf

[8]  Collegiate Association for the Research of Principles 

[9]  a.a.O.

[12] So z.B.:

   Der Heilige Geist strömt in mich ein  SPIEGEL-Report über Jugend-Sekten in der Bundesrepublik,  DER SPIEGEL 45/1976  01.11.1976 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41125055.html

   Wie verzaubert, betäubt, berauscht - Neureligionen: Hunderttausende von Jungbürgern verfallen den Sekten
DER SPIEGEL 29/1978 17.07.1978  http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40942715.html

   Manfred Ach, Antikommunismus als Religion, Rheinischer Merkur 1976

   Jugendsekten - Die neue Droge, DER SPIEGEL 29/1978,  http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40942715.html

   Wie eine neue Droge - Junge Leute diskutieren: Jugendsekten – Flucht aus der Wirklichkeit? DIE ZEIT Nr. 34 18. August 1978 - Seite 47, http://www.zeit.de/1978/34/wie-eine-neue-droge

   Die falschen Heiligen – Die Bundesregierung sagt den Jugendsekten den Kampf an   DIE ZEIT Nr. 30 - 21. Juli 1978 - Seite 41  http://pdfarchiv.zeit.de/1978/30/die-falschen-heiligen.pdf

   Christoph Minhoff, SEKTENSTUDIE   Ein ominöses Papier – Viel Geld für wenig Wissenschaft     „Bayernkurier“, 24.7.82 

[13] Alfred Sauter, Junge Union Bayern: Landessekretariat, "Jugendreligionen" – Lebenshilfe oder Geschäftemacherei? München 1979 

[14] a.a.O., Seite 20

[15] a.a.O., Seite 28 ff. 

[16] Was mir zu denken gibt, Weihnachtsrundbriefe 1979-1991, Seite 5, Weihnachtsrundbrief 1979, München, Inge Haack und ARW 1992, 1. Auflage

[17] Jugendreligionen in der Bundesrepublik Deutschland. Bericht der Bundesregierung an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages 1979  https://web.archive.org/web/20070609003450/http://www.agpf.de/Bundesregierung79.htm

[18] a.a.O.

[19] a.a.O.

[20] a.a.O.

[21] Jugendliche in destruktiven religiösen Gruppen, Bericht der Landesregierung Rheinland-Pfalz über die sogenannten neuen Jugendreligionen, 1979 mit Ergebnissen einer Meinungsumfrage https://web.archive.org/web/20071023153413/ http://www.agpf.de/Rheinland-Pfalz79.htm  

[22] Was mir zu denken gibt, Seite 19,  Weihnachtsrundbrief 1981

[23] Friedrich-Wilhelm Haack:  Die neuen Jugendreligionen – Teil 2, S. 23, epv, München, 5. Auflage 

[24] Die Wiener Studie: Stellungnahmen und Folgen https://web.archive.org/web/20071023153413/ http://www.agpf.de/Wiener-Studie-1982.htm  
Christoph Minhoff:  Ein ominöses Papier -Viel Geld für wenig Wissenschaft, „Bayernkurier“, 24.7.82 

[25]  Friedrich-Wilhelm Haack:  Ratschläge, S. 49ff. epv, München, 5. Auflage 

[26]  a.a.O.– Die Verwendung des Begriffs „Gehirnwäsche“ in diesem Zusammenhang macht deutlich,   
 dass es beim Deprogramming an jeglichem Freiwilligkeitsaspekt fehlt und hier unmittelbarer Zwang 
 ausgeübt wird.

[27]  Neue Hoffnung 6/83, zitiert nach: Was mir zu denken gibt, Weihnachtsrundbriefe 1979-1991,  
 Seite 24, Weihnachtsrundbrief 1983, München, Inge Haack und ARW 1992, 1. Auflage 

[28]  a.a.O.

[29]  Beschluss des Ersten Senats vom 26. Juni 2002  - 1 BvR 670/91 
 https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20020626_1bvr067091.html

[30]  Der Tagungsbericht kann heruntergeladen werden unter  
 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/juei1984.pdf

[31]  Cottrell-Report 1984 Europäisches Parlament Dokument 1-47/84 vom 02.04.1984  
 https://web.archive.org/web/20071023153413/ http://www.agpf.de/Politik-Dokumente.htm#EP

[32]  Jenseits derTagespolitik - die Enquete-Kommissionen: Teil 7   
 http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/23114897_enquete_7/199532

[33]  Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Nr.307/85  
 vom 15.06.1985)

[35] http://www2.blja.bayern.de/dasamt/scientology_krisenberatung.html Die SO-Krisenberatungsstelle ist aus dem Festnetz zum Ortsgesprächstarif erreichbar. Telefon: 0180 100 00 42 

[36] Dieser und alle anderen Beiträge können nachgelesen werden in Haack, Ach, Schuster – Die neuen Jugendreligionen Teil 4, epv, München, 1. Auflage veröffentlicht auch unter . http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/jurelteil04.pdf

[37] epd Landesdienst Bayern, Nr. 6/621 abgedruckt in Haack, Ach, Schuster-Die neuen Jugendreligionen Teil 4, epv, München, 1. Auflage, S. 118ff.

[38]  Minhoff/Lösch „Neureligiöse Bewegungen“, München 1988, Bayerische Landeszentrale für 
 politische Bildungsarbeit, S. 231 ff.

[39]  a.a.O.

[40] Wir sind bis zur Schädeldecke bewaffnet, DER SPIEGEL 10/1985   http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13511600.html

[41] Der Tagungsbericht kann heruntergeladen werden unter http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/eurorel.pdf

[44] So z.B. im 2. Sachstandsbericht des Landes NRW und im Bericht des Senats von Berlin

[45] DOKUMENTATIONS-EDITION 18 Friedrich-Wilhelm Haack/Bernd Dürholt/Jutta Künzel-Böhmer/Willi Röder „THERAPIE" ALS RELIGIONSERSATZ Die Otto-Muehl-Bewegung, ARW, 1. Auflage München 1990,178 S.

  [47]https://www.re-port.de/ueber-uns/(aufgerufen 28.4.25)

[48] Zitiert nach: Thomas Gandow  Guru Chinmoy, Münchner Reihe, epv, 1. Auflage München 1993

[50] Karl-H. Schneider Der kosten aber nicht folgenlose Scientology Test, Münchner Texte und Analysen zur religiösen Situation, epv, 2. Auflage München 1993

[51] Behnk, Dürholt, Hauth,  Kroll:  „Streifzug durch den religiösen und weltanschaulichen Supermarkt“, epv, München 2000 (4. Auflage) 

[52] Rüdiger Hauth  „Den Gurus auf der Spur“ in 20 Jahre Elterninitiative, ARWARW, München 1995, Dokumentations- Edition Nr. 26 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/20jahre.pdf

[53] Die Broschüre kann heruntergeladen werden unter http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/seelenriss.pdf

[55] Jürgen Keltsch:  „Reichen die Gesetze aus, um Konsumenten auf dem Psychomarkt zu schützen?“ in 20 Jahre Elterninitiative – Und es geht weiter: ARW, München 1996, Dokumentations-Edition Nr. 27 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/weiter.pdf

[56] Aao, Seite 24ff.

[57] Nach wie vor einer der besten Artikel, der die Methoden und Wirkungsweisen, der Scientology/Dianetik beschreibt, stammt von Dr. Jürgen Keltsch Was ist Scientology? – Die Fabrikation der Mensch-Maschine im kybernetischen Lernlabor". Er ist unter https://de.readkong.com/page/was-ist-scientology-1803316 zu finden.

[58] Hauth in 20 Jahre Elterninitiative – Und es geht weiter, ARW, München 1996, Dokumentations-Edition Nr. 27

[59] So in einer Beschreibung der „theatergruppe lila“ aus Ansbach  http://www.lilaweb.de/index.php?option=com_content&task=view&id=28&Itemid=59

[60] 20 Jahre Elterninitiative (Jahresfachtagung 1995) (Anhang) 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/weiter.pdf  und "Im Teufelskreis der falschen Heilsbringer", SZ vom 24. Juli 1995

[61] Erweitere Fassung herunterladbar unter http://www.sektenwatch.de/drupal/node/5 sowie Beurteilungsparameter unter: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/Parameter.pdf

[63] Eimuth Kurt-Helmuth: Die Sekten-Kinder – Mißbraucht und betrogen – Erfahrungen und Ratschläge 
Herder Freiburg 1996 ISBN 3-451-04397-1 zum Herunterladen unter http://www.sinus-ffm.de/wp-content/uploads/2013/09/Eimuth-Die-Sekten-Kinder-1996-m_NeuesTitelbild2.pdf

[64] a.a.O. S. 59 ff.

[65] Wolfgang Behnk: Die Zwölf Stämme (The Twelve Tribes). Die Jünger Jahschuas des Elbert Eugene Spriggs aka Yonek. In: EZW Materialdienst 03/2000, S. 76 - 83 nachzulesen unter http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/Materialdienst_Wolfgang_Behnk_Die_Zwoelf_Staemme.pdf mit freundlicher Genehmigung des Autors

[69] Frank Nordhausen, Liane von Billerbeck: Scientology. Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will, Ch. Links Verlag 2008,  S. 471

[70] UNO-Sonderberichterstatter über religiöse Intoleranz besucht Deutschland, Pressemitteilung vom 16. September 1997 des Regionalen Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa (UNRIC)  Verbindungsbüro in Deutschland  http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/5081 

[71] Nordhausen/Billerbeck  a.a.O. S. 470

[72] EPD-Bericht vom 04.03.1998 „ UN-Experte bescheinigt Deutschland religiöse Toleranz“, zitiert nach Nordhausen/Billerbeck  aao. S. 470 

[74] Sehr gut (chronologisch) dargestellt unter http://www.helmut-zenz.de/hzholos4.html  DIE SANT THAKAR SINGH-BEWEGUNG HOLOSOPHISCHE GESELLSCHAFT DEUTSCHLAND E.V. Eine kritische Auseinandersetzung mit einer umstrittenen Bewegung von Helmut Zenz und im Lexikon der EZW (Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) http://www.ekd.de/ezw/Lexikon_2480.php 

[75] Eduard Trenkel  Stichwort: Holosophische Gesellschaft Deutschland, nachzulesen unter BERLINER DIALOG 14, 3/1998 - Advent http://www.religio.de/dialog/398/14_04.htm

[76] Die ausführliche Analyse ist unter http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/Enquete.pdf nachzulesen und kann heruntergeladen werden

[77] Der gesamte Vortrag steht zur Verfügung unter: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/Aussteiger.pdf

[78] a.a.O.

[79] Bernd Dürholt, Reiki-Heilende Hände, Münchner Texte und Analysen, 1. Auflage 1999, epv München

[80] Rainer Fromm berichtete darüber im ZDF in „Der Schattenmann“ 

[81] Manfred Ach VON MIR AUS (Teil 5) Ruf- & Fragezeichen - Apologetisches,  Edition Ludwig   im Tale der A.R.W. 1. Auflage München 2011

[82] Stichwort: Internationale Gemeinden Christi / Boston-Bewegung von Wolfgang Behnk 

   http://www.religio.de/dialog/105/28_11-13.htm; ferner der Bericht von Christoph Tannenberger: Denn sie wissen noch nicht, was sie tun… http://www.religio.de/dialog/497/497s10.html 

[84] Zitiert nach: „Waldorfschulen - enttäuschte Eltern berichten“, Transkription der Sendung "Report aus Mainz" http://www.akdh.ch/ps/ps_report.html

[85] Detailliert wurde darauf bei späteren Jahrestagungen v.a. 2003 und 2012 eingegangen: 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2003.pdf und 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2012.pdf

[86] O-Ton, Samuel Althof, „Aktion Kinder des Holocaust“, Basel in Transkription der Sendung "Report aus Mainz" http://www.akdh.ch/ps/ps_report.html 

[87] Zitiert nach; Waldorf-Lehrbuch preist „Genie der arischen Rasse" QU: Frankfurter Rundschau, 13. 07. 2000  
http://www.akdh.ch/ps/ps_report11-07-00.htm#waldorfariere und Arisches Genie und die Waldorfschulen
QU: Süddeutsche Zeitung vom 15.07.2000 Politik Dachverband empfiehlt seinen Lehrern ein Buch zur Vorbereitung des Unterrichts, das jetzt verboten werden soll 
http://www.akdh.ch/ps/ps_report11-07-00.htm#waldorfariere

[88] Vortragsmanuskript Franco Rest: Die Waldorfpädagogik angesichts der künftigen Herausforderungen an Erziehung. http://www.religio.de/aggnr/rest.pdf  © Edition Religio 2004

[90] Nachzulesen unter Wolfgang Hund: Der esoterische „Marsch durch die Institutionen": Edu - Kinestetik als pädagogische Wunderwaffe?  http://www.hund-hersbruck.de/edu.htm

[91] Edukinesiologie - Ein neuer Heilsweg in der Pädagogik 
http://www.isb.bayern.de/download/1553/edukinesiologie.pdf

[93] siehe beispielsweise Friedrich-Wilhelm Haack: Wotans Wiederkehr Blut-, Boden- und Rasse-Religion; Claudius Verlag München 1981; ders. Blut-Mythos und Rasse-Religion. Neugermanische und deutsch-völkische  Religiosität, Münchner Reihe, epv, München 1983 

   Manfred Ach / Clemens Pentrop HITLERS 'RELIGION' Pseudoreligiöse Elemente im  
nationalsozialistischen Sprachgebrauch ARW, IRMIN-EDITION Nr. 3, 6. Auflage München 2001

[94] Dieses und alle folgenden Referate können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der unter 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2003.pdf zum Herunterladen zur Verfügung steht.

[95] Rainer Fromm: "Schwarze Geister, neue Nazis" Olzog-Verlag 2008, S. 74 ff. http://buecher.hagalil.com/sonstiges/fromm.htm

[97] Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der unter 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2004.pdf zum Herunterladen zur Verfügung steht

[99] Die Beiträge können im Tagungsbericht  nachgelesen werden, der unter 
http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2005.pdf zum Herunterladen zur Verfügung steht

[100]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der zum Herunterladen zur   
 Verfügung steht: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2006.pdf

[101]  Claudia Goldner: „Und bist du nicht willig...": Zur Wiederkehr der "Schwarzen Pädagogik"  
 in Goldner, Colin (Hrsg.): Der Wille zum Schicksal: Die Heilslehre des Bert Hellinger. Carl-
 Ueberreuter-Verlag, Wien, 2003

[103]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der zum Herunterladen zur   
 Verfügung steht: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2007.pdf
 

[104]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der zum Herunterladen zur   
 Verfügung steht: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2008.pdf

[106]  von Schmädel, D. (1993): Ayurveda - Quo vadis? Maharishi Ayur-Veda - Fortschritt oder Sack-  
 gasse? In: Das, R. P., Emmerick, R.   E.: Journal of the European Ayurvedic Society. Vol 3. 229 - 
 249.

[107]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der zum Herunterladen zur   
 Verfügung steht: http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2009.pdf

[109]  Die Beiträge können im Tagungsbericht  nachgelesen werden, der unter 
 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2010.pdf zur Verfügung steht

[111]  Quelle: 
 http://fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Evolution_Kreationismus_Deutschla…

    Frage: Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, wie das Leben auf der Erde entstanden ist und sich  
weiterentwickelt hat. Ich lese Ihnen nun drei Aussagen dazu vor und Sie sagen mir bitte, welcher der folgenden Aus-  
sagen Sie am ehesten zustimmen:

                (1) Gott hat das Leben auf der Erde mit sämtlichen Arten direkt erschaffen, so, wie es in der Bibel steht

                (2) das Leben auf der Erde wurde von einem höheren Wesen bzw. von Gott erschaffen, durchlief aber einen

                langwierigen Entwicklungsprozess, der von einem höheren Wesen bzw. von Gott gesteuert wurde
             (3) das Leben auf der Erde ist ohne Einwirken einer höheren Macht entstanden und hat sich in einem        
           natürlichen Entwicklungsprozess weiterentwickelt.
Die Anhänger der ersten Auffassung werden in Kurzform Kreationisten genannt, die zweite Auffassung wird als Annahme eines Intelligenten Design (I.D.) verstanden und die dritte Auffassung ist gleichbedeutend mit der Theorie einer Evolution.

[112]  http://www.blja.bayern.de/textoffice/fachbeitraege/Wunsch0205.html und 

    http://www.km.bayern.de/eltern/was-tun-bei/rechte-und-pflichten.html dort: Was tun, wenn    
 ein Verdacht auf Scientology Aktivität besteht? Infos zu Scientology im Bereich Nachhilfe   
 und Bildungsmarkt

[114]  Nordhausen/Billerbeck,  Scientology. Wie der Sektenkonzern die Welt erobern will,  Ch.   
 Links Verlag; 2.Auflage 

[115]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der unter 
 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2011.pdf zur Verfügung steht

[117]  Idea Spektrum Nr. 50, 9.12.2009, Seite 22.

[118]  Predigt Alex Thomsen, "Die Stunde Null" (Mitschrift einer CD vom 31.8.2008  
 https://web.archive.org/web/20090122224016/http://irrglaube.parlaris.com/ftopic5051.html
 aufgerufen 28.4.25 ); Thomsen scheint jedoch zwischenzeitlich nicht mehr bei Wort und Geist aktiv 
 zu sein 

[119]   Süddeutsche Zeitung, 22.6.1985 http://www.ibka.org/ir/696f.html

[120]   Die Beiträge können im Tagungsbericht  nachgelesen werden, der unter 
  http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2012.pdf zur Verfügung steht

[121]   Manfred Ach „Das Nekrodil. Wie Hitler wurde, was er war“ ARW 1. Auflage München 2010

[122]  Die Beiträge können im Tagungsbericht  nachgelesen werden, der unter 
 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2013.pdf zur Verfügung steht

[123]  Mehr zu den Konzepten unter www.kulte.de 

[124]Kinder sind keine Hunde. Sie können nicht so trainiert werden wie Hunde. Sie sind keine steuerbaren Elemente. Sie sind, und das sollten wir nicht übersehen, Männer und Frauen. Ein Kind ist keine besondere Tierart, die sich vom Menschen unterscheidet. Ein Kind ist ein Mann oder eine Frau, die noch nicht voll ausgewachsen sind. Jedes Gesetz, das auf das Verhalten von Männern und Frauen anwendbar ist, gilt auch für Kinder.“ (Wie man mit Kindern lebt - Scientology Handbuch https://www.scientologyhandbook.org/children/SH14_1.HTM abgerufen 25.4.25) oder: „Sie müssen wirklich Ihren Verstand auflockern...auf ein Kind zu schauen und zu erkennen, dass Sie auf einen Erwachsenen mit weniger Körper schauen...mehr Zukunft und weniger Körper. Und das ist so ungefähr der einzige Unterschied!" L. Ron Hubbard, 7. Juli 1957, „Vortrag Kinder – Scientology“

[125]  Die Beiträge können im Tagungsbericht nachgelesen werden, der unter  
 http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2014.pdf zur Verfügung steht

[126] Die Beiträge können im Tagungsbericht  nachgelesen werden, der unter https://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/tagungsband… zum Herunterladen zur Verfügung steht

 

[127] In der Dokumentation der Jahrestagung findet sich ein ausführliches Interview mit Robert Pleyer, 
 https://www.sektenwatch.de/sites/default/files/files/02.Robert-Pleyer.p…

[130]detailliert sind wir darauf auch auf unseren Jahrestagungen 2023 „Zwischen den Welten: Filterbla 
 senkinder verstehen und unterstützen“ und 2006 „Esoterisches - Heil für Kinder und  Jugendli-
 che?“ eingegangen. https://www.sektenwatch.de/node/8 

[131] Der Tagungsbericht ist zu finden unter:   
 https://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/2016_0.pdf.

 

[132] Scherz-Verlag, Bern 2003

[134] https://www.shimaa.shop/berufe-der-neuen-zeit/89/tarass-heiler?c=10 „…..Dieser Beruf ist für die Heilverfahren der Neuen Zeit wegweisend, vor allem in der Anpassungsphase nach dem Aufstieg….. Nun wartet dieser Beruf darauf, in den energetischen Fluss eintreten zu können. Viele Menschen auf Erden (SOL'A'VANA) wünschen sich, Heilungen zu vollbringen. Doch dieser Beruf braucht Menschen, die es sich zutrauen, diese Heiltechniken anzuwenden und mit ihrer ganzen Absicht, Kraft und Liebe damit zu wirken.“ 

[136] Der Tagungsbericht mit allen Beiträgen kann heruntergeladen werden:    
https://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/tagungsbrosch%C3%BCre%20kleiner.pdf

[137] Interessant in diesem Zusammenhang ein umfangreiches Angebot von Erklärvideos speziell für  
 junge Menschen www.lindafragt.de  mit Informationen zu unterschiedlichen Weltanschauungs-
 fragen/ Eine detaillierte Sammlung von Unterrichtsmaterialien findet sich auf unserer Homepage 
 https://www.sektenwatch.de/drupal/index.php/node/26

[138] hierzu besonders die Bücher von Volker Weiß, Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der  
 Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017 sowie Thomas Wagner, Die Angstmacher. 1968 und die 
 Neuen Rechten, Berlin 22017.

[139] Der Tagungsbericht findet sich zum Download unter https://www.sektenwatch.de/drupal/ 
 sites/default/files/files/2018.pdf

[143] Der vollständige Tagungsbericht kann unter: 
 https://www.sektenwatch.de/sites/default/files/2020- 04/2019.pdf heruntergeladen werden.

[144] Shinchonji und das Corona-Virus – eine brisante Mischung:  
 https://www.ezw-berlin.de/fileadmin/user_upload/ezw-berlin/PDF/EZW-
 Texte_PDF_Dateien/EZW-Texte_268_korrig._71-88_Koch_Shinchonji.pdf

[147] Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) ist eine psychische Erkrankung, deren Existenz kontrovers  
 diskutiert wird (DSM V). Viele Wissenschaftler (u.a.:  Patihis, L., Pendergrast, M., Frances, A.) ge
 hen davon aus, dass sie erst innerhalb einer Therapie entsteht (iatrogene Entstehung). Die Annah-
 me, DIS entstehe durch frühkindliche Traumaerfahrungen, ist umstritten (u.a.: Spanos, Pope & 
 Hudson). Eine Person mit der Diagnose DIS, nimmt wahr, dass verschiedene Persönlichkeitszu-
 stände (dissoziative Identitäten) abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln  
 übernehmen. Diese verschiedenen Persönlichkeiten verfügen über eigene Charaktereigenschaften, 
 Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wahrnehmungs- und Denkmuster.

[150] Der vollständige Tagungsbericht kann unter:    
 https://www.sektenwatch.de/sites/default/files/2022-08/2022.pdf heruntergeladen werden.

[151] https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/archiv/12-02/cosmo-
 analysis.html#15_verschw%C3%B6rungsdenken

[153] „Der "geistige Führer" der Lebensgemeinschaft "Go&Change" muss für zwei Jahre und neun Mo-
 nate in Haft. Das Landgericht Schweinfurt verurteilte den 42-Jährigen wegen mehrfacher Vergewal- 
 tigung und Körperverletzung. Doch der Mann geht in Revision.“ 
 Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/geistiger-fuehrer-der-lebensgemeinschaft-
 goandchange- muss-ins-gefaengnis, UTvfuMw (eingesehen 20.2.25)

 

[155] Detailliert auch dargestellt in der Broschüre  „Rituelle Gewalt – Mind Control: „Elitenverschwö-
 rung oder Verschwörungstheorie?“ kostenlos zum Download unter    
 https://www.gwup.org/images/pdf/GWUP_Broschre_RG-MC.pdf

 

[156] Der vollständige Tagungsbericht kann unter   
 https://www.sektenwatch.de/sites/default/files/2024-10/Tagung%202024-homepage_1.pdf
 heruntergeladen werden. 

[158] Eric Hoffer: The true believer. New York: Perennial.

[159] Vgl. dazu auch Stephanie Butenkemper in: „Toxische Gemeinschaften“. Geistlichen und emotio-
 nalen Missbrauch erkennen, verhindern und heilen, Freiburg i. Br. 2023, S. 112, 174.